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Adam Bolitho legte eine Hand auf die Achterdeckreling und sah, wie der diesige Horizont kippte, als solle das ganze Schiff umgeworfen werden. Den größten Teil der Morgenwache hatten sie mit Segeldrill zugebracht, der wegen des böigen Windes noch ungemütlicher war als sonst. Er wehte exakt aus dem Norden und war stark genug, die Unrivalled, soweit zu krängen, bis die See gegen die geschlossenen Kanonenpforten rauschte und die Männer im Rigg und auf Deck durchnäßt wurden wie im tropischen Regen.
Vor drei Tagen war die Küste Cornwalls hinter dem Horizont versunken, und jeder Windhauch war gut genutzt worden.
Die meisten Männer verschwanden jetzt unter Deck. Die neuen an Bord, Leute vom Land, und andere, die sich noch nicht sicher genug fühlten, hielten sich an den Webleinen fest, wenn das Schiff sich nach Lee überlehnte und die See direkt unter ihnen zu sein schien. Selbst bei diesem Wind konnte man den Rum riechen, und Adam hatte bereits ein Fähnchen aus fettigem Rauch gesehen, der aus dem Schornstein der Kombüse stieg.
Er sah den Ersten Offizier an der Steuerbordleiter. Sein Gesicht verriet nichts.
»Das war besser, Mr. Galbraith.« Er meinte, Galbraiths Augen auf die Tasche wandern zu sehen, in der er seine alte Taschenuhr trug, und fragte sich, wie er sich wohl wieder als Leutnant fühlen würde, der Befehle nur auszuführen hatte, statt als Kommandant, der sie gab. »Lassen Sie die Wache nach unten wegtreten.«
Er hörte, wie die Matrosen ihre Stationen verließen, froh, daß man sie nicht weiter drangsalierte. Über ihrem Rum würden sie jetzt auf den Kapitän fluchen. Er wußte auch, daß der Master ihn beobachtete. Er stand wie immer neben dem Rudergänger, wenn das Schiff einen neuen Kurs lief oder durch den Wind ging.
Adam ging nach Luv hinüber, wischte sich Gischt aus dem Gesicht und stand schräg gegen das Deck geneigt, als die Segel sich wieder füllten und wie Brustpanzer standen. Die See war heute lebhaft und trug Schaumkronen, doch insgesamt ruhiger als in der Biskaya. Dank zuviel Gischt konnte er das Land nicht ausmachen, aber es war da, ein langer, purpurner Buckel wie eine Wolkenbank, vom Himmel gerutscht. Kap San Vincent. Und trotz des Drills und der vielen Kursänderungen: Um die Toppgasten und die neuen Männer einzuüben, war es ein exakter Landfall. Er kannte die Kalkulationen des Masters und seine täglichen Schätzungen der abgelaufenen Distanzen.
Joshua Cristies Gesicht war so wettergegerbt, daß er aussah wie der sprichwörtliche Wassermann, obwohl er erst zwischen vierzig und fünfzig Jahre alt war. Er hatte auf fast jeder Art von Schiffen gedient, vom Schoner bis zum Schiff der Zweiten Klasse, und er war seit über zehn Jahren als Master für die Navigation verantwortlich. Wenn die älteren Unteroffiziere das Rückgrat eines jeden Kriegsschiffes bildeten, dann war der Master so etwas wie sein Ruder. Die Unrivalled war glücklich, ihn zu haben.
Adam trat neben ihn und fragte: »Also morgen Gibraltar, oder?«
Cristie sah ihn unbewegt an. »Sehe kein Problem dabei, Sir.« Er war ein kurz angebundener, nüchterner Mann, der nie viele Worte machte.
Adam hatte bemerkt, daß Galbraith nach achtern gekommen und einen Midshipman mitgebracht hatte. Er prüfte sein Gedächtnis, richtig, das mußte Sandell sein.
Galbraith sagte: »Ich habe Sie beobachtet, Mr. Sandell. Ich habe Sie schon zweimal ermahnt. Disziplin ist eine Sache, Gewalt eine ganz andere!«
»Der Mann hat das mit Absicht getan, Sir. Er blieb zurück, damit wir die letzten wurden«, polterte der Midshipman los.
Üblicherweise zeigte Galbraith keine solche Erregung, vor allem dann nicht, wenn Wachgänger in der Nähe waren, die zuhören konnten. Es schien ihm Mühe zu machen, wieder ruhig zu werden.
»Ich weiß, daß Sie die Männer kontrollieren müssen, die Sie führen. Wenn Sie Offizier des Königs werden wollen, gehört das dazu. Inspirieren Sie sie, überreden Sie sie meinetwegen, aber mißbrauchen Sie sie nicht. Ich werde Sie daran nicht noch mal erinnern.«
Der Midshipman hob grüßend die Hand an den Hutrand und zog sich zurück. Adam sah nur flüchtig sein Profil. Galbraith hatte sich gerade einen Feind gemacht, wie es alle Ersten Offiziere überall taten.
Jetzt kam er das schräge Deck empor und sagte: »Ein Rohling. Nutzt das Tauende viel zu schnell. Ich weiß, daß der betreffende Mann die ganze Übung aufhielt, ich habe es selber gesehen. Doch es fehlen uns sechzig Männer, und manche von denen, die wir kürzlich übernommen haben, sind Tölpel. Aber wir müssen uns mehr Mühe geben.«
Adam war, als lichte sich der Nebel hinter dem Fernglas. Er erinnerte sich plötzlich, daß er kürzlich gehört hatte, man habe einen Midshipman an Land gesetzt, um ihn vor ein Kriegsgericht zu stellen, weil ein Seemann durch einen Unfall auf See ums Leben gekommen war. Die Sache wurde dann doch nicht verhandelt, man versetzte den Midshipman nur auf ein anderes Schiff. Er war der Sohn eines Admirals. Geschehen war das Ganze um die Zeit, als Galbraith das Kommando nicht bekam, das ihm versprochen worden war. Keiner konnte irgendeinen Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen herstellen, und es würde auch kaum einen interessieren - außer Galbraith. Nun war er hier als Stellvertreter des Kommandanten einer der mächtigsten Fregatten. Würde er damit zufrieden sein? Oder würde er jetzt zu sehr um seine weitere Laufbahn besorgt sein und nichts von dem Schwung zeigen, mit dem er einst sein eigenes Kommando bekommen wollte?
»Befehle, Sir?«
Adam blickte auf die nächsten Achtzehnpfünder. Auch so ein Unterschied. Die Bewaffnung der Unrivalled bestand hauptsächlich aus diesen Kanonen, und sie waren das größte Gewicht an Deck. Die Schiffbauer hatten darauf bestanden, daß die Kanonen, die üblicherweise neun Fuß lang waren, einen Fuß kürzer gegossen wurden, weil man damit etwas von dem Gewicht oben reduzieren konnte.
Eine Fregatte war nur so gut wie ihre Feuerkraft und ihre Beweglichkeit, und Adam war sehr wohl aufgefallen, daß die See bis fast an die Kanonendeckel an Lee schlug. In einem wütenden Gefecht Schiff gegen Schiff konnte sich kein Kommandant mehr auf die Überlegenheit verlassen, die ihm die bessere Position im Wind bot.
Er sagte: »Wir werden heute nachmittag die Backbord-Batterien exerzieren, Mr. Galbraith. Ich möchte, daß unsere Männer die Kanonen in- und auswendig kennen. Sie sagten, wir haben eine zu geringe Besatzung. Wenn wir die Batterien auf beiden Seiten gleichzeitig besetzen müssen, kriegen wir wirklich zu tun.« Er bemerkte ein leichtes Stirnrunzeln. »Gut, vielleicht müssen wir niemals kämpfen. Der Krieg ist vielleicht schon wieder vorbei, wer weiß.« Er berührte seinen Arm und spürte, wie der andere zuckte. »Aber wenn wir kämpfen müssen, dann lege ich Wert darauf, daß dieses Schiff gewinnt.«
Galbraith tippte an den Hut und verschwand und würde jetzt in der Messe einen Haufen Fragen und manches Murren zu hören bekommen.
Adam trat an die triefenden Finknetze und hielt sich gerade, als das Deck unter einer neuen Bö wieder stark krängte. Das Land war jetzt fast außer Sicht. Kap St. Vincent, Schauplatz einer der größten Seeschlachten! Nelson hatte sich einfach über die strengen Kampfinstruktionen hinweggesetzt und das spanische Flaggschiff Santissima Trinidad angegriffen, das mit einhundertdreißig Kanonen das größte Kriegsschiff der Welt war. Wie mein Onkel, dachte Adam. Sir Richard Bolitho hatte niemals zugelassen, daß die üblichen Regeln über das Führen von Gefechten und Schlachten seine Initiative einschränkten oder seinen persönlichen Mut. Irgendwie war es bedauerlich, daß die beiden Admiräle, die von denen, die sie führten, so bewundert und geliebt wurden, sich nie getroffen hatten.
Er wischte sich mit dem feuchten Taschentuch übers Gesicht, das nun ganz naß vom Schaum war. Es ähnelte dem Tuch, das er Catherine in der Kirche gereicht hatte, damit sie sich die Tränen hinter dem Schleier trocknen konnte. Auch Galbraith hatte das bemerkt.
Ärgerlich schüttelte er sich und trat die Reling. Ein paar Männer waren mit Spleißen und Reparaturen beschäftigt. Auf jeder Fregatte mußten das Rigg und die Leinen ständig gewartet werden. Einige blickten auf und sofort zur Seite. Das also waren die Männer, mit denen aus einem Schiff etwas wurde - oder nicht. Er grinste ein bißchen grimmig. Oder aus seinem Kommandanten. Einige Männer kamen direkt von den Gerichtsschranken, waren Schuldner oder Diebe, Tyrannen oder Feiglinge. Ihre Alternativen hießen Verbannung und Strick. Er sah Schaum über das Vordeck rauschen, die Galionsfigur mußte jetzt wie eine Nymphe glänzen, die gerade aus der See aufgetaucht war. Die Unrivalled würde alle zusammenführen, aus ihnen eine Mannschaft, eine Gemeinschaft machen.
Welche Befehle würden auf sie in Gibraltar warten? Wieder nach England zurückzukehren? Oder umgeleitet zu werden zu einem anderen Geschwader in einem fernen Ozean? Wenn sich nichts geändert hatte, würde er noch nach Malta weitersegeln und zum neuen Geschwader unter der Flagge von Vizeadmiral Sir Graham Bethune stoßen. Bethune war mit dem Befehl gekommen, Sir Richard Bolitho abzulösen, aber das Schicksal hatte anders entschieden. Wenn nun Bethune gefallen und Sir Richard Bolitho zurückgekehrt wäre zu seiner Catherine, zu Kate?
Wie später Adam war Bethune früher einer von Bolithos Midshipmen auf seinem ersten Schiff, der kleinen Sparrow, gewesen. Auch Valentine Keen war noch Midshipman, als Richard Bolitho schon eine Fregatte führte. So viele Gesichter waren verschwunden. Wir wenig Beglückten, ein Kreis...
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