Schweitzer Fachinformationen
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Sind wir bald da?«, fragte eine leise Stimme vom Rücksitz von Anna Hemingways Wagen.
Wir sind auf dem besten Weg, dachte Anna. »In ein paar Minuten.«
Während sie weiterfuhr, betrachtete sie beiläufig ihre Umgebung. Sie hatte Little Somerby, das Dorf in Somerset, in dem sie aufgewachsen war, zwar oft besucht, seit sie vor achtzehn Jahren weggezogen war, und es hatte sich seit dem letzten Mal kaum verändert, doch jetzt, wo sie wieder hier leben würde, sah sie es in neuem Licht.
»Gibt es im Garten eine Schaukel?«, fragte Ellie.
»Ich weiß nicht, mein Schatz. Aber wir können eine kaufen, wenn du möchtest.« Anna erspähte die Kirche mit den Grabsteinen, die von einer makellosen weißen Frostschicht überzogen und von Eiben umgeben waren; auf der anderen Straßenseite befand sich der örtliche Pub »The Stationmaster«, Schauplatz unzähliger durchzechter Nächte und jugendlicher Liebschaften.
»Gleich morgen?«
»Vielleicht später, wenn wir uns ein bisschen eingelebt haben.«
Sie kamen am Postamt und an der Ladenzeile vorbei, die heute bunter gemischt war, als sie sie in Erinnerung hatte. Daneben befand sich der Gemeindesaal, ein stolzer Ziegelbau aus dem 19. Jahrhundert, ein Stück weiter die Werkstatt, wo sie ihren ersten Wagen gekauft hatte, dann folgten die warmen, einladend wirkenden Lichter eines Cafés: The Little Orchard Tea Shop. Durch das Erkerfenster erhaschte sie einen kurzen Blick auf vollbesetzte Tische, und eine gespannte Vorfreude stieg in ihr auf. Von all den Entscheidungen, die sie in den letzten Monaten hatte treffen müssen, war die, das Café zu übernehmen, ihr am schwersten gefallen. Aber der Umzug sollte ein kompletter Neuanfang sein, und es bestand kein Zweifel daran, dass die neue berufliche Aufgabe eine große Veränderung bedeuten würde.
Während sie sich ihrem neuen Zuhause näherten, kamen die weitläufigen Ländereien und die Gebäude der örtlichen Cider Farm in Sicht, die früher nur aus einem Schuppen und einem Geschäft bestanden, sich mittlerweile jedoch zu einem internationalen Betrieb gemausert hatte. Von der dominanten Präsenz der Farm mal abgesehen, sah das Dorf noch fast genauso aus wie früher. Manchmal fiel es ihr schwer zu glauben, wie sehr sie selbst sich dagegen verändert hatte. Doch sie war jetzt eine sechsunddreißigjährige Frau mit Körbchengröße D, einer Kaiserschnittnarbe und einer dreijährigen Tochter und nicht mehr das junge, hoffnungsvolle Mädchen, das das Dorf verlassen hatte, um auf die Uni zu gehen, zu arbeiten und später die Liebe zu finden.
Liebe. Anna schluckte schwer. In diesem Frühling wären sie zehn Jahre verheiratet gewesen. Beherzt schob sie den Gedanken beiseite; heute würde sie den nächsten Schritt in ihr neues Leben wagen.
Sie verspürte einen Anflug von Vorfreude, als sie in die Flowerdown Lane einbog, eine hübsche Seitenstraße etwas abseits des Dorfkerns. Pippin Cottage war das letzte Haus auf der rechten Seite, eines von nur vier Häusern in der Straße; seine weiß getünchten Mauern waren von dunklen, vertikalen Fachwerkbalken durchzogen. Die halbrunde Tür in der Mitte der Fassade lag dank der leicht verwitterten Veranda windgeschützt. Drei Fenster zierten den ersten Stock, zwei weitere befanden sich zu beiden Seiten der Haustür. Das Schieferdach war mehrfach ausgebessert worden, hatte jedoch seinen altmodisch-rustikalen Charme behalten. Der Vorgarten wurde von einer Steinmauer mit einem rostigen schmiedeeisernen Tor eingefasst. Am Ende der Straße lag ein Obstgarten mit ordentlichen Reihen von Apfelbäumen, deren jetzt blattlose Zweige neues Leben verhießen, sobald der Frühling anbrach.
Anna hatte sich für dieses Cottage entschieden, weil es nah genug am Dorfzentrum lag, um sich dort nicht zu isoliert zu fühlen, jedoch als letztes Haus in der Straße auch über ein wenig Abgeschiedenheit verfügte, was ihr nur recht war. Sie hatte es nur einmal gesehen, bevor sie ein Angebot gemacht hatte, auch wenn sie sich fast von dem Makler hätte abschrecken lassen, der bei der Besichtigung so schroff gewesen war, dass es an Unhöflichkeit grenzte. Doch sie hatte sich schon immer ein eigenes Cottage gewünscht, und dieses war fast zu schön, um wahr zu sein. Dass erst ihr schlimmster Albtraum wahr werden musste, bevor sie die Freiheit hatte, sich diesen Traum zu erfüllen, war eine schmerzliche Ironie des Schicksals, die sie auch fast zwei Jahre später noch quälte. Ein plötzlicher Anflug von Trauer schnürte ihr die Kehle zu, und sie musste ein paar Mal tief durchatmen, um sich wieder zu beruhigen.
»Bist du bereit, mein Schatz?« Sie öffnete die Autotür, ging zum Rücksitz und hob ihre kleine Tochter aus dem Wagen. Ellie sah sich kurz um, dann rannte sie durch das Gartentor und den Pfad zum Haus hinunter.
»Komm schon, Mummy!«, rief sie ihr von der Veranda aus zu.
Anna schlug die Autotür zu und sah zu ihrer Tochter hinüber, die auf der Türschwelle ungeduldig von einem Bein aufs andere hüpfte. Es war Zeit.
»Könnten Sie mich bitte anrufen und mir Bescheid geben, sobald Sie etwas hören?«, fragte Anna. Dann beendete sie das Telefonat mit der Umzugsfirma. Erneut verfluchte sie die Tatsache, dass sie das Ladekabel für ihr Handy in den letzten Karton gepackt hatte, der auf den Lkw verladen worden war. Er war zwar nur ein paar Minuten nach ihr losgefahren, aber immer noch nicht aufgetaucht. Sie warf das Telefon auf die beklagenswert leere Küchenarbeitsfläche und zuckte zusammen, als plötzlich ein lautes Bellen ertönte und wie aus dem Nichts ein zottiger, schwarz-weißer Border Collie in die Küche gestürmt kam.
Eine empörte weibliche Stimme rief: »Seffy! Komm sofort zurück!«
Obwohl es ein kalter Dezembertag war, hatte Anna die Haustür aus dunklem Eichenholz zum Lüften offen gelassen. Als sie gerade vergeblich nach dem Halsband des Hundes griff, tauchte seine Besitzerin im Türrahmen auf - ein schlankes junges Mädchen mit dunklen Haaren und blasser Haut. Es hatte volle rote Lippen, die strahlendsten blauen Augen, die Anna je gesehen hatte, und trug eine dunkelblaue Jeans, einen weiten gestreiften Pullover und dazu Ballerinas, die für das Dezemberwetter völlig unpassend waren.
»Tut mir schrecklich leid«, sagte das Mädchen, dessen tiefe, wohlmodulierte Stimme auf eine Privatschulbildung schließen ließ. »Ich wollte ihn an die Leine legen, aber er ist mir entwischt.«
Anna lächelte. »Kein Problem, halb so wild.« Als der Hund seine Herrin sah, trottete er gehorsam zu ihr zurück.
Das Mädchen leinte ihn an und lächelte entschuldigend. »Ich heiße übrigens Meredith. Aber die meisten Leute nennen mich Merry.« Sie schaute den Hund an. »Und das ist Sefton.«
»Freut mich, dich kennenzulernen.« Anna beugte sich vor, um den Hund zu streicheln. »Ich bin Anna, und meine Tochter Ellie treibt sich irgendwo im Haus rum.«
»Ziehst du heute ein?«
»Ja, vorausgesetzt, der Umzugswagen kommt irgendwann noch mal an. Ich würde dir ja eine Tasse Tee anbieten, aber ich habe leider noch keinen Wasserkocher.« Sie schaute sich in der Küche um. Der schwere, gusseiserne Rayburn-Ofen - noch etwas, was sie sich schon immer für ihre Traumküche gewünscht hatte - war blassgelb, blitzblank geschrubbt und imposant. Backen war Annas Leidenschaft, und sie freute sich darauf, ihn auszuprobieren, besonders, weil sie in ein, zwei Wochen das Café übernehmen würde. Sie hoffte, dass der Vorbesitzer die Gebrauchsanweisung dagelassen hatte, denn sie hatte keine Ahnung, wie man den Ofen bediente.
»Danke für das Angebot, aber ich kann nicht bleiben, Seffy nervt mich schon den ganzen Tag, und er braucht dringend ein bisschen Bewegung. Aber immer, wenn er eine offene Tür sieht, versteht er das als Einladung. Sorry noch mal.«
»Schon okay. Ich bin mir sicher, er wird nicht der letzte Besucher sein.«
»Nein, definitiv nicht.« Meredith verdrehte die Augen. »Die einheimischen Klatschtanten geben sich hier garantiert bald die Klinke in die Hand. An deiner Stelle würde ich mir eine Überwachungskamera oder einen Hund zulegen, um sie abzuschrecken.«
»Danke für die Warnung, ich werd's mir überlegen.«
»Tja, dann also willkommen im Dorf - und hoffentlich bis bald«, sagte Meredith, drehte sich um und ging nach draußen.
Anna stand an der Türschwelle und sah ihr nach, bis sie das Ende der Straße erreichte, das Gatter zum Obstgarten öffnete und hineinging. Wenn alle Teenager im Dorf so aussahen, dachte sie, dann hatte sich hier in der Zwischenzeit wohl doch einiges verändert.
Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als ihr Handy vibrierte. Sie ging zurück in die Küche; der Fahrer des Umzugswagens hatte ihr eine Nachricht hinterlassen, er sei durch einen Auffahrunfall auf der M5 aufgehalten worden. Anna verzog das Gesicht, aktivierte die Displaysperre und versuchte, sich auf die vor ihr liegenden Aufgaben zu konzentrieren. Vielleicht sollte sie bei ihrer besten Freundin Charlotte vorbeischauen, die nur zwei Häuser weiter wohnte. Charlotte hatte ihr heute Morgen eine Textnachricht geschickt und gefragt, wann genau sie ankäme. Die Tatsache, dass sie ganz in der Nähe ihrer ältesten und besten Schulfreundin leben würde, war ein weiterer Grund, warum sie sich so schnell für Pippin Cottage entschieden hatte. Anna hatte das Gefühl, dass sie ihre Freunde und ihre Familie in den nächsten Wochen und Monaten brauchen würde. Mit einem Anflug von schlechtem Gewissen erinnerte sie sich daran, dass sie Charlotte noch gar nicht zurückgeschrieben hatte. Sie musste sich endlich zusammenreißen und etwas beeilen, schließlich hatte sie schon um sechs ein Treffen mit Ursula Rowbotham, der Besitzerin des Cafés,...
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