Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
II. Kunstwelt 1: Verarbeitung der vormodernen Kunstwelt
1. Das Bild
Was ist ein Bild? Zwei Erscheinungsweisen eines Bildes lassen sich auf den ersten Blick unterscheiden:
Was im Deutschen mit dem Wort Bild bezeichnet wird, wird häufig in die beiden Begriffe tableau für das "materielle Bild-Ding" und image für den ideellen Bildinhalt differenziert - oder auch picture und image (Soldt, 2009, S. 143). Was diesen zweiten Aspekt betrifft, so stellen sich z.B. die Fragen, wie Bilder Sinn "erzeugen", wie es der Künstler schafft, das Verhältnis / die 'Differenz' zwischen dem anschaulichen Ganzen des Bildes und seinen Einzelaspekten wie Farbe, Form, Figur, zu optimieren.
Ähnlich wie sich - vor allem ausgelöst durch Ludwig Wittgenstein (1889-1951) - eine Umorientierung der Philosophie von der Bewusstseinsphilosophie zur Sprachanalyse ("linguistic turn") vollzog, erfolgte im Zuge eines sog. "iconic turn" die Hinwendung Vieler mit Kunst Befasster zu einer Bildwissenschaft, die in diesem Bereich mittels der Analyse von Bildern wissenschaftliche Rationalität herstellen sollte. Der Kunsthistoriker und Philosoph Gottfried Boehm (1920-2021) stellte die Frage, wie eigentlich Bilder Sinn erzeugen. "Was auch immer ein Bildkünstler darstellen wollte, im dämmrigen Dunkel prähistorischer Höhlen, im sakralen Kontext der Ikonenmalerei, im inspirierten Raum des modernen Ateliers, es verdankt seine Existenz, seine Nachvollziehbarkeit und Wirkungsstärke der jeweiligen Optimierung dessen, was wir die 'ikonische Differenz' nennen." Boehm, 1994, S. 30)
Auch wenn hier gefragt wird, wie im Bild diese zu optimierende Differenz gestaltet ist, kann man bei der Frage der Bedeutung den Betrachter nicht außer Acht lassen. Bedeutung trägt nicht einfach das Bild. Sie entsteht auch nicht nur im Rahmen der Interaktion zwischen Maler und Bild. Sie konstituiert sich im Betrachter angesichts des Bildes und in den inneren Bezügen von Maler und Betrachter (auch wenn sie sich nicht persönlich kennen - das ist ohnehin nur in Ausnahmen der Fall), sie konstituiert sich also in diesem interaktiven bzw. kommunikativen Geschehen. Kraft (2008a) spricht von "Dyaden zu dritt".
Wir haben es also zum einen mit dem "Bild-Ding" (tableau, picture) zu tun, zum andern mit dem Bild (image), das sich uns mit seiner Bedeutung, seinem Sinn erschließt oder sich uns verschließt (indem wir es nicht in uns aufnehmen und/oder es nicht verstehen können).
In den folgenden Ausführungen wird meist der erste Aspekt (tableau, picture) vernachlässigt, bei dem es um Material- und technisch-handwerkliche Fragen geht.43
Zu Aspekt 2, image, der anderen Weise, in der das Bild in Erscheinung tritt: "Das deutsche Wort Bild geht "möglicherweise . auf den germanischen Stamm bil ('Wunderkraft, Wunderzeichen') zurück. Für die Entwicklung des B.-Begriffs in Philosophie, Theologie und Ästhetik war zunächst das griechische eikón prägend, das anfänglich sowohl das Standard-B. und das Gemälde, als auch das Schatten- und Spiegel-B. bezeichnete... Wenn auch eine präzise Begriffsunterscheidung nicht gegeben ist, dient eikón eher einer idealistischen Konzeption von B. im Sinne seiner Beziehung auf einen geistigen Ursprung, während eìdolon das Abbild der materiellen Welt meint und deshalb seit Platon minderen Rang besitzt." (Prange, 2019b, S. 57). Wir stoßen in diesen wie anderen Worterklärungen immer wieder darauf, dass es um (materielle Träger von) Bedeutungen geht, angefangen damit, dass etwas 'abgebildet' wird.
Möglicherweise stand am Anfang der Geschichte des Bildes gar eine Identität und Nichtunterscheidung von Bild und Abgebildetem, auf der der magische Bildzauber beruht, von dem sich das Bewusstsein auch heute noch - trotz der zunehmenden Entfernung von der magischen Realität - nicht lösen kann (Wolf, 2019, S. 70, in Anlehnung an Gadamer). So ist mit 'Abbildung' mehr als Herstellen einer Ähnlichkeit gemeint, Abbildung hat sozusagen Brisanz und macht zum Teil die Magie der Bilder aus. "Dass die Macht des Bildes auf mimetischer Verlebendigung oder 'Beseelung' bzw. Täuschung des Betrachters beruhe, gehört zum topischen Bestand der Kunsttheorie und Literatur der Antike wie der Renaissance." "Seit der Antike stehen sich eine Ikonophobie und eine Ikonophilie gegenüber, eine Verteufelung der Bilder als Lüge, falscher Schein bzw. Augentrug und ihre Zelebration als Medium seelischer Empfindung, der Liebe und sinnlichen Erkenntnis, als eines privilegierten Tores zum Unsichtbaren und transparenten Schleiers der Wahrheit." (Wolf, 2019, S. 68 und S. 65)
In der "Bildakt-Theorie" (siehe z.B. Bredekamp, 2015) wird auf die autonome Wirkmacht oder -kraft des Bildes (vgl. auch aus psychoanalytischer Warte Soldt, 2009) abgehoben. Es wird z.B. verdeutlicht daran, dass man das Guernica-Bild von Picasso44 im New Yorker UN-Gebäude verdeckt habe, als man sich dort versammelte, um seitens der damaligen US-Regierung "Beweise" aufzufahren für die Existenz von Massenvernichtungsmitteln im Irak, die als Begründung für eine Invasion herhalten sollten. Dem Bild wurde demnach eine dem Anliegen potenziell schädliche Wirkmacht in Richtung der Kritik am Krieg zugeschrieben. Ähnliche Belege für die vermeintliche autonome Macht der Bilder kann man im Bildersturm in der Reformation sehen. Ich denke, auch das Wüten is- lamistischer Rebellen in Palmira und in gewisser Weise bei Charlie Hebdo45 könnte man als Hinweise auf eine solche Wirkmacht, die Bildern zugeschrieben wird (die die Bilder "haben"?) interpretieren. Das Reden von einer Zauberkraft oder Wirkmacht des Bildes hat womöglich ihren Ursprung in früher Vorzeit, als zwischen Artefakt und dem, was es darstellt, nicht unterschieden wurde.
Transzendierung: Das Bild meint etwas anderes. Mit den Begriffen "Stellvertreter" und "Ersatz" in Hochbergs Definition (s.o.) wird auf die besondere Eigenschaft hingewiesen, die das Bild von anderen flachen Gegenständen unterscheidet. Und an dieser Stelle haben wir es - in der hier eingeführten Begrifflichkeit - mit einer Transzendierung zu tun; sie besteht darin, dass wir wissen, dass es hier nicht eigentlich um diesen physikalisch-chemischen Gegenstand geht, den wir vor uns haben, sondern dass es sich um etwas handelt, das Bedeutungsträger ist. Das gilt auch für ein Foto, aber auch für gemalte, gezeichnete etc. Bilder. Sehr kleine Kinder kennen diese besondere Eigenart des Bildes noch nicht, sie versuchen z.B. das, was als Sonne in einem Bild erscheint, mit den Fingern zu ergreifen, also von der Unterlage abzuheben; in diesem Alter hat das Kind also noch keinen ikonischen und keinen begrifflichen Zugang zur Welt sondern nur einen sensomotorischen. Sein Verstehenwollen kommt in dieser sensomotorischen Handlung zum Ausdruck.46
In der Literatur wird oft davon gesprochen, dass man symbolisierungsfähig sein müsse, um den besonderen Doppelcharakter des Bildes zu verstehen (dass er erstens ein Gegenstand ist und zweites etwas darüber hinaus bedeutet, etwas anzeigt, also ein analoges Zeichen für das damit Gemeinte ist). Am einfachsten war diese Sache, solange Kunst sich um Abbildung oder Nachahmung bemühte.47 Ein zentrales Moment in der Entwicklung der Malerei bis etwa Mitte des 19. Jh. ist das Bemühen der Künstler um immer bessere 'Abbildung' von Realität bis hin zu einer möglichst präzisen Darstellung von Objekten und Figuren innerhalb eines schließlich quasi illusionistischen dreidimensionalen Raumes auf der flachen Leinwand (oder Wand oder Decke einer Kirche, eines Schlosses etc.). "Die Geschichte der Malerei wird vor allem als ein Fortschritt in Richtung täuschender Naturnachahmung beschrieben." (Prange, 2019b, S. 58).
U.a. Black (1977) befasste sich mit Kriterien, die ausmachen könnten, was "Abbildung" sei. Aber die einzelnen untersuchten Kriterien wie z.B. "Ähnlichkeit", "Information" (des Bildes gegenüber der...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.