Schweitzer Fachinformationen
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Kopf nach unten hing Marius Sandmann an der Stange seines Türrecks. Die Hände hielt er hinter dem kurzgeschorenen Schädel verschränkt, dann zog er sich zusammen und versuchte mit dem Kopf so nahe an die Knie zu gelangen, wie es nur ging. Was früher einmal sein gemeinsames Wohnzimmer mit der Journalistin Verena Talbot gewesen war, nutzte er inzwischen fast ausschließlich als Sportraum. Nachdem sein Vermieter sich bereit erklärt hatte, die Fenster im Erdgeschoss mit abschließbaren Türgriffen zu versehen, hatte er die Kugelhanteln, die er als Einbruchssicherung vor ihnen aufgebaut hatte, aus dem Büro hoch ins Wohnzimmer der Maisonette gebracht, das Türreck fest in einer Ecke des Zimmers verdübelt und seine neueste Errungenschaft, eine Langhantelbank, dort aufgebaut, wo ein Couchtisch hätte stehen sollen. Das Training half ihm, die unangenehmen Gefühle aus dem Gespräch mit Rui Barque abzubauen und seine Gedanken zu klären. Zuvor hatte er über den früheren Fußballprofi und seine Freundin im Internet recherchiert.
Rui war mit 17 aus Brasilien nach Deutschland gekommen und spielte zunächst in der Jugend von Bayer Leverkusen. Nach einem Jahr wechselte er auf die andere Rheinseite zur U19 des 1. FC Köln. Ein weiteres Jahr später gab er sein Debüt in der Profimannschaft des Vereins. Er galt als talentiert, wenngleich Marius bei Durchsicht einiger YouTube-Filme den Eindruck hatte, dass sich Barque neben Talent durch ein ausgeprägtes Phlegma auszeichnete. Auf der anderen Seite interessierte sich der Privatdetektiv nicht für Fußball und war wahrlich kein Experte. Selbst die bevorstehende Weltmeisterschaft in Ruis Heimat Brasilien ließ ihn kalt. Ganz im Gegenteil: die Vorstellung eines Public Viewings mit Tausenden von Menschen ängstigte ihn.
Ein Artikel, den er bei seiner Internetrecherche gelesen hatte, hatte ihn in seiner Abneigung noch verstärkt. Frank Schaffrath, ein junger Rechtsanwalt, war zufällig bei einem Spiel des FC in einen Polizeieinsatz geraten und von einem Beamten zusammengeschlagen worden. So zumindest stellte es die Journalistin dar, die Marius nur allzu gut kannte: Verena Talbot. Meist widerstand er der Versuchung, Neuigkeiten über sie im Netz zu suchen. Dennoch las er regelmäßig, was sie schrieb, persönlich gesprochen hatten sich die beiden seit einem Jahr nicht mehr. Trotzdem wusste er, dass Verena in diesen Bericht persönlich involviert war, handelte es sich bei dem Rechtsanwalt doch um ihren neuen Freund.
Rui stand bei diesem Spiel schon nicht mehr auf dem Platz. Bevor er sein Phlegma ablegen konnte, traf der Fuß eines Gegenspielers sein Kniegelenk, zertrümmerte mehrere Bänder und mit 22 Jahren war Ruis Traum einer Fußballkarriere in Europa ausgeträumt. Was er seitdem tat, hatte Marius weder dem Internet noch dem Mann selbst entlocken können. Nichts davon half dem Detektiv weiter. Über Ruis Freundin Gabriela wusste das Netz fast gar nichts zu berichten. Der Brasilianer hatte von ihr geschwärmt. Für einen kurzen Augenblick schien die Erinnerung die Sorgen zu verdrängen. Nie zuvor hatte Marius jemanden gesehen, der über seine Freundin in derartige Verzückung geriet. Das Foto, das er dem Detektiv für seine Suche mitgegeben hatte, zeigte eine hübsche Dunkelhaarige mit ausgeprägten Locken und einem sympathischen Lächeln. Der Detektiv hatte sich Spielerfrauen immer anders vorgestellt und die Bilder, die eine entsprechende Suche im Internet hervorgebracht hatten, bestätigten ihn.
Doch nirgends fand sich ein Hinweis auf mögliche Entführer und selbstverständlich war Rui überzeugt, dass niemand in seinem Umfeld dahintersteckte. Ebenso selbstverständlich war ihm nichts in den letzten Tagen aufgefallen oder verdächtig vorgekommen. Nur zögernd hatte er Marius gestattet, ihre persönlichen Sachen zu durchsuchen. Auch diese hatten ihm keine Hinweise auf den Hintergrund ihrer Entführung geben können. Ohne wirklich zu glauben, dass sie ihm weiterhelfen würden, hatte er ein paar Papiere Gabrielas mitgenommen. Darunter einen Zettel mit drei Nummern. Er hatte sie angerufen. Zwei ließen sich keinem Anschluss zuordnen. Die dritte gehörte einer Familie im südlichen Stadtteil Godorf. Die Frau, mit der Marius gesprochen hatte, konnte sich nicht erklären, wie Gabriela an ihre Telefonnummer gekommen war. Marius hatte die Namen der Frau und ihres Mannes im Netz recherchiert und ebenfalls keinerlei Verbindung mit Gabriela feststellen können. Vielleicht hatte sie mit dem Mann ein Verhältnis?
Marius zog die Bauchmuskeln an, als er sich nach vorne beugte und den Kopf bis hoch an die Knie zog. Er spürte einen ersten, leichten Schmerz in den Muskeln, der verschwand, als er den Kopf senkte.
Was sollte er tun? Sich in Ruis Nachbarschaft umhören? Vielleicht hatte jemand einen Wagen beobachtet, der dort geparkt hatte, oder Männer, die dort nicht hingehörten. Die Chancen waren gering. Er bereute es, dass Ruis Verzweiflung ihn weichgeklopft hatte. Das war kein Fall für einen Detektiv. Vermutlich mussten sie einfach warten, bis die Entführer sich meldeten. Bis dahin würde er sich in Ruis Umfeld umhören. Mehr konnte er nicht tun.
Nur auf den ersten Blick wirkte Esteban Chavez entspannt. Bereits zum dritten Mal in fünf Minuten schob er den violetten Ärmel seines Hemdes hoch, um auf die Uhr zu schauen. Ebenso häufig hatte der Mann mit dem grau melierten Haar und dem kräftigen Schnauzbart sich in der Lobby des Lindner Hotels der Leverkusener BayArena umgeschaut. Marius Sandmann saß ihm in einem tiefen, weißen Sessel gegenüber, ein ebenfalls weißer, wie ein S geschwungener Beistelltisch trennte sie.
»Auf wen warten Sie?«, fragte Marius.
»Oh, auf niemand Bestimmtes«, antwortete Chavez, »in meinem Geschäft muss man immer schauen, wer einem begegnen könnte. Vor allem an einem Ort wie diesem. Außerdem habe ich gleich noch einen Termin.« Er zog sich den Hemdärmel zurecht und beugte sich nach vorn. »Wir sprachen über Rui.«
Marius nickte. »Erzählen Sie über Rui Barque! Sie waren sein Berater, nicht wahr?«
»Das stimmt. Eine Schande, was ihm passiert ist. Ein so begabter Spieler! Aus ihm hätte ein richtig Großer werden können.«
»Ich habe mir ein paar Videos angeschaut. Auf mich wirkte er ein wenig phlegmatisch.«
Chavez kniff das Gesicht zusammen. »Teils, teils. Manchmal war er natürlich zu ruhig. Da fehlte ihm der Biss. Trotzdem: dieses Talent!« Er warf theatralisch die Arme in die Luft.
»Kennen Sie seine Freundin?«
»Gabriela?« Chavez wackelte abwägend mit dem Kopf. »Flüchtig. Sie kennen sich aus Brasilien und sind gemeinsam nach Europa gekommen. Ohne sie hätte er es hier nicht ausgehalten. So eine Bezugsperson ist für einen jungen Spieler extrem wichtig.«
»Ja, er liebt sie sehr, nicht wahr?«, fuhr Marius fort. Chavez lächelte zustimmend. Der Detektiv sprach weiter. »Die beiden waren noch recht jung. Rui war gerade 17, als er nach Deutschland gekommen ist. Gabriela dürfte kaum älter gewesen sein.«
»Sie war 18. Sie ist ein Jahr älter als er.«
»Wo haben sie gewohnt?«
»Rui kam bei einer Familie unter. Wenn möglich vermitteln wir den jungen Spielern, die aus Südamerika kommen, Gastfamilien, in denen sie leben können. Das erleichtert das Zurechtkommen hier.«
»Und Gabriela?«
»Ich weiß nicht, wo sie gewohnt hat. Mit 18 ist Rui mit ihr zusammengezogen. Als er zum FC gewechselt ist.«
»In die Wohnung in Hürth? Schicke Wohnung für einen so jungen Mann.«
Der Berater zuckte mit den Achseln. »Er hatte seinen ersten Profivertrag unterschrieben. Da kann man sich das gönnen. Und unter uns: eine Wohnung ist solider als das, was sich manch andere Spieler bei so einer Gelegenheit leisten. Gabriela hat einen guten Einfluss auf ihn.«
»Könnten Sie sich vorstellen, dass Rui in irgendwelche krummen Dinger verwickelt ist?«
»Rui?« Chavez schüttelte den Kopf. Nach einem weiteren Blick auf die Uhr schaute er hinter sich in den Raum. Als er nur den Barkeeper wahrnahm, der an der Kasse beschäftigt war, wandte er sich zurück an den Detektiv. »Ich wüsste nicht, in was er verwickelt sein könnte. Sie sagten, er werde bedroht?«
»Nun, ich kann Ihnen nichts Genaueres sagen. Er fühlt sich nicht sicher zurzeit.«
»Er macht eine schwierige Phase durch.«
»Das meinte ich nicht.«
Chavez fixierte Marius. »Sagen Sie mir, in welchen Schwierigkeiten Rui steckt, Herr Sandmann. Selbst wenn er nicht mehr spielt, er ist immer noch ein Freund. Außerdem: Ich habe ihn hergeholt. Wenn es Ärger gibt, bin ich dafür ein Stück weit mitverantwortlich.«
Marius hatte Rui versprechen müssen, mit niemandem über die Entführung zu reden. Der frühere Fußballprofi fürchtete, dass irgendetwas zu den Entführern durchsickern und seine Freundin gefährden könne. Der Detektiv hatte ihn darauf hingewiesen, dass das seine Ermittlungen erschwere und dass er eventuell sein Versprechen brechen müsse. Er entschied sich für die halbe Wahrheit.
»Es scheint so, als plane jemand, ihn oder Gabriela zu entführen.«
»Ihn entführen? Oh Gott!« Chavez schlug die Hand vor den Mund, lehnte sich weit zurück, als könne er sich damit von der schlechten Nachricht, der Drohung, die über seinem früheren Schützling hing, fernhalten. »Er soll bloß vorsichtig sein.«
»Kommt es öfter vor, dass Spieler entführt werden? In den Zeitungen liest man wenig davon.«
»Hier in Europa, gerade in Deutschland, passiert das selten. Da, wo ich herkomme, in Brasilien, werden öfter Verwandte von Spielern, manchmal Spieler...
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