Schweitzer Fachinformationen
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Andreas H. Karsten
Noch immer ist der COVID-19-Erreger nicht ausreichend verstanden. Überlebt er in warmer Umgebung (Sommerhoffnung 2020 und 2021) schlechter als in kalter? Wenn ja, woher stammen dann die hohen Fallzahlen in den arabischen Staaten. Liegt es an deren Kultur (Nasenküsse zur Begrüßung) oder an den Wohnverhältnissen (viele Expats auf engen Raum) oder liegt es etwa an den überall verwendeten Klimaanlagen? Liegt es an dem im Alltag seit langem erprobtem Tragen von Masken im öffentlichen Raum in den Ost- und südostasiatischen Ländern, dass dort die Erkrankung schnell eingedämmt werden konnte oder an dem anderen Verständnis der dortigen Menschen zu individuellen Freiheitsrechten und der Gemeinschaft?
Langjährige und umfassende Analysen werden zukünftig unter Umständen Antworten liefern können. Auf jedem Fall ist heute schon sichtbar, dass es nicht den Corona-Experten oder die Corona-Expertin gibt. Die Erkrankung hat vielfältige, teilweise rückkoppelnde und dadurch nichtlineare Effekte in den unterschiedlichsten Bereichen: Gesundheit, Psychologie, Soziologie, Wirtschaft, Sicherheit, u. v. m. Erste Gedanken zu einigen dieser Aspekte werden Sie in diesem Buch von Expert:innen in ihrem jeweiligen Gebiet finden.
Im Rahmen dieses Abschnittes sollen die Strategien europäischer Staaten miteinander verglichen werden, da ihre klimatischen und kulturellen Eigenarten nicht zu weit auseinanderliegen. Ziel ist es, voneinander zu lernen, nicht auf andere mit dem Finger zu zeigen. Wie bereits angedeutet, bedarf es, jede Maßnahme im Kontext der jeweiligen Situation zu betrachten und genau zu überlegen, was übernommen werden kann und was im eignen Zuständigkeitsbereich anders geregelt werden muss.
Bevor auf die einzelnen Maßnahmen eingegangen wird, soll ein Blick auf die »Performance« ausgewählter Staaten in Europa geworfen werden. Dabei stellt sich die Frage, welcher Kennwert als Maß der Performance herangezogen werden soll. Dabei ist zuerst die Frage zu beantworten, welche Ziele wurden bzw. werden mit den Maßnahmen verfolgt:
Kurzfristige Reduzierung der durch COVID-19 verstorbenen Menschen: Diese Zahl berücksichtigt nur direkt durch Corona verstorbene Menschen.
[31]Mittelfristige Reduzierung der verstorbenen Menschen: Diese Zahl berücksichtigt auch Sekundär- und Tertiär-Effekte, wie z.B. Suizide durch Vereinsamung während des Quarantäne-Regimes oder in Folge des wirtschaftlichen Ruins aufgrund der Kontaktbeschränkungen.
Langfristige Reduzierung der verstorbenen Menschen aufgrund Veränderungen der Machtverhältnisse in der Welt.
Die Beantwortung dieser Frage hängt ganz entscheidend von der kulturellen Prägung der Menschen ab, die die Antwort geben. Steht das Individuum im Mittelpunkt aller Maßnahmen, die Familie, das Volk oder die Menschheit als gesamtes. Hier spielt die Philosophie, die Religion entscheidend in die Bekämpfungsstrategie hinein.
Ähnlich komplexe Entscheidungssituationen sind wohl nur noch bei der Bekämpfung des Klimawandels bzw. der Klimakrise anzutreffen. Bezüglich beider Problemkreise ist es schwierig, innerhalb eines Staates geschweige dann innerhalb der Weltgemeinschaft ein einheitliches Situationsbewusstsein zu erzeugen. Letzteres ist aber Grundvoraussetzung für eine konstruktive Diskussion innerhalb des Entscheidungsprozesses.
Zurzeit lässt sich mit einiger Sicherheit nur die erste Frage diskutieren. Welche mittel- und langfristigen Folgen die COVID-19-Pandemie zeigen wird, werden die Historiker der Zukunft beurteilen müssen. Wird die Reduzierung der durch COVID-19 verstorbenen Menschen gewählt, muss die Frage beantwortet werden, welcher Messwert gibt am ehesten Auskunft über die Zielerreichung.
So ist die Zahl der nachgewiesenen Fälle (Spalte 2 in Tabelle 1) abhängig von der Zahl der Infizierten, aber auch von der Qualität des Test-Regimes der jeweiligen Staaten. Die Zahl der Toten, die mit oder durch den COVID-19-Virus verstarben (Spalte 3 in Tabelle 1), ist u.a. abhängig vom Gesundheitssystem sowie der Quantität und Qualität der Obduktionen. Eine bessere Vergleichbarkeit erhält man, wenn man die Übermortalität (Spalte 4 in Tabelle 1) betrachtet. Hier ist darauf hinzuweisen, dass diese Zahl zumindest zum Zeitpunkt der ersten Wellen den Entscheider:innen nicht vorlag. Weshalb Hilfsgrößen herangezogen werden mussten. Die Einhaltung irgendeines R-Wertes oder Inzidenzwertes ist kein Wert an sich. Der Schutz von Menschenleben ist der Wert.
Nach mehr als einem Jahr nach dem Ausbruch der Pandemie liegen erste Untersuchungsergebnisse vor (siehe Tabelle 1). Somit kann versucht werden, die Wirksamkeit der in den verschiedenen Staaten getroffenen Maßnahmen zu beurteilen, um für die Zukunft zu lernen.
[32]Tabelle 1: Erste Untersuchungsergebnisse zu COVID-19-Erkrankungen, Stand: Juli 2021(Quellen: data4life 2021; RKI 2021 a; Karlinsky/Kobak 2021)
Staat
nachgewiesene Fälle pro 100.000 Einwohner (EW)
COVID-19 bezogene Tote pro 100.000 EW
Übermortalität pro 100.000EW
Belgien
2.758,6
22,0
140
Dänemark
5.517,2
44,0
-10
Deutschland
4.536,7
110,3
50
Frankreich
9.124,6
166,2
110
Griechenland
4.672,9
121,5
70
Italien
7.352,4
215,9
210
Kroatien
9.125,0
207,5
Niederlande
10.685,7
101,7
Österreich
7.415,7
120,2
Polen
7.672,0
199,2
310
Portugal
9.437,9
168,9
180
Spanien
9.493,70
172,2
190
Tschechien
15.644,9
284,1
320
Die hier betrachteten Staaten lassen sich grob in fünf Gruppen einteilen:
Abnahme der Mortalität: Dänemark,
Übermortalität 50 bis 70: Deutschland, Griechenland, Kroatien,
Übermortalität um die 100: Frankreich, Niederlande, Österreich, Schweiz,
Übermortalität von 150 bis 200: Belgien, Portugal, Spanien, UK,
Übermortalität über 200: Italien, Polen, Tschechien.
Die Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie lassen sich nach deren Art in Gruppen einteilen:
Öffentlichkeitsaufklärung,
Risikoanalysen:
Virologie,
Epidemiologie,
Psychologie,
Soziologie,
[33]Wirtschaftswissenschaften,
.
Aktivierung von Notfallsystemen:
Einrichtung zusätzlicher Intensive Care Units,
Verschiebung/Absage nicht COVID-19 bedingter Behandlungen,
Inbetriebnahme von Notkrankenhäusern,
Inbetriebnahmen von Nottest- und Impfzentren,
Interministerielle und interstaatliche Abstimmung,
Social Distancing:
Kontaktverbote (Indoor und Outdoor, .),
Schließung öffentlicher Einrichtungen (Theater, Kinos, Sportarenen, Fitness-Studios, Hotels, Restaurants und Cafés, nicht-systemrelevante Geschäfte, Kirchen, Synagogen, Moscheen, .),
Schließung von Bildungseinrichtungen (Kindergärten, Schulen, Universitäten, .),
Maßnahmen für besondere, »vulnerable« Personengruppen (Pflegebedürftige, Alte, Kranke, .),
Maßnahmen am Arbeitsplatz (Homeoffice, Ausdünnen der Belegschaft, Kontaktminimierung, .),
Ausgangsverbote,
Schließung bzw. Reduzierung öffentlicher Verkehrssysteme,
Hygienemaßnahmen:
Maskenpflicht,
Desinfektion,
Luftfilterung/Lüftungsvorschriften,
Kontaktverfolgung und Quarantäne:
Quarantäne für Erkrankte und Kontaktpersonen,
Kontaktverfolgung,
Reiseverkehr:
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