Schweitzer Fachinformationen
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Beginnen wir mit einem Apfel. Ein Lebensmittel, so gewaltfrei, dass es gegessen werden will, sagen die Fruktarier. Das sind Menschen, die versuchen, ausschließlich von Früchten zu leben oder bei dem Versuch sterben. Manche Pflanzen umgeben ihre Samen mit fleischiger Süße und umhüllen sie mit leuchtenden Farben, um Tiere dazu zu verführen, sie zu essen und somit die Samen in neue, potenziell fruchtbare Erde zu bringen. Tiere erledigen die Arbeit, die Pflanzen, angewurzelt an einen Punkt, nicht bewerkstelligen können: einen geeigneten Platz zu finden, wo ihre Nachkommen wachsen können.
Einen Apfel zu essen ist also in Ordnung für diese moralischsten unter den Vegetariern, weil kein Tod involviert ist. So sagen sie jedenfalls.
Das erste Problem ist, dass die Menschen die Samen nicht einpflanzen. Wir entsorgen sie. Ganz bewusst entfernen wir das Kerngehäuse mit den Samen und werfen sie dann weg - wobei »weg« in industrialisierten Ländern bedeutet: eingeschlossen in eine Plastiktüte, die in einer Müllhalde begraben wird. Oder Fabriken entsaften und zerkleinern die Früchte für uns, verwandeln sie in Saft oder McPies und entsorgen die Schalen, die Pressrückstände und die Samen eben nicht mit einem schönen Dunghaufen in der offenen Landschaft.
Oder, wenn wir ökologisch besonders korrekt sind, werfen wir die Samen auf den Komposthaufen, wo Zeit, Hitze und Bakterien sie töten. Das Ziel jedes guten Kompostierens ist es nun einmal, alle versteckten Samen zu töten.
Nichts davon hatte der Baum im Sinn.
Der Baum offeriert die Süße nicht aus Nächstenliebe. Er bietet einen Handel an. Und obwohl wir eingeschlagen und genommen haben, halten wir unseren Teil des Deals nicht ein.
Das Argument [einen Apfel zu essen, sei okay] zeugt von krassem Anthropozentrismus, und es ist seltsam, dass es von Menschen kommt, die sich explizit für die Freiheit von Tieren einsetzen. »Der Obstbaum gibt mir mein Essen, und ich gebe die Samen der Natur zurück, damit andere Bäume wachsen können«, schreibt ein Vegetarier.4 Ja, aber er gibt die Samen nicht in die Natur zurück. Warum dürfen wir Menschen nehmen, ohne zu geben? Nennt man das nicht Ausbeutung? Oder zumindest Diebstahl? Nicht bei Obst, »dem einzigen freiwillig gegebenen Lebensmittel«5, so wird gesagt. Der Frucht geht es aber nicht um Menschen. Es geht um die Samen. Der Grund, warum der Baum so enorme Ressourcen in die Ansammlung von Ballaststoffen und Zucker investiert, ist, seinem Nachwuchs die bestmögliche Zukunft zu sichern. Und wir nehmen diesen in Süße gewickelten Nachwuchs und töten ihn.
Das wollen Vegetarier nicht hören, jedenfalls nicht jene, die ich als moralische Vegetarier bezeichne. Der Vegetarierbaum hat noch andere Zweige - politische Vegetarier, die glauben, eine pflanzliche Ernährung sei gerechter und nachhaltiger, und gesundheitlich motivierte Vegetarier, die glauben, tierische Erzeugnisse seien die Wurzel allen ernährungsmäßigen Übels - ich werde diese Argumente in späteren Kapiteln behandeln.
Es ist vor allem das moralische Argument, um das sich die meisten Vegetarier versammeln. Es hielt mich lange davon ab, meine vegetarische Ernährung zu untersuchen oder gar zu hinterfragen, obwohl es auf der Hand lag, dass meine Gesundheit schwand. Ich wollte glauben, dass mein Leben - meine physische Existenz - möglich war ohne zu töten, ohne den Tod. Es ist nicht möglich - bei keinem Leben. Da die Märchen jedoch voller Äpfel sind, lassen Sie uns weiter den Spuren der Apfelstückchen [.] folgen.
Sie führen uns direkt zum zweiten Problem: In der Natur gibt es keine Äpfel. Äpfel wurden gezüchtet. Den Anfang machte Malus sieversii in den Bergen Kasachstans, und damals waren sie bitter.
»Stellen Sie sich vor, in eine säuerliche Kartoffel oder eine leicht matschige, ledrig umhüllte Paranuss zu beißen.« So beschreibt Michael Pollan den Geschmack echter Wildäpfel. »Beim ersten Bissen versprechen einige dieser Äpfel der Zunge: hier kommt ein Apfel - aber nur, um plötzlich derart bitter zu schmecken, dass sich mir noch beim Gedanken daran der Magen umdreht.«6
Das gilt für die meisten domestizierten Früchte. Ihre Vorfahren waren für Menschen nahezu ungenießbar.
»Der Obstbaum gibt mir mein Essen, und ich gebe die Samen der Natur zurück, damit andere Bäume wachsen können.«7 Wirklich? Von wegen! Die meisten Bäume, die essbare Früchte tragen - und auf jeden Fall Apfelbäume - wachsen nicht aus Samen. Würde man die Samen einpflanzen, wären die meisten der daraus entstehenden Wildlinge für den Menschen ungenießbar. Obstbäume werden gepfropft und nicht aus Samen gezogen.8
Die »natürliche« Nahrung des Menschen existiert in der Natur nicht. Wenn wir uns im ungenießbaren Wald verirren (und verhungern), dann vielleicht, weil unsere moralische Landkarte falsch war.
Zu sagen, es gebe ein »frei angebotenes Lebensmittel«, impliziert, dass es einen Geber gibt - den Baum, das Zuckerrohr, den Getreidehalm. Zu glauben, dass es Nahrung gibt, die »ohne Töten und Diebstahl von Tieren oder Pflanzen«9 zu haben ist, heißt anzuerkennen, dass Tiere und Pflanzen ihr Leben und ihre Körperteile lieben, seien sie aus Fasern oder Muskeln. Und ihren Nachwuchs lieben sie nicht? Das Argument scheitert genau hier. Wenn wir an ihr Empfindungsvermögen glauben, warum dann nicht an das Empfindungsvermögen ihrer Kinder? Wenn es falsch ist, von einer Pflanze zu stehlen, warum ist es dann nicht noch verwerflicher, einen Samen zu töten? Wir können nicht beides haben. Entweder es gibt einen Geber, ein Wesen, das unsere Gegenleistung verdient, oder nicht. Wenn das Töten das Problem ist: Das Schlachten einer Weidekuh ernährt mich ein ganzes Jahr lang. Eine einzige vegane Mahlzeit aus Pflanzenbabys - Reiskörnern, Mandeln, Sojabohnen - gemahlen oder bei lebendigem Leib gekocht, ist mit Hunderten Toden verbunden. Warum zählen die nicht?
»Ich esse nichts, was eine Mutter oder ein Gesicht hat«, war eine meiner Standardbekundungen. Allerdings hat jedes Lebewesen eine Mutter. Manche haben auch Väter. Warum wusste ich das nicht? Was ich meinte, war: Ich esse nichts, das von seiner Mutter genährt wurde, was im Kern bedeutete, keine Vögel und keine Säugetiere, obgleich ich auch keine Meeresfrüchte aß. Manche Kreaturen opfern ihr Leben, um Nachkommen zu erzeugen. Das bedeutet, dass sie nicht da sind, um sie zu nähren, aber bedeutet es, dass sie ihren Nachwuchs weniger lieben? Mutterschaft - und manchmal auch Vaterschaft - als das ultimative Opfer. Würde dieses Verhalten nicht bedeuten, dass sie ihren Nachwuchs über alles lieben? Und mal angenommen, Deine Mutter liebt dich nicht: Ist Dein Leben dann wertlos?
Dann ist da noch die Sache mit dem Gesicht. Warum soll der Besitz eines Gesichts darüber entscheiden, wer zählt und wer nicht? Eigentlich definiert es, wer dem Menschen am meisten ähnelt und wer sich stärker unterscheidet: Sehen sie aus wie wir? Da ist wieder dieser Anthropozentrismus, ein ethisches System, das auf der Menschenähnlichkeit von Lebewesen beruht. Warum sollte das wichtig sein? Warum sind die Menschen der Standard, der darüber entscheidet, wer lebt und wer stirbt?
Ein Apfel fällt vom Baum. Wir essen seine Süße und, entgegen aller unaufrichtigen gegenteiligen Behauptungen, töten seine Samen. [Doch .] Menschen können nicht von Äpfeln leben. Zudem gelten im moralischen Universum der Vegetarier alle Saaten - auch Nüsse und Getreide - als frei verfügbar. Bei diesen Saaten gibt es kein wohlschmeckendes Fruchtfleisch im Tausch gegen ein »Baby-an-Bord«. Was die Menschen essen, sind die Saaten selbst. Ich erinnere mich an meine Begründung: Die einjährigen Gräser sterben bei der Ernte ohnehin, also tötete ich nicht wirklich. Das Problem ist natürlich, dass ich nicht den sterbenden Teil gegessen habe: den Halm. Menschen können keine Zellulose verdauen. Ich aß exakt jenen Teil, der sehr wohl leben wollte: den Samen. Tatsächlich wollen sie so sehr leben, dass manche von ihnen sogar noch nach Tausenden Jahren der Ruhe auskeimen. Wie kann man sagen, dieses Wesen liebe sein Leben nicht?
Ich weiß aus Erfahrung, dass böse Zungen den Vegetariern andauernd die Pflanzen und ihr Empfindungsvermögen vorhalten. Ich weiß, wie selbstgefällig und ablehnend diese bösen Zungen gewöhnlich sind. Für sie ist die Idee, Pflanzen zu respektieren ebenso lächerlich wie Tiere zu achten. [.] Mir ist wichtig, diese Bedenken ernsthaft anzugehen. Ich höre ein Flehen in den Worten der Vegetarier, ein Flehen, das an ein Gebet grenzt. Lass mich leben, ohne andere zu schädigen. Lass...
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