Schweitzer Fachinformationen
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Wir verließen mein Haus mit zwei Plastikbechern schwarzem Kaffee und sechs Scheiben dick mit Butter bestrichenem Toast.
Wenn Milo nachdenken, telefonieren, simsen oder schlafen will, bittet er mich manchmal zu fahren. Das verstößt zwar gegen die Dienstvorschriften des LAPD, aber das gilt für vieles. Er revanchiert sich für die Fahrtkosten, indem er mir hin und wieder in Bars einen ausgibt.
Da er mit dem Toast beschäftigt war, bot ich an, meinen Seville zu nehmen. Er schüttelte den Kopf, verstreute Krümel und ging zu seinem neuesten Zivilfahrzeug, einem bronzefarbenen Chevrolet Malibu mit phlegmatischer Zündung. Während er auf dem Beverly Glen Boulevard in Richtung Norden fuhr, steuerte er mit einer Hand und stopfte sich mit der anderen Roggentoast in den Mund.
Der Polizeifunk war ausgeschaltet. Der Burrito lag auf dem Rücksitz und erfüllte den Wagen mit seinem Duft.
»Um deine Frage zu beantworten: eine totale Sauerei«, sagte er.
»Das stand auf meiner Frageliste ganz unten. Wohin fahren wir?«
»Dorthin, wo sie gestorben ist, nach Studio City.«
»Dann ist die Polizei in West L.A. gar nicht zuständig, aber du bist trotzdem an dem Fall dran.«
»Offiziell ist es nicht mal Mord, und trotzdem hab ich die Sache am Hals.«
Der Unterschied zwischen einem erfahrenen Psychologen und einem Anfänger besteht darin, dass Ersterer weiß, wann er die Klappe zu halten hat.
Ich lehnte mich zurück und trank Kaffee.
»Vielleicht gibt's dort eine Mikrowelle, in der ich den Burrito aufwärmen kann«, sagte Milo.
Elise Freeman hatte in einem grünen, mit Dachpappe gedeckten Bungalow an einer schmalen, im Schatten von Bäumen liegenden Straße östlich des Laurel Canyon und nördlich des Ventura Boulevard gewohnt. So nahe an der Durchgangsstraße, dass der Verkehr zum Valley zu hören war, aber die Vegetation und größere Häuser verdeckten den Blick auf die urbane Umgebung.
Der kleine, grüne Kasten stand am Ende einer langen, unbefestigten Auffahrt, die von einem Betonstreifen durchschnitten wurde. Eine graue Limousine parkte nahe der Haustür. Ein stattliches Auto, aber nicht groß genug, um die Schönheitsfehler des Bungalows zu kaschieren: die verwitterte, rissige Verschalung, die stellenweise bis aufs rohe Holz erodierte Farbe, die welligen Bretter, eine deutliche Schlagseite nach rechts, weil sich das Fundament abgesenkt hatte.
Keine Absperrbänder weit und breit, auch keine Uniformierten, die den Tatort bewachten.
»Wann wurde sie gefunden?«, fragte ich.
»Letzte Nacht, von ihrem Freund. Er sagt, er hat vor drei Tagen mit ihr telefoniert, aber danach hat sie ihn nicht mehr zurückgerufen. Der Zeitrahmen von achtundvierzig Stunden passt auch zur Todeszeitschätzung des Rechtsmediziners. Vermutlich eher früher Morgen. Offenbar schmilzt Trockeneis nicht, es sublimiert - geht also unmittelbar vom festen in den gasförmigen Zustand über -, deshalb gibt es kein Restwasser, anhand dessen man den Abbau schätzen könnte. In einer Kühlbox liegt die Sublimationsrate bei zweieinhalb bis viereinhalb Kilo innerhalb von vierundzwanzig Stunden, aber bei normaler Raumtemperatur verdunstet es schneller.«
»Wurden Eisbeutel zurückgelassen?«
»Nein. Das ist ja das Problem.«
Jemand hatte aufgeräumt.
»Ist der Tatort noch intakt?«
Er zog eine missmutige Miene. »Ich bin noch nicht dazu gekommen, mir den Tatort anzuschauen, weil ich erst seit heute Morgen um halb sechs damit befasst bin, als mich der stellvertretende Polizeichef Weinberg aus einem selten schönen Traum gerissen hat. Zehn Minuten später wurden die DVD, der Schlüssel für das Haus und etwas, was gerade noch so als Ermittlungsakte durchgeht, per Bote zu mir nach Hause gebracht.«
»Höchst konspirativ und nicht unbedingt die übliche Verfahrensweise«, sagte ich. »Klingt nach Befehl von ganz oben.«
Er steuerte langsam die Auffahrt hinauf und musterte die Umgebung. Jede Menge Grün auf der linken, eine einstöckige Villa im Kolonialstil auf der rechten Seite. Das große Haus war ebenso wie der Bungalow mit Holz verschalt. Soweit ich sehen konnte, war es weiß gestrichen und hatte schmucke schwarze Fensterläden. Es stand auf einem weitläufigen Grundstück, das durch eine drei Meter hohe, hell verputzte und von gebrauchten Ziegeln gekrönte Mauer von Freemans schmalem Streifen Land getrennt war. Bougainvilleen überragten die Ziegel und sorgten für zusätzliche Privatsphäre auf beiden Seiten.
Das kleinere Haus war vielleicht einst ein Nebengebäude der Villa gewesen - seinerzeit, als sich viele Morgen große Anwesen an den Hängen des Valley erstreckten. Ein Gästehaus, Dienstbotenunterkünfte, vielleicht auch ein Sattelspeicher für einen der Cowboydarsteller, der in der Nähe der Drehorte in Burbank wohnen wollte, die als Ödlande des Wilden Westens herhalten mussten.
Milo hielt wenige Zentimeter neben dem Crown Victoria. Niemand saß am Steuer, aber ein Mann in einem cremefarbenen Anzug kam hinter dem Bungalow hervor.
Er war einen Deut größer als Milo mit seinen eins neunzig, breitschultrig, schwarz und trug eine Brille. Der Anzug war ein Zweireiher, der so geschnitten war, dass er die Ausbuchtung einer Schusswaffe nahezu kaschierte.
Er nickte kurz. »Milo.«
»Stan.«
»Und das ist.«
»Dr. Delaware.«
»Ihr Psychologe.«
»Das klingt ja so, als ob ich in Therapie wäre, Stan.«
»Therapie ist heutzutage in Mode, Milo. Bei der Polizei sieht man es gern, wenn jemand über Selbsterkenntnis und Einfühlungsvermögen verfügt.«
»Das Memo muss mir entgangen sein.«
Er streckte eine große Hand aus. »Stanley Creighton, Doktor.«
Wir schüttelten einander die Hände.
»Was führt Sie vom Olymp herab, Stan?«, fragte Milo.
»Es ist eher eine Art Bergfestung«, sagte Creighton. »Ich soll hier die Augen offen halten.«
»Ist das 'ne neue Klausel im Arbeitsvertrag eines Captains?«
»Man tut, was einem aufgetragen wird«, sagte Creighton. Er wandte sich an mich. »Apropos, Doktor, ich weiß das, was Sie machen, zu schätzen, aber Sie sollten nicht hier sein.«
»Ist offiziell abgesegnet, Stan.«
Creighton runzelte die Stirn. Es war ein kühler Morgen, aber sein ebenholzschwarzer Nacken war feucht. »Das Memo muss mir entgangen sein.«
»Ist vermutlich unter einem Haufen Weisheiten Seiner Hochwürden verschüttgegangen.«
Creighton ließ seine strahlend weißen Zähne blitzen. »Warum nennen Sie ihn nicht in seinem Beisein so? Doktor, Sie sollten wirklich schleunigst Land gewinnen.«
»Nein, Stan, das sollte er nicht.«
Creightons Lächeln gerann zu etwas Kaltem und Bedrohlichem. »Wollen Sie mir etwa sagen, dass Sie eine päpstliche Erlaubnis für seine Anwesenheit an diesem speziellen Tatort haben?«
»Warum sollte ich mir so etwas ausdenken, Stan?«
»In der Tat, warum?«, sagte Creighton. »Wenn man mal davon absieht, dass sich Vernunft nicht immer aufs menschliche Verhalten auswirkt. Deshalb raucht meine Frau, die einen Doktortitel in Medizin hat, nach wie vor anderthalb Schachteln am Tag.«
»Sie können jederzeit den Vatikan anrufen und es sich bestätigen lassen, Stan.«
Creighton musterte mich. »Darf ich davon ausgehen, dass Lieutenant Sturgis Ihnen mitgeteilt hat, dass hier allerhöchste Diskretion vonnöten ist, Doktor?«
»Absolut.«
»Allerhöchste Diskretion«, wiederholte er. »Na gut, ausnahmsweise«.
»Ich liebe Ausnahmen«, sagte ich.
»Warum das, Doktor?«
»Sie sind viel interessanter als die Regeln.«
Creighton versuchte wieder zu lächeln. Was dabei herauskam, passte zu ihm wie eine Strumpfhose zu einem Mastiff. »Ich habe Hochachtung vor dem, was Sie machen, Doktor. Meine Frau ist Neurologin, arbeitet ständig mit Psychologen. Aber jetzt frage ich mich doch, ob sich Lieutenant Sturgis nicht nur wegen Ihrer beruflichen Fähigkeiten so auf Sie verlässt. Vielleicht ist es eher etwas Persönliches.« Er streckte die Brust heraus. »Klugscheißer sind nicht gern allein, oder?«
Bevor ich antworten konnte, wandte er sich an Milo. »Wie lange brauchen Sie hier?«
»Schwer zu sagen.«
»Ich wüsste es gern ein bisschen genauer.«
»Ach kommen Sie, Stan.«
»Die Tatortfotos haben Sie schon gesehen, die Leiche ist längst weg, die Fingerabdrücke und die Flüssigkeitsabstriche sind im Labor, der Computer des Opfers wurde geklaut. Was wollen Sie hier noch ausrichten?«
Kein Wort von der DVD.
»Verdammt, Stan, warum machen wir uns überhaupt die ganze Arbeit, wenn wir einfach auf Detective.com gehen können?«
»Blablabla«, sagte Creighton. »Kurzum: Hier ist nichts, das Ihnen irgendwie weiterhelfen kann. Es sei denn, Sie glauben, einer von diesen Übersinnlichen zu sein, der jenseitige Schwingungen wahrnehmen kann.«
»Würden Sie keine Besichtigung des Tatorts vornehmen, wenn Sie an meiner Stelle wären?«
»Klar, sichern Sie sich ab. Aber machen Sie schnell. Ich bin seit sechs Uhr früh hier, nachdem Weinberg mich eine Stunde vorher geweckt und mir meine Befehle gegeben hat. Morgens bin ich nicht gut drauf. Und an diesem speziellen Morgen setzt mir mein Knie ganz scheußlich zu. Deshalb mache ich jetzt einen schönen, gemächlichen Spaziergang, und wenn ich zurückkomme, sollten Sie unbedingt zusehen, dass Sie von hier verschwinden, damit ich auch verschwinden und die Arbeit machen kann, für die ich offiziell bezahlt werde.«
Er bedachte mich mit einem verächtlichen Blick. »Seien Sie vorsichtig, Doktor.«
Wir schauten ihm hinterher, als er leicht hinkend...
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