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Während auf dem Rechtsgebiet der Strafverfolgung das sog. Legalitätsprinzip (§ 152 Abs. 2 StPO) die Polizei zur Verfolgung einer Straftat zwingt (sog. Strafverfolgungszwang), findet im Bereich der Gefahrenabwehr grundsätzlich das sog. Opportunitätsprinzip iSd § 3 Abs. 1 PolG NRW Anwendung. Gem. dieser Norm trifft die Polizei ihre Maßnahmen stets nach pflichtgemäßem Ermessen. Im Konkreten entscheidet die Polizei hierfür zunächst, ob sie in der vorliegenden Situation tätig wird (Entschließungsermessen) und wenn dies zu bejahen ist, welche Maßnahmen zur Abwehr der behandelten Gefahr zu wählen sind (Auswahlermessen).
Losgelöst von der Rechtmäßigkeit einer polizeilichen Maßnahme, verfolgt das Instrument des Entschließungsermessens den Zweck, das Einschreiten der Polizei als solches in Verhältnis zu der zugrunde liegenden Gefahr zu setzen. Es gilt zu prüfen, ob die Polizei überhaupt einschreiten muss und wenn ja, welche gefahrenabwehrenden Maßnahmen getroffen werden. Inwiefern den Polizeibeamten eben dieser Ermessensspielraum eröffnet wird, lässt sich anhand des Gesetzestextes feststellen, denn so enthalten die Ermächtigungen entweder das Wort "kann", "darf" oder "soll". Diese Modalverben sind auf die rechtlichen Möglichkeiten der Polizei, Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu treffen und tätig zu werden, bezogen. So kann die Polizei bspw. die Identität einer Person zur Gefahrenabwehr feststellen, § 12 Abs. 1 Nr. 1 PolG NRW. Der Polizei wird dementsprechend das Entschließungsermessen eröffnet und über das Tätigwerden kann unter Einbeziehung der jeweiligen Umstände eigenständig entschieden werden. Handelte es sich hingegen um eine Gefahr für Leib, Leben oder bedeutende Sachwerte, d.?h. die Bedeutsamkeit des gefährdeten Rechtsgutes ist als besonders hoch zu klassifizieren, so reduziert sich das Entschließungsermessen idR auf Null. Die Polizei muss tätig werden.
Kommen zur Abwehr einer Gefahr mehrere Mittel in Betracht, genügt es, wenn eines davon bestimmt wird. Der betroffenen Person ist auf Antrag zu gestatten, ein anderes ebenso wirksames Mittel anzuwenden, sofern die Allgemeinheit dadurch nicht stärker beeinträchtigt wird, § 3 Abs. 2 PolG NRW. Eine rechtliche Schranke findet insbesondere das Auswahlermessen in Art. 3 GG und dem normierten Grundsatz der Gleichheit, gleichwohl die Variabilität verschiedenster Einsatzlagen eine strikte Umsetzung des Grundsatzes erschwert.
Das polizeiliche Ermessen richtet sich nach der Norm des § 40 VwVfG NRW und impliziert folgende Ermessensfehler, welche zur Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahme führen, § 114 VwGO:
Ist die Polizei zum Ermessen berechtigt, ist dieses zwingend vorzunehmen. Der einschreitende Polizeibeamte hat sich dementsprechend über die Umstände zu erkundigen und auf Grundlage dessen zu ermessen. Entfällt dies in Gänze, spricht man von einem sog. Ermessensnichtgebrauch.
Wird von dem Ermessen fälschlicherweise oder in einer nicht zugelassenen Art und Weise Gebrauch gemacht, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor. Dies ist bspw. immer dann der Fall, wenn ein Polizeibeamter nicht aus gefahrenabwehrenden, sondern persönlichen Gründen einschreitet.
Arten des Ermessensfehlgebrauchs
Unsachgemäße Erwägungen
Der anhängliche Eingriff erfolgt aufgrund von persönlichen Interessen oder Motiven, oder sonstigen Motiven, welche im konkreten Fall als nicht ausschlaggebend zu klassifizieren sind.
Begründungsmängel
Der Ermessensgebrauch lässt sich auf keine beweissicheren bzw. nachweisbaren Gründe zurückführen bzw. beruht auf augenscheinlich legendierten Gründen oder ist in sich widersprüchlich.
Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit iSd Art. 3 GG
Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte.
Analog zur Thematik der sog. Anscheinsgefahr, können Ermessensfehler aus dem Ex-ante-Blickwinkel dennoch eine rechtmäßige Maßnahme begründen.
Trifft der einschreitende Beamte eine Maßnahme, welche dem gewährten Ermessensspielraum nicht innewohnt, spricht man von einer sog. Ermessensüberschreitung.
Fallbeispiel:
Infolge eines festgestellten Gurtverstoßes (§ 21a Abs. 1, § 49 StVO; § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG; 100 BKat) erhebt der Polizeibeamte A statt des Regelsatzes von 30,00 Euro ein Verwarngeld iHv 55,00 Euro. Die Voraussetzungen für eine Erhöhung (bspw. im Vorsatzfall) liegen jedoch nicht vor. Der Ermessensspielraum wird überschritten und die Maßnahme ist im Ergebnis als rechtswidrig einzustufen.
Zur Wahrung des Rechtsstaatsprinzips iSd Art. 20 Abs. 3 GG müssen polizeiliche Maßnahmen grundsätzlich verhältnismäßig im weiteren Sinne sein.
Eine Maßnahme ist dann geeignet, wenn sie zumindest teilweise den beabsichtigten Erfolg ermöglicht oder zu diesem beitragen kann. Ausschlaggebend ist hierbei die objektive Beurteilungssicht und nicht die subjektive Wahrnehmung der einschreitenden Polizeibeamten. Anzuerkennen ist insbesondere das, durch das Instrument der Geeignetheitsprüfung, postulierte Sachlichkeitsgebot und Willkürverbot. Einschreitenden Beamten wird hiermit eine ständige Reflexion der getroffenen oder angedachten Maßnahme unter den Gesichtspunkten der sachlichen Aufgabenerfüllung auferlegt. Dementsprechend gilt eine Maßnahme dann als ungeeignet, wenn sie nicht das in Rede stehende Ziel verfolgt oder dessen Erfolg nicht zumindest fördern kann.
An einem Samstagabend gegen 22:00 Uhr fällt der bereits polizeibekannte F im Bereich der Innenstadt von D-Stadt damit auf, dass er Passanten wiederholt beleidigt, lautstark anschreit oder den gebotenen Abstand diverse Male unterschreitet. Auf polizeiliche Ansprache hin gibt der F an, den gesamten Abend über Auseinandersetzungen mit Passanten provozieren und sich im Rahmen dessen prügeln zu wollen. Aufgrund dieser Einlassung verfügen die Polizeibeamten A und B einen Platzverweis gem. § 34 Abs. 1 S. 1 PolG NRW bis zum nächsten Morgen 06:00 Uhr für den gesamten Innenstadtbereich. Die gewählte Maßnahme ist geeignet, bevorstehende Rechtsverletzungen sowie Gefahren für die persönlichen Rechtsgüter unbeteiligter Passanten zu verhindern.
Eine Maßnahme gilt dann als erforderlich, wenn die Maßnahme zum einen dem gewünschten Ziel dienlich ist und gleichzeitig keine milderen, d.?h. den Betroffenen in seinen Grundrechten weniger einschränkende, Maßnahmen ersichtlich sind, welche gleichermaßen zum Erfolg beitragen könnten, § 2 Abs. 1 PolG NRW. Unter dem Gesichtspunkt des angestrebten Maßnahmenerfolges ist die Maßnahme zu treffen, welche den Betroffenen bzw. auch die Allgemeinheit am wenigsten einschränkt.
Fallbeispiel (Fortsetzung):
Trotz mehrfacher Wiederholung des zuvor ausgesprochenen Platzverweises gem. § 34 Abs. 1 S. 1 PolG NRW kommt der F der Verfügung nicht nach und hält sich weiterhin im Bereich der Innenstadt auf. Wie zuvor angekündigt, kommt es nun auch zu ersten körperlichen Auseinandersetzungen mit bis dahin unbeteiligten Passanten. Die heraneilenden Polizeibeamten A und B nehmen den F bis zum darauffolgenden Morgen 06:00 Uhr in Gewahrsam, § 35 Abs. 1 Nr. 3 PolG NRW. Ein milderes Mittel wäre das Aussprechen eines Platzverweises. Jedoch konnte hiermit im Vorfeld das polizeiliche Ziel der Gefahrenabwehr nicht gewährleistet werden. Eine Gefährderansprache gem. § 8 Abs. 1 PolG NRW scheint ebenfalls nicht zum Erfolg beitragen zu können. Die Gewahrsamnahme gem. § 35 Abs. 1 Nr. 3 PolG NRW ist somit erforderlich.
Nachdem eine Maßnahme grundsätzlich als geeignet und erforderlich zum Erreichen eines polizeilichen Ziels eingeschätzt wird, gilt es, dieses Ziel und v.?a. auch die gewählte Maßnahme in Verhältnis zu den Grundrechtseinschränkungen der betroffenen Person zu setzen. Es werden der staatliche Eingriffszweck und die Einschränkungen des Bürgers gegeneinander abgewogen, d.?h. es wird eine sog. Güterabwägung vorgenommen. Hierbei gilt: Eine Maßnahme ist dann angemessen, wenn im Rahmen dieser Abwägung kein offenbares Missverhältnis ersichtlich ist.
Die Gewahrsamnahme des F bis zum nächsten Morgen 06:00 Uhr würde sicherstellen, dass der F keine unbeteiligten Passanten mehr beleidigen, stören oder sonstig provozieren kann. Des Weiteren könnten etwaige körperliche Auseinandersetzungen (§§ 223 ff. StGB), welche ggf. auch mit schweren Verletzungen der körperlichen Integrität enden könnten, nachhaltig verhindert werden. Die Einschränkung des Grundrechtes auf Freiheit der Person iSd Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG ist auf einige Stunden begrenzt und...
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