Schweitzer Fachinformationen
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Können die Beziehungen, die eine Gemeinschaft zusammenhalten, sie auch zerstören?
Australien, 1979. Es ist Hochsommer, und in einem ruhigen Vorort schrubbt eine Hausfrau um 3 Uhr morgens Blut von den Fliesen ihres Badezimmerbodens. Ihr Ehemann verhält sich währenddessen bemerkenswert ruhig, wenn man bedenkt, dass er gerade ihren Nachbarn ermordet hat.
Als die Sonne aufgeht, verbreitet sich die Nachricht von Antonio Mariettis Tod wie ein Lauffeuer unter den Nachbarinnen, und mehr als eine der Frauen ist fest entschlossen herauszufinden, wer Antonio umgebracht hat. Doch die vielen gut gemeinten Bemühungen decken mehr Rätsel auf, als sie lösen. Denn hinter jeder Tür verbergen sich Geheimnisse - und die Identität des Mörders ist nur eines davon ...
Ein atmosphärisch dichter und spannungsgeladener Roman über Vorurteile, Misstrauen und das verborgene Leben von Frauen
Tammy beendete ihren letzten Eintrag, klappte ihr Tagebuch zu, klemmte es unter den Arm und schlüpfte unbemerkt aus der Hintertür. Ein Schwall heißer Luft und der Geruch von ausgedörrter Erde und in der Hitze kochenden Eukalyptusbäumen traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Dieser Sommer war ekelhaft - ungewöhnlich schlimm für Canberra -, und man konnte rein gar nichts tun, als schlaff herumzuhängen. Höllisch langweilig. Das echte Leben, die spannenden Dinge, fanden irgendwo anders statt, passierten anderen Leuten, zogen an Tammy vorbei. Sie hatte sich angewöhnt, grundsätzlich eine finstere Miene zur Schau zu tragen, so wütend war sie über diese ganze Verschwendung. Sie war zwölf Jahre alt, die Zeit lief ihr davon, und sie brannte darauf, ihr eigenes Leben anzufangen.
Es war Sonntagmorgen, noch vor der Kirche. Das Vogelgezwitscher, das in der Morgendämmerung wie hektisches Tratschen geklungen hatte, war zu einem gelegentlichen einsamen, klagenden Krächzen verblasst. Doch als Tammy sich vorsichtig nach draußen wagte, ging der Radau wieder los. Die schamlos nackte Sonne stand wieder an ihrem Platz. Tammy hatte das Gefühl, dass ihr stechender Schein sie verspottete und fühlte sich verlegen unter ihrem grellen Licht. Diese Sonne war immer da und beobachtete einen: Ich sehe dich. Ich kann bis auf die Knochen in dich hineinschauen.
Der Garten hatte eine hölzerne Terrasse - ausgedörrt, aber noch nicht verzogen -, einen mit Ziegelsteinen gepflasterten Grillbereich und dann stufenförmig angelegte Ebenen mit Rasen, Rindenmulch und Pflanzen, die jeweils mit Eisenbahnschwellen befestigt waren und zu den Hügeln führten, die hinter Warrah Place anstiegen. Kein Zaun trennte den Garten und die Hügel, nur die im Laden gekauften Pflanzen wurden immer weniger und wichen ungezähmtem Gestrüpp. Eines Tages würde eine andere Straße hinter ihrer vorbeiführen, und Tammy würde zu dem Garten von jemand anderem aufsehen, seinem Pool, seinen Schlafzimmergardinen. Die Stadt dehnte sich nach und nach aus und fraß sich durch das Land, und Warrah Place war ihr gieriges Gebiss.
Tammy ging hinüber zum Grillbereich, den sie neuerdings als Zentrum für Verhaltensstudien an Ameisen bezeichnete. Den Grill hatte ihr Dad selbst gebaut, und die Ameisen versammelten sich gern in den Spalten zwischen den Backsteinen. Hätte Narelle noch in Warrah Place gelebt und wäre sie noch Tammys Freundin gewesen, dann hätte sie Tammy sowohl einen schwachsinnigen Trottel als auch Klugschwätzerin genannt, weil sie ein Zentrum für Ameisenstudien betrieb, und der Widerspruch wäre ihr vollkommen entgangen. Doch vor einem Jahr hatten Narelle und ihre Familie ihr Leben zusammengepackt und waren zurück aufs Land zu ihren Kühen, Fliegen und Driza-Bone-Wettermänteln gezogen, da sich herausgestellt hatte, dass es nicht jedermanns Sache war, sich ein neues Leben in der Stadt aufzubauen. Nun, Narelle mochte fort sein - zu weit weg, um sich an ihr zu rächen -, aber sie hatte ihre lausigen Meinungen und die angsterfüllten Klumpen in Tammys Bauch zurückgelassen.
Am letzten Schultag Mitte Dezember, als sich die langen Sommerferien vor ihr erstreckten wie eine öde, nur von Weihnachten unterbrochene Landschaft, hatte Tammy ihre Lehrerin, Miss Hoogendorf, angesprochen, die gerade das Klassenzimmer ausräumte, und sie um eine Aufgabe für den Sommer gebeten.
»Aber du hast die Grundschule abgeschlossen«, hatte Miss Hoogendorf eingewandt. »Du hast sie hinter dir und wirst nicht hierher zurückkommen.«
Ja und? Tammy hatte geblinzelt. Sie konnte nicht einfach acht Wochen sich selbst überlassen bleiben ohne etwas, das ihr half, über die Runden zu kommen. »Eine naturwissenschaftliche, bitte«, sagte sie. Tammy mochte Naturwissenschaften; ein nüchternes, exaktes Fach.
Miss Hoogendorf verlagerte den Bücherstapel, den sie auf der Hüfte trug. »Hör zu«, sagte sie. »Als Lehrerin sollte ich das nicht sagen, aber mal als Mensch: Lass es gut sein, Tammy? Es sind Ferien. Lebe ein wenig und sieh, wie das läuft.«
Tammy versuchte zu erraten, was sie damit meinte. Was sollte sie gut sein lassen? Sie selbst zu sein?
Beim letzten Elternabend hatte Miss Hoogendorf Tammys Eltern mit einem zuckersüßen, wissenden Lächeln erklärt, Tammy habe ein Problem damit, zwischen den Zeilen zu lesen. »Sie nimmt alles sehr . wörtlich.« Tammy hatte gemeint, im Leben könne es für alle Beteiligten beträchtlich besser laufen, wenn die Leute einfach sagten, was sie meinten, und das so einfach wie möglich, ohne zu versuchen, andere hinters Licht zu führen. Tammys Eltern hatten der Lehrerin erklärt, sie würden ihrer Tochter helfen, das zu Hause zu üben.
Wäre Miss Hoogendorf zwölf Jahre alt und keine Lehrerin gewesen, dann hätte sie sich mit Narelle Spencer und Simone Bunner angefreundet, nicht mit Tammy. Tammy konnte den Leuten so etwas ansehen. Miss Hoogendorf war jung für eine Lehrerin. Sie kaute Kaugummi in der Klasse, obwohl sie das eigentlich nicht durfte, ließ Blasen an ihren Lippen zerplatzen und streckte dann die Zunge aus, um sie hereinzuholen. Manchmal trug sie keinen BH und Tanktops, die nicht stützten, und Mrs. White, die Schulsekretärin, meinte, sie verstehe nicht - na ja, eigentlich begriff sie es wohl doch -, warum der Direktor sie deswegen nicht tadelte. Miss Hoogendorf hatte etwas mit Mr. Rickman gehabt, der die vierte Klasse unterrichtete und den Sportbereich leitete. Aber das hatte nicht lange gehalten: Eine Woche lang kicherte Miss Hoogendorf ständig und redete zu schnell, und in der nächsten starrte sie mit rot geränderten Augen aus dem Fenster.
An diesem letzten Schultag war das oberste Buch auf dem Stapel, den Miss Hoogendorf auf ihrer Hüfte balancierte, Das unglaubliche Reich der Ameisen. Daher fiel dieses Buch auch als Erstes hinunter, als Miss Hoogendorf mit einem Pult zusammenstieß, und Tammy steckte es verstohlen in ihre Schultasche, während sie half, den Rest aufzuheben. Und so stellte sie sich selbst eine Aufgabe für den Sommer: unter Einsatz wissenschaftlicher Experimente und durch Textstudien erstaunliche Tatsachen über das Verhalten und die Gesellschaft der Ameisen zu erforschen.
Die Tupperdose stand auf dem Boden, wo Tammy sie gestern zurückgelassen hatte, und ihr Deckel war immer noch nur lose aufgelegt. Mit der Spitze ihrer Sandale schob sie ihn vorsichtig beiseite und hockte sich hin, um besser sehen zu können. Darin befanden sich ein keilförmiges Stück Weihnachtskuchen, dessen Guss Risse hatte und gelblich geworden war, sowie eine Ansammlung toter Ameisen. Tammy stieß den Kuchen mit ihrem Stift an und stupste dann gegen die Ameisen. Sie schlug in ihrem Tagebuch eine leere Seite auf und leckte die Spitze ihres Stifts an.
Sonntag, 7. Januar 1979
Warrah Place 6, Canberra
Weihnachtskuchen-Experiment
Ergebnis: Die Ameisen sind tot.
Hypothese 1: Sie haben versucht, den Kuchen hochzuheben, doch er hat sie trotz ihrer phänomenalen Kraft zerquetscht.
Hypothese 2: Sie sind nicht wirklich tot, nur zu satt oder betrunken von dem Brandy darin und schlafen sich aus.
Hypothese 3: Tod durch Brodifacoum (C31H23BrO3).
Hypothese 4:
Tammy fiel keine vierte Hypothese ein.
Suzi, die in einem ihrer Geheimverstecke gewesen war, kam herübergeschlendert. Eine ihrer Schultern saß höher als die andere, deswegen lief sie wie betrunken. Außerdem war eins ihrer Ohren eingerissen, und ihre Augen saßen ein wenig schief in ihrem Gesicht. Sie war mal eine richtig hässliche Katze.
Suzi schnüffelte um die Dose herum, doch Tammy schob sie weg und drückte den Deckel fest auf. »Verzieh dich«, sagte sie. Sie schloss ein Auge und beobachtete Suzi mit dem anderen. »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.« Das war nicht das richtige Gebet für ein Ameisen-Begräbnis, aber ein besseres kannte sie nicht. Suzi warf ihr einen unglücklichen, anklagenden Blick zu.
Vor drei Jahren war Suzi mit einer toten Eidechse im Maul aus den Hügeln heruntergekommen; super lässig, als gehöre ihr dieser Ort bereits und Tammy wäre ebenfalls ihr Eigentum. Von allen Häusern aus allen Vorstädten von Canberra hatte Suzi sich Tammys Haus ausgesucht. Darüber dachte Tammy oft nach.
An jenem ersten Tag hatte Suzi die Eidechse auf dem Rasen im Garten gefressen, vollständig bis auf die Innereien, die sie auf der Türschwelle liegen ließ.
»Eidechsen-Eingeweide«, meinte Tammys Vater, als er breitbeinig, die Hände in die Hüften gestemmt, darüber stand. Tammy und er hatten vom Wohnzimmerfenster aus die ganze grausige Tat mit angesehen.
»Eidechsen-Eingeweide«, sagte Tammy.
Immer wieder sagten sie es, bis die Worte miteinander verschwammen und sie gar nicht mehr aufhören konnten zu lachen.
Tammys Mum hatte dann die Schweinerei weggemacht, indem sie sie mit einem Buttermesser von der Fußmatte auf ein Stück Zeitungspapier kratzte. Dabei hatte sie die Lippen geschürzt und die Augen zusammengekniffen, um sicherzugehen, dass sie auch jedes Fitzelchen erwischte.
Manchmal, sogar noch Monate später, sah Tammys Dad sie an und bildete mit den Lippen...
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