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KAPITEL 2
Hinter Gittern
Dallas kannte Colin West, seit er fünf Jahre alt war. Er war mit diesem Mann groß geworden. Er hatte Jane getröstet, als Colins dämliche Aktionen sie in Gefahr gebracht hatten. Er hatte sie im Arm gehalten, als Lisa, ihre Mutter, bei Gericht beantragt hatte, Colin das Sorgerecht zu entziehen, damit Eli - Dallas' Onkel und Adoptivvater - Jane adoptieren konnte, wodurch Dallas und Jane auf dem Papier zu vollwertigen Geschwistern wurden.
Dallas hatte nie Zweifel daran gehabt, dass Colin ein echter Schwachkopf sein konnte. Immerhin hatte dieser Typ wegen Insiderhandels im Gefängnis gesessen, und war später noch einmal wegen Steuerbetrugs zu einer Haftstrafe verknackt worden. Keine Frage, er hatte einige Fehlentscheidungen getroffen und sich mit den falschen Leuten eingelassen.
Aber Dallas hatte auch gesehen, wie Colin Jane damals nach der Entführung Trost gespendet hatte. Damals, als sie verletzt und durcheinander war und Abstand von ihrer Familie brauchte. Was ihn jedoch am meisten geschmerzt hatte, war, dass sie vor Dallas geflohen war. Die Anziehung zwischen ihnen - ihre Leidenschaft - hatte ihnen in der Gefangenschaft Halt gegeben. Aber nach ihrer Befreiung war sie das Einzige, das außerhalb der Betonmauern nicht bestehen konnte.
Also hatte sie ihn verlassen. Sich vor ihm verschlossen. Und bei Colin Hilfe gesucht.
Dallas hatte die Distanz nicht ertragen, aber er war dankbar, dass sie Colin hatte, der seinen Schmerz darüber, dass man ihm das Sorgerecht entzogen hatte, hinter sich gelassen zu haben schien, um für seine Tochter da zu sein. So dankbar, dass Dallas, als er langsam zu einem Erwachsenen heranwuchs, seine Freundschaft zu Colin wiederbelebt hatte. Und im Laufe der Zeit waren Colin und seine neue Ehefrau Adele Teil von Dallas' Freundeskreis geworden.
Niemals hätte Dallas vermutet, dass Colin womöglich die treibende Kraft hinter der Entführung von ihm und Jane war. Niemals war ihm der Gedanke gekommen, dass jener Mann, mit dem er aufgewachsen war - jener Mann, den Jane nach wie vor wie einen Vater liebte -, der Wärter war. Jener Mann, der sie in ein dunkles Verlies eingesperrt hatte, der Dallas zugeflüstert hatte, dass er all das Leid seiner Gefangenschaft verdiente.
Jener Mann, der der Frau erlaubte, ihre sadistischen Sexspielchen mit einem fünfzehnjährigen Jungen zu treiben.
Nun vermutete er es. Zur Hölle, nun glaubte er es.
Es machte ihn krank, aber er glaubte es.
Und während er die nahezu leere Straße auf seiner zeitlosen Ducati Darmah entlangbrauste, die er während des Studiums gekauft hatte, war der alles beherrschende Gedanke der, dass er zu Colin musste. Er musste Jane finden. Denn am Ende zählte nur sie. Und sobald er den Raum betreten und diesem Wichser gegenüberstehen würde, würde Colin nicht eher lebend herauskommen, ehe Dallas Antworten auf seine Fragen hatte.
Er legte eine scharfe Rechtskurve ein und gab Gas, als er sah, dass die Spur frei war. Er war viel zu schnell unterwegs, das war ihm klar, aber er konnte nicht abbremsen. Nicht, solange die Erinnerungen an Colin ihm im Kopf herumspukten. Nicht, solange er versuchte, der Erinnerung an Janes Gesichtsausdruck, als sie ihn anschrie, er solle abhauen, zu entkommen.
Und ganz sicher nicht, solange er das Flüstern des Wärters in seinem Kopf hörte, so deutlich und klar wie vor fast achtzehn Jahren.
Glaubst du, dass dein sogenannter Vater nach dir suchen wird? Glaubst du, dass er dich genug liebt und bereit ist, das Lösegeld zu zahlen, um dich wiederzubekommen?
Du solltest es hoffen. Du solltest hoffen, dass du mehr für ihn bist als ein weiteres scheiß Prunkstück, das er sich auf seinen Kamin stellen kann. Als irgendein weiteres Objekt in der riesigen Sammlung des Eli Sykes.
Soll ich dir etwas verraten? Ich hoffe es ebenfalls. Denn du bist die Luft nicht wert, die du einatmest. Und falls er die Lösegeldsumme nicht zahlen sollte, sehe ich keinen Grund, weshalb ich dich am Leben lassen sollte.
Mit einem heftigen Ruck am Lenker brachte er die Maschine zwei Häuserblocks vor seinem Ziel schlitternd zum Stehen. Schwer atmend blieb er einen Moment sitzen und blickte die Straße hinunter auf den halb verfallenen East Harlemer Lebensmittelladen, während er versuchte, die Erinnerungen zurückzudrängen. Sich wieder in den Griff zu kriegen.
Schließlich war er kein verängstigter Teenager mehr. Sondern ein erwachsener Mann, und zwar ein mächtiger dazu. Und diese Macht würde er nun einsetzen.
Es war an der Zeit, seine verfluchten Erinnerungen beiseitezuschieben.
Es war an der Zeit, Jane zurückzubekommen. Über eine Stunde war vergangen, seit diese furchtbare Nachricht bei ihm eingegangen war, und jede Sekunde, die verstrich, war wie ein Messer, das sich ihm in die Eingeweide bohrte. Wenn er Jane finden wollte, musste er fokussiert sein. Schlau sein.
Sie war darauf angewiesen, dass er sie fand, dass er sie beschützte, wie er es immer versprochen hatte. Und er würde sie ganz sicher nicht enttäuschen.
Fest entschlossen, glitt er vom Motorrad hinunter und lief zu dem Gebäude, das Deliverance vor achtzehn Monaten gekauft hatte, wobei die Identität der Eigentümer durch ein undurchdringliches Geflecht an Briefkastenfirmen und ausländischen Scheininvestoren verschleiert wurde.
Soweit die Öffentlichkeit wusste, wurde der heruntergekommene Supermarkt in diesem Stadtviertel, das gerade eine Aufwertung erfuhr, abgerissen, um einem luxuriösen Apartmenthaus zu weichen. Technisch gesehen, stimmte das sogar. Allerdings ging dieser Umbau im Schneckentempo voran. In der Zwischenzeit diente die Baustelle Deliverance als perfekte Tarnung für ihre Einsatzzentrale in Manhattan.
Dallas hatte Deliverance gegründet in der Hoffnung, die beiden Köpfe zu finden, die hinter seiner und Janes Entführung steckten - ihrer damaligen Entführung. Inzwischen bildeten fünf Männer - Dallas, Liam, Quince, Tony und Noah - die streng geheime Elite-Vigilantenorganisation, die es sich zur Aufgabe machte, Entführungsopfer aufzuspüren und zu retten. Allerdings hätte Dallas nie damit gerechnet, dass er Deliverance eines Tages auf den Plan rufen müsste, um Jane zu suchen, und die Ironie des Schicksals lag ihm schwer im Magen.
Ironie hin oder her, Dallas war jedenfalls dankbar, dass Deliverance existierte. Die Organisation war zwar seine Erfindung gewesen, aber Dallas war nur ein kleines Rädchen in dem Getriebe, das wie geschmiert lief. Er hatte das Team mit Männern besetzt, die er kannte und denen er vertraute. Vor allem aber, die ihren Job außerordentlich gut beherrschten. Im Augenblick leitete Liam den Einsatz von der Kommandozentrale aus. Noah und Tony waren mit gefälschten Polizeimarken ausgerüstet unterwegs und zogen von Tür zu Tür in jener Straße an der Upper West Side, wo Dallas Janes Handy gefunden hatte. Und Quince - der Agent des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6 war - kam aus London zu ihnen.
Bei jeder anderen Mission hätte Dallas Quince im Vernehmungsraum wissen wollen. Immerhin hatte er beim Geheimdienst in dieser Hinsicht spezielle Fertigkeiten erlangt. Doch diesmal war er dankbar, dass sein Freund nicht zur Stelle war. Denn alles, was Dallas in diesem Moment tun wollte, war, Colin so lange zu würgen, bis dieser Wichser mit der Sprache herausrückte und alles gestand. Bis er ihnen verriet, wo die Frau war und wohin sie Jane gebracht hatte.
Dallas zog sich die Baseballkappe tief ins Gesicht, als er hastig die Straße überquerte und den Baustellenbereich betrat. Schnell schlüpfte er unter der Tarnung aus Baugerüsten, temporären Wänden und Bauschutt hindurch, bis er in einem freien Bereich zwischen dem ehemaligen Lebensmittelladen und dem benachbarten Gebäude herauskam. Das sechsstöckige Apartmentgebäude war ebenfalls im Besitz der Scheinfirmen von Deliverance und wurde einer Renovierung unterzogen. Zumindest dem Anschein nach. Mithilfe eines Zugangscodes betrat er das Gebäude, lief die Treppe hinunter zu dem kleinen Keller, ehe er mehrere Sicherheitstüren passierte und zur Einsatzzentrale gelangte, die sich im Betonkern des Kellers befand.
Diese Vorkehrungen waren wahrscheinlich nicht einmal notwendig, aber die Tatsache, dass Deliverance seit Jahren vollkommen anonym und erfolgreich agierte, ging darauf zurück, dass das Team die strengen Regeln und Vorschriften auf Punkt und Komma befolgte.
Dallas wusste das.
Und er wusste auch, dass er gleich auf all diese Regeln scheißen würde. Denn er wollte Colins Kopf auf einem Silbertablett. Er wollte Antworten.
Er wollte sie sofort; zum Teufel mit den Vorschriften.
Während er das Technologiezentrum durchquerte, nahm er kaum Notiz von Liam, der am Computer arbeitete und in sein Headset sprach. Nein, sein Fokus richtete sich einzig und allein auf den Verhörraum, als er mit erbitterter Entschlossenheit darauf zusteuerte.
Die Tür war geschlossen und doppelt abgedichtet, ein klares Indiz dafür, dass dies der Raum war, in dem Colin festgehalten wurde. Nur um auf Nummer sicher zu gehen, warf Dallas einen Blick auf die Überwachungsmonitore, sah den Mann, den er einst seinen Freund genannt hatte, geknebelt auf dem einzigen Stuhl sitzen, seine Knöchel an die Metallbeine und seine Hände hinter seinem Rücken gefesselt.
»Dallas?« Liams Stimme drang kaum zu ihm durch. »Halt, Mann.«
Doch Dallas verlangsamte seinen Schritt nicht. Verflucht, er hielt kaum inne, als er energisch auf das...
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