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Ashton Hilary Akbar Pelham-Martyn wurde in einem Zeltlager unweit eines Passes im Himalaja geboren und kurz darauf in einem zusammenlegbaren Wassersack aus Segeltuch getauft.
Sein erster Schrei wetteiferte kühn mit dem Gebrüll eines Leoparden, der sich etwas weiter unten am Hang befinden mußte, und sein erster Atemzug füllte die Lungen mit der eisigen Luft, die von den hohen Gipfeln blies und den Dunst der Ölfunzel, den Geruch nach Blut und Schweiß und den durchdringenden Gestank der Tragtiere mit dem frischen Duft von Schnee und aromatischen Kiefernnadeln mischte.
Als der eisige Windstoß den nachlässig verschnürten Zelteingang aufriß und die Flamme der verrußten Ölfunzel heftig zu flackern begann, hörte Isobel das lebenslustige Krähen ihres Sohnes und sagte matt: »Wie ein Siebenmonatskind schreit er eigentlich nicht, oder? Ich muß mich wohl . muß mich wohl verrechnet haben .«
So war es denn auch, und dieser Rechenfehler kam Isobel teuer zu stehen. (Schließlich muß bei weitem nicht jeder gleich mit dem Leben für eine solche Nachlässigkeit bezahlen.)
Zu ihrer Zeit - es war die von Königin Viktoria und Prinzgemahl Albert - galt Isobel Ashton als eine empörend unbürgerliche junge Frau, und als sie - Waise, ledig und in der offen bekundeten Absicht, ihrem unverheirateten Bruder den Haushalt zu führen - im Jahr der Weltausstellung an der nordwestlichen Grenze Indiens in der Garnison Peshawar eintraf, wurden nicht nur viele Augenbrauen mißbilligend hochgezogen, es fielen auch abschätzige Bemerkungen. Der Bruder William war übrigens erst kürzlich zur Heeresabteilung der Kundschafter versetzt worden.
Als Isobel dann ein Jahr später Hilary Pelham-Martyn heiratete, einen auf seinem Gebiet berühmten Sprachwissenschaftler, Ethnologen und Botaniker, und mit ihm eine offenbar unbegrenzt lange, gemächliche Forschungsreise ins Vorgebirge von Hindustan antrat, ohne festen Reiseplan und ganz ohne weibliche Bedienung, da wurden die Brauen neuerlich hochgezogen, diesmal eher noch indignierter.
Hilary war ein eingefleischter Junggeselle von mittleren Jahren. Wie er auf den Gedanken hatte verfallen können, ein wenn auch ansehnliches, so doch mit Indien ganz und gar unvertrautes Mädchen zu heiraten, nicht halb so alt wie er selber, wußte er wohl auch nicht zu sagen, geschweige denn wer anders. Daß er überhaupt hatte heiraten wollen, einerlei wen, blieb der »Gesellschaft« von Peshawar unerklärlich, während sie Isobel unterstellte, mit der Heirat handfeste Ziele verfolgt zu haben: Hilary war so vermögend, daß er sich sein Leben nach Belieben einrichten konnte, und mit seinen Veröffentlichungen hatte er sich in wissenschaftlichen Kreisen bereits einen Namen gemacht. Miß Ashton, so lautete die übereinstimmende Ansicht, hatte sich nicht übel versorgt.
In Wahrheit heiratete Isobel weder des Geldes wegen, noch um unter dem Schutze eines Mannes zu stehen. Sie hatte ein offenes Wesen, war spontan, impulsiv und unverbesserlich romantisch, und das Leben, das Hilary führte, erschien ihr als der Gipfel romantischen Daseins. Was konnte zauberhafter sein, als das sorglose Leben dessen, der fremde Gegenden durchstreifte, die Ruinen versunkener Reiche erforschte, unter offenem Himmel schlief, sich um Konventionen und Verbote der modernen Gesellschaft nicht scherte? Übrigens spielte ein weiteres Motiv mit, und dieses mag den Ausschlag gegeben haben: sie befand sich in einer unerträglichen Lage, der sie entkommen wollte.
Daß sie bei ihrer Ankunft in Indien erfahren mußte, ihr Bruder sei nicht nur entsetzt darüber, mit einer unverheirateten Schwester belastet zu werden, sondern auch ganz und gar nicht imstande, ihr ein passendes Quartier zu stellen, war eine demütigende Erfahrung. Die Kundschafter waren damals in endlose Scharmützel mit den Grenzstämmen verwickelt und kamen kaum je in ihrer Garnison in Mardan zur Ruhe; erklärlich also, daß nicht nur William, sondern auch das Regiment insgesamt Isobels Eintreffen mit Unbehagen zur Kenntnis nahmen. Es war dann vereinbart worden, Isobel vorerst im Hause von Oberst Pemberthy und seiner Frau in Peshawar unterzubringen, doch ruhte darauf kein Segen.
Pemberthys waren wohlmeinende Menschen, doch unerträgliche Langweiler. Überdies hatten sie deutlich zu erkennen gegeben, daß sie Miß Isobels Reise nach Indien ohne passende Begleitung mißbilligten, und sie bemühten sich nach Kräften, mittels Vorbild und Rat den schlechten Eindruck zu verwischen, den Isobel durch ihre Ankunft gemacht hatte. Sie merkte rasch, daß man von ihr erwartete, sich steif und hölzern und den Anstandsregeln peinlich genau entsprechend zu betragen. Dies dürfe sie keinesfalls tun, es sei nicht ratsam, jenes zu tun . Die Liste der Verbote war endlos.
Die Gattin des Obersten, Edith mit Namen, interessierte sich nicht die Spur für das Land, in welchem sie und ihr Gatte den größten Teil ihres Lebens verbrachten, sie betrachtete die Einwohner als unzivilisierte Heiden, aus denen sich mit viel Geduld und Strenge und bei etwas Glück brauchbare Dienstboten machen ließen. Ein echter Austausch mit ihnen, einerlei auf welcher Ebene, war für Mrs.Pemberthy einfach unvorstellbar, und daß Isobel in den Basaren umherwandern und das umliegende Land bis zum Indus und zum Khaibarpaß zu Pferde erkunden wollte, fand sie höchst abwegig.
»Zu sehen gibt es hier nichts«, verkündete Mrs.Pemberthy. »Und die Eingeborenen sind blutdürstige Wilde, nicht die Spur vertrauenswürdig.« Der Gatte stimmte dieser Auffassung bei, und die acht Monate, die Isobel unter dem Dach dieser guten Menschen verbrachte, kamen ihr vor wie acht Jahre. Freundinnen fand sie nicht, denn die Damen der Garnison hatten über zierlich gehaltenen Teetassen entschieden, Miß Ashton sei leichtfertig und höchstwahrscheinlich nur nach Indien gekommen, um sich einen Mann zu angeln. Diese Beurteilung wurde so häufig wiederholt, daß auch die unverheirateten Offiziere der Garnison sie sich zu eigen machten. Sie bewunderten zwar Isobels Erscheinung, ihr freies Auftreten, ungekünsteltes Betragen und ihre Reitkünste, hüteten sich aber geradezu ängstlich davor, als die Beute einer gerissenen Männerjägerin zu erscheinen; deshalb hielten sie sich denn auch zurück. Es war daher nicht verwunderlich, daß Isobel von der Garnison Peshawar gründlich genug hatte, als Professor Pelham-Martyn auftauchte. Er befand sich in Gesellschaft seines lebenslangen Freundes und Reisebegleiters Sirdar Bahadur Akbar Khan und einer zusammengewürfelten Horde von Dienern und Helfern, samt vier versperrten, von Ponies transportierten Lederkoffern. Diese Behältnisse bargen das Manuskript über die Ursprünge des Sanskrit und einen umfassenden, verschlüsselten Bericht teils amtlichen, teils halbamtlichen Interesses über Vorgänge im Bereich der Ostindischen Handelskompanie.
Hilary Pelham-Martyn ähnelte Isobels verstorbenem Vater ungewöhnlich stark. Mr.Ashton war ein liebenswerter und skurriler Gentleman gewesen, und wurde von seiner Tochter geradezu vergöttert. Dies mag ihr spontanes Interesse für den Professor erklären; dazu kam die Hoffnung, in seiner Gesellschaft unangefochten sie selber sein und sich ungezwungen benehmen zu dürfen. Sie fand eigentlich alles ungemein anziehend an ihm - seine Lebensumstände, das intensive Interesse, das er Indien und dessen Bewohnern entgegenbrachte, seinen graustoppeligen, verkrüppelten Freund Akbar Khan, und seine absolute Gleichgültigkeit gegenüber allen Maßstäben, die für Menschen wie Pemberthys von Bedeutung waren. So sonderbar es klingt, in ihm bot sich ihr Flucht und Sicherheit zugleich, und sie steuerte auf die Ehe mit der gleichen Kühnheit zu und mit ebenso wenig Bedenken künftiger Fährnisse wegen, wie sie in Tilbury die Gordon Castle für die lange Reise nach Indien bestiegen hatte. Und diesmal wartete am Ende keine Enttäuschung.
Anzumerken ist, daß Hilary sie mehr wie eine Lieblingstochter behandelte denn als Ehefrau, was ihr durchaus recht war und viel dazu beitrug, daß das unregelmäßige Lagerleben, welches sie in den kommenden zwei Jahren mit ihm führte, einen Anstrich von Stabilität und Kontinuität bekam. Da sie nie zuvor verliebt gewesen war, hatte sie auch keinen Maßstab für das Gefühl, das sie ihrem umgänglichen und so unkonventionellen Gatten entgegenbrachte und war folglich so zufrieden, wie ein Mensch nur sein kann. Hilary gestattete ihr, im Herrensitz zu reiten, und zwei glückliche Jahre lang bereisten sie das Land, erkundeten die Vorgebirge des Himalaja, folgten der Straße, auf der der Herrscher Akbar nach Kaschmir gezogen war und verbrachten die Winter in den wärmeren Ebenen, umgeben von verfallenen Gräbern und Palästen längst vergessener Städte. Während dieser Zeit ermangelte Isobel so gut wie aller weiblichen Gesellschaft, ohne daß sie darunter gelitten hätte. Es gab immer interessante Bücher zu lesen, Hilarys botanische Sammlung war zu ordnen, Pflanzen waren zu pressen - Beschäftigungen, denen sie abends nachging, wenn ihr Mann und Akbar Khan über dem Schachbrett saßen oder hitzige Diskussionen führten, bei denen es um Politik und Religion, göttliche Vorsehung und Rassenfragen ging.
Sirdar Bahadur Akbar Khan, ein grauhaariger ehemaliger Kavallerieoffizier, war in der Schlacht von Mianee schwer verwundet worden und hatte sich auf den Besitzungen seiner Vorväter am Flusse Ravi niedergelassen, um seine Tage dort mit so friedlichen Beschäftigungen wie Pflanzenbau und dem Studium des Koran zu verbringen. Die Männer lernten einander kennen, als Hilary unweit des Heimatortes von Akbar Kahn sein...
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