Schweitzer Fachinformationen
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1. Kapitel
Ireland
Gott, geht es mir beschissen.
Ich hob den Kopf vom Kissen und verzog das Gesicht. Genau aus diesem Grund trank ich nur selten. Ein heftiger Kater und ein Wecker, der um halb vier Uhr morgens klingelte, waren keine guten Bettgenossen. Ich tastete auf dem Nachttisch nach meinem Telefon und schaffte es irgendwie, den nervigen Alarm auszuschalten.
Zehn Minuten später ging der Lärm aufs Neue los. Stöhnend wälzte ich mich aus dem kuscheligen Bett und schleppte mich in die Küche, um mir einen dringend benötigten Kaffee und eine Ibuprofen zu besorgen. Wahrscheinlich musste ich mir auch die Augen kühlen, um heute Morgen in der Sendung wenigstens halbwegs passabel auszusehen.
Als ich gerade dabei war, dampfenden Kaffee in einen Becher zu füllen, fiel mir plötzlich wieder der Grund für den gestrigen Rausch ein. Wie zum Teufel hatte ich das nur vergessen können?
Der Brief.
Dieser verdammte Brief.
»Autsch! Mist!« Der heiße Kaffee schwappte über den Becherrand, und ich verbrühte mir die Hand.
»Mist . autsch . Mist!«
Ich hielt die Hand unter kaltes Wasser und schloss die Augen. Was zum Teufel hatte ich getan? Ich wollte zurück ins Bett kriechen und alles vergessen.
Doch stattdessen stürmten alle Einzelheiten des gestrigen Tages wie ein Tsunami auf mich ein. Eine Stunde nachdem ich aus einem einwöchigen paradiesischen Urlaub heimgekehrt war und meinen Koffer in die Wohnung gerollt hatte, brachte ein Kurier mir einen Brief.
Gefeuert. Mit einem offiziellen Schreiben.
Einen Tag bevor ich nach meinem Urlaub zur Arbeit zurückkehren sollte.
Mir war übel. Seit meinem vierzehnten Lebensjahr war ich noch nie arbeitslos gewesen. Ganz zu schweigen davon, dass es das erste Mal war, dass ich ein Unternehmen nicht auf eigenen Wunsch verließ. Ich drehte den Wasserhahn zu, ließ den Kopf hängen und versuchte, mich an den genauen Wortlaut des verfluchten Briefes zu erinnern.
Liebe Ms Saint James,
wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihr Arbeitsverhältnis bei Lexington Industries mit sofortiger Wirkung endet.
Das Arbeitsverhältnis endet aus den folgenden Gründen:
- Verstoß gegen Verhaltenskodex 3-4. Sexuelle Nötigung und unsittliches Entblößen.
- Verstoß gegen Verhaltenskodex 3-6. Nutzung des Internets und/oder anderer Medien zu sexuellen Handlungen oder anstößigem Verhalten.
- Verstoß gegen Verhaltenskodex 3-7. Andere Formen sexuell unmoralischen oder anstößigen Verhaltens.
Eine Abfindung wird nicht fällig, da die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus triftigem Grund erfolgt. Sie erhalten innerhalb von dreißig Tagen ein Schreiben, aus dem der Status Ihrer Vorsorgeleistungen hervorgeht. Der Versicherungsschutz bleibt für die vom Staat New York festgelegte Zeit bestehen.
Die Personalabteilung kümmert sich um Ihren letzten Gehaltsscheck und wird mit Ihrem Vorgesetzten regeln, dass Ihnen Ihre persönlichen Sachen zugeschickt werden.
Wir bedauern diesen Vorfall und wünschen Ihnen alles Gute für Ihre Zukunft.
Mit freundlichen Grüßen
Joan Marie Bennett
Leiterin Human Resources
Dem wattierten Umschlag hatte ein USB-Stick beigelegen, auf dem sich ein dreißig Sekunden langes Video befand, das eine meiner Freundinnen am Strand aufgenommen hatte. Mir stieg brennend die Galle hoch, und zwar nicht, weil ich meinem Körper vermutlich eine Alkoholvergiftung zugemutet hatte.
Die letzten neun Jahre war meine Arbeit mein Leben gewesen. Und irgendein albernes unscharfes Video hatte alles, für das ich mir den Arsch aufgerissen hatte, wie eine Rauchwolke verpuffen lassen.
Puff. Leb wohl, Karriere.
Ich stöhnte.
»Gott! Was zum Teufel soll ich nur machen?«
Aufrecht stehen war eindeutig nicht die richtige Antwort, darum ging ich mit meinem pochenden Schädel ins Schlafzimmer und kroch zurück ins Bett. Ich zog mir die Decke über den Kopf und hoffte, dass die Dunkelheit mich bei lebendigem Leib verschlingen würde.
Schließlich schlief ich noch mal ein. Als ich einige Stunden später wieder aufwachte, fühlte ich mich etwas besser. Allerdings nur so lange, bis mir klar wurde, dass ich mich nur an die Hälfte der Ereignisse des gestrigen Abends erinnert hatte.
Meine Mitbewohnerin und beste Freundin Mia schenkte mir einen Becher Kaffee ein und wärmte ihn in der Mikrowelle auf. Sie sah selbst ziemlich verkatert aus.
»Wie hast du geschlafen?«, fragte sie.
Ich stützte die Ellbogen auf den Tisch, hielt meinen Kopf mit den Händen halbwegs hoch und blinzelte sie aus einem Auge an.
»Was denkst du wohl?«
Sie seufzte. »Ich kann immer noch nicht fassen, dass man dich gefeuert hat. Du hast einen Vertrag. Ist es überhaupt legal, jemanden wegen etwas zu entlassen, das die Person gar nicht während der Arbeit getan hat?«
Ich nippte an meinem Kaffee. »Anscheinend. Ich habe deshalb eben mit Scott gesprochen.« Ich hatte meinen Stolz hinuntergeschluckt und meinen Ex angerufen. Er war ein Mistkerl und der Letzte, mit dem ich sprechen wollte, aber er war auch der einzige Anwalt in meinen Kontakten. Leider hatte er mir bestätigt, dass das Handeln meines Arbeitgebers vollkommen legal war.
»Es tut mir sehr leid. Ich hatte keine Ahnung, dass ein Tag am Strand solche Folgen haben kann. Das ist alles meine Schuld. Schließlich war es meine Idee, an den Nacktbadestrand zu gehen.«
»Das ist nicht deine Schuld.«
»Was zum Teufel hat sich Olivia nur dabei gedacht, das Video auf Instagram zu posten und uns alle zu markieren?«
»Ich glaube, nach den Piña Coladas mit dem Extraschuss Rum, die uns dieser süße Typ in der Bar serviert hat, hat sie überhaupt nichts mehr gedacht. Aber ich verstehe nicht, wie mein Arbeitgeber davon erfahren hat. Sie hat meinen privaten Account markiert - den von Ireland Saint James -, nicht meinen offiziellen Ireland Richardson Account, den der Sender für mich pflegt. Oder wohl eher gepflegt hat. Woher wissen die das also überhaupt? Ich habe heute Morgen meine Einstellungen überprüft, um sicherzugehen, dass ich sie nicht irgendwie auf öffentlich geändert habe - aber das habe ich nicht.«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht folgt jemand aus deinem Unternehmen einer von uns, die einen öffentlichen Account hat.«
Ich schüttelte den Kopf. »Vermutlich.«
»Hat dieser Idiot wenigstens auf deine E-Mail geantwortet?«
Ich legte die Stirn in Falten. »Welche E-Mail?«
»Erinnerst du dich nicht?«
»Offensichtlich nicht.«
»Die du eurem CEO geschickt hast.«
Ich riss die Augen auf. Oh, Mist. Das wurde ja immer besser.
Anscheinend war der Tiefpunkt noch nicht erreicht.
Gefeuert.
Keine Abfindung.
Und das eine Woche nachdem ich die zweite und größte Rate für den Bau meines ersten Eigenheims bezahlt hatte.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ich ein gutes Zeugnis von meinem derzeitigen Arbeitgeber bekam? Gleich null, nachdem ich betrunken meinem Ärger Luft gemacht und dem Typen im Elfenbeinturm gesagt hatte, was ich von ihm und dem Unternehmen hielt.
Toll.
Einfach nur toll.
Toll gemacht, Ireland!
Nachdem ich den Großteil meiner Ersparnisse für das Grundstück in Agoura Hills angezahlt und großzügig eine ganze Woche lang den Alkohol für den Junggesellinnenabschied in der Karibik bezahlt hatte, blieben mir ungefähr noch tausend Dollar. Noch dazu würde meine Mitbewohnerin, die bislang die Hälfte der Miete beigesteuert hatte, heiraten und ausziehen.
Aber . keine Sorge, Ireland. Du findest schon einen neuen Job.
Wenn die Hölle zufriert.
Die Medienbranche war ungefähr so nachsichtig wie mein Bankkonto nach einem Tag in der Shoppingmall.
Ich war am Arsch.
Total am Arsch.
Um über die Runden zu kommen, würde ich wieder als freie Journalistin für Zeitungen schreiben müssen, die mich wortweise bezahlten, und zwar in Penny-Beträgen. Diese Phase meines Lebens sollte eigentlich vorbei sein. Ich hatte alles gegeben und fast zehn Jahre lang sechzig Stunden in der Woche gearbeitet, um dorthin zu gelangen, wo ich jetzt war. Diesen Platz durfte ich nicht einfach kampflos aufgeben.
Ich musste zumindest versuchen, die Sache wieder hinzubiegen - zumindest so weit, dass ich ein gutes Zeugnis bekam. Also holte ich tief Luft, benahm mich wie ein großes Mädchen und klappte meinen Laptop auf, um meiner Erinnerung auf die Sprünge zu helfen, was ich dem CEO von Lexington Industries geschrieben hatte. Vielleicht war es ja gar nicht so schlimm, wie ich dachte. Ich klickte auf meine gesendeten E-Mails und öffnete die Nachricht.
Lieber Mr Jong-un,
Ich schloss die Augen. Mist. Diese Hoffnung hatte sich erledigt. Aber vielleicht verstand er meinen Humor ja nicht und dachte, ich hätte einfach nur seinen Namen falsch geschrieben. Das wäre doch immerhin möglich, oder?
Widerwillig las ich weiter und hielt dabei den Atem an.
Ich möchte mich in aller Form für meine kleine Indiskretion entschuldigen.
Okay . kein schlechter Anfang. Das war gut. Das war sogar sehr gut.
Hätte ich doch nur hier aufgehört zu lesen.
Mir war offen gesagt nicht klar, dass ich für einen...
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