7. Der Regen, der Mond und die Sonne
Großmutter Wachstum ist die Herrin sowohl der Sterne wie auch des Wassers. Sie hat allen Sternen befohlen, daß sie in den Himmel gingen und ihn beleuchteten. Früher waren sie einfache Kreise im Wasser, die aus Regentropfen bestanden. Am Anfang war das Wasser voll von bösen Schlangen, die das Volk der Großmutter Wachstum ständig fressen. Diese hat den Sternen befohlen, daß sie sich vom Himmel auf den Rücken der Schlangen hinunterstürzten und sie töteten. Die Schlacht, die danach stattfand, hat eine einzige Schlange überlebt. Aus ihr hat Großmutter Wachstum die Götter und Göttinnen des Wassers und des Regens erschaffen. Die Götter des Regens haben eine Feierlichkeit veranstaltet, die jener ähnlich war, wie sie die Huichol heutzutage für den Regen machen.
Sie haben mit einer Treibjagd des Hirsches, den sie mit Pfeilen hätten töten sollen, angefangen, denn damals hatten sie keine solchen Fallen wie jene, die die Huichol heutzutage benutzen. Kumukame, der Hauptgott des Regens, hat den Jägern geholfen, indem er heilige Hymnen sang. Außerdem hat er einen brennenden Feuerbrand ins Wasser geworfen. Nachher hängte er ihn mitten an der Decke seines Hauses auf und befestigte ihn mit einem Seil. Während der Feierlichkeit hat eine Maus das Seil angenagt und die heiligen Häuser und alle zeremoniellen Gegenstände verbrennen lassen. Am Ende hat die Maus den Feuerbrand und alle anderen heiligen Gegenstände gestohlen.
Am fünften Tag der feierlichen Hirschjagd, die von den Göttern des Regens gemacht worden ist, hat einer von ihnen, Stella, den Hirsch verwundet. Dieser Hirsch war zugleich Hirsch und ›peyote‹.
Der Geier hat dem verwundeten Hirsch geholfen wegzulaufen. Deswegen ist der Geier von den Göttern des Regens gefangen, gebunden und bestraft worden, und sie haben seinen Schnabel durchlöchert. Dem Geier ist es aber gelungen, sich von den Schlingen zu befreien und den Hirsch, der infolge der Wunden tot war, wieder zum Leben zu bringen. Der Geier sagte dem Hirsch, daß Palikata, der Gott der Jagd, den Göttern des Regens geholfen habe, und er hat ihm geraten, er solle zu seiner Mutter, Stuluwiakame, ins Land seines Vaters, des Sonnengottes, rennen. Beide Eltern des Hirsches Peyote leben im jetzigen Land des ›peyote‹.
Aus dem Atem seines Herzens hat der Sonnengott zahlreiche Tiere erschaffen, um sie dem Volk des Regens, das von Großmutter Wachstum geschützt wurde, entgegenzustellen. Unter dem Volk der Sonne waren die Klapperschlange, der Kolibri und andere Tiere.
Als der Hirsch-Peyote zu seiner Mutter kam, hat er die Maus dort getroffen. Die Maus hatte alles, was sie dem Volk des Regens gestohlen hatte, mitgebracht.
Da beschlossen die Geschöpfe der Sonne, eine zauberische Handlung zu feiern, um jene, die von den Göttern des Regens gefeiert worden war, auszugleichen. Dazu haben sie Großvater Feuer, den zweiten Gott des Feuers, Großvater Hirschschwanz, und andere Götter, die Freunde der Sonne sind, eingeladen. Alle Gäste haben sich sofort auf den Weg gemacht, um sich in das Land Peyote, zu Stuluwiakame, zu begeben. Aber nachdem sie vier Tage gereist waren, mußten sie wieder nach Hause zurückkehren. In der Tat brauchten sie das Feuer, um sich in der Nacht vor den wilden Tieren schützen zu können. Deswegen haben sie den Großvater Feuer um Hilfe gebeten. Dieser gab ihnen einen heiligen Teller, teapali, der einen auf ihn gelegten Haufen Kräuter verbrennen konnte. Dafür hat Großvater Feuer von ihnen verlangt, daß sie während der ganzen Reise auf Essen, Getränke und Geschlechtsverkehr völlig verzichten sollten.
Kaum sind die Götter, die Freunde der Sonne waren, im Lande der Stuluwiakame angekommen, haben sie viele Peyotes, welche Spuren der Hirsche waren, gefunden, und sie haben mit ihren Pfeilen auf sie geschossen. Dann ist eine sehr große Spur mitten in der Gegend des Peyote erschienen: die Hirsche hatten sich in einen sehr großen Kaktus verwandelt. Dieser hatte sechs Seiten und jede von ihnen war aus einer anderen Farbe, und diese Farben sind dazu benutzt worden, die Gesichter der Jäger, die Freunde der Sonne waren, zu bemalen. Dies gewährte ihnen ein langes Leben, es drang in ihre Herzen und hat aus ihnen Schamanen gemacht. Dann hat man um den großen Peyote einen Altar errichtet. Die Pilger, die noch nüchtern waren, haben lange gebetet und danach haben sie Tabakblätter gegessen. Das hat sie sehr geschwächt, und Großvater Feuer, der ihr Führer und Hauptmann war, hat sie von der Abstinenz befreit und hat ihnen erlaubt, daß sie Peyote aßen, um sie zu retten.
Endlich kamen sie zum Haus der Stuluwiakame, der Mutter des Hirsch-Peyote. Hier haben sie atole zum Essen bekommen. Am folgenden Morgen hat Großvater Feuer den Kauymáli um eines von seinen magischen Hörnern des Hirsch-Peyote gebeten. Das ist auf einen Teller Gottes gelegt und dem Hirsch als Ersatz geschenkt worden. Dann ist der Peyote von allen gegessen worden, obwohl nur die sehr starken Männer ihn essen konnten, ohne daß sie die Gefahr auf sich nahmen, verrückt zu werden. Um dies zu vermeiden, hat Stuluwiakame die für den Peyote verwandten Schalen mit heiligem Wasser besprengt.
Auf seinem hohen Sitz hat Großvater Feuer zusammen mit Kukumane und mit den Göttern des Regens, die die unterirdischen Gegenden bewohnten, heilige Hymnen gesungen. Danach entschieden die Götter des Regens, daß sie eine Pilgerfahrt in das Land des Peyote machen würden. Sie kamen dorthin, als die Freunde der Sonne ihre Zeremonien feierten. Die Götter des Regens haben den Peyote gegessen, aber wegen seiner Stärke sind sie betrunken und sehr schwach geworden.
Nun, da der Hirsch-Peyote gefangen worden war, war die Sonne dazu fähig, den Mond, der bis dahin ganz allein der Welt das Licht gegeben hatte, zu ersetzen. Aber man mußte eine größere Zahl von Hirschen töten, damit die Sonne aufging. Deswegen sind die Klapperschlange, der Kolibri und andere jagen gegangen. Die Götter des Regens, die wegen des Peyote noch betrunken waren, konnten nicht verstehen, wer so viele Hirsche gefangen haben könnte. Endlich hat Kauymáli ihnen erzählt, wer es getan habe. Die noch betrunkenen Götter näherten sich dem Altar der Feier. Plötzlich hat einer von ihnen, Palikata, der erste Bruder, der Schützer der Hirschjagd, die Pfeile und alle anderen ihm und den anderen Geschwistern von der Maus gestohlenen Gegenstände gesehen. Alle haben sich sehr geärgert. Sie haben die Pfeile genommen und gegen die Leute der Sonne geschossen. Sie haben viele verwundet und die anderen aber fliehen lassen. Großvater Feuer hat dem Volk der Sonne befohlen, daß sie viele Pfeile aus Brasilholz machten, um sie der Sonne zu schenken. Nach dieser glücklichen Hirschjagd konnte die Sonne zum erstenmal am Himmel aufgehen. Großvater Sonne hat den Göttern des Regens befohlen, daß sie der Sonne einen Namen gäben, aber diese, die nur daran gewöhnt waren, das Licht des Mondes zu sehen, haben im Streit mit dem Volk der Sonne nicht siegen können. Am Ende hat eines der Geschöpfe der Sonne, der Truthahn, der Sonne einen Namen gegeben, indem er seinen Schrei, »tau, tau, tau!«, ausrief. Um den Lauf der Sonne, der noch unregelmäßig war, zu regeln, hat ihr Volk Opferschalen geformt. Um sich nachts vor den wilden Tieren zu schützen, haben sie Pfeile, Schilder, Stühle für die Schamanen, göttliche Teller, teapali, und Kerzen gemacht.
Alle haben Hirschfelle angezogen und dem Tatevali geweihte tamales geschenkt, indem sie sie ins Feuer warfen und dabei beteten. Die tamales sind in Peyotes verwandelt worden. Dann sind die Peyote-Jäger zu ihrem Volk, das im Gebirge war, zurückgekehrt. Um ihren Peyote zu tragen, haben sie Traglasten von Lasttieren benutzt. Mit fünf mit Peyote beladenen Eseln führte Großvater Feuer ihren Weg an. Der Peyote war in indianischen Körben. Auf dem Weg sind die Pilger an einem Ort stehengeblieben, wo sie ihr erstes zeremonielles Bad machen konnten. Hier haben sie Gebete an die Mutter, Stuluwiakame, gerichtet, damit sie ein langes Leben erreichten, und ihr Gebet ist erhört worden. Nach zwei Wochen Reise waren sie nicht mehr weit entfernt von ihren Häusern. Großvater Feuer ist ihnen vorausgegangen, um zu sehen, ob die Angehörigen der Pilger, die ihre Lieben im Tempel erwarteten, ihre Gelübde einhielten. Als er ankam, sah er, daß ein Altar im Tempel aufgestellt worden war, und alle Angehörigen der Pilger brachten Peyote dar. Bald waren alle betrunken, und sie haben erzählt, was geschehen sei, während die Jäger weg waren. So konnte Großvater Feuer mit Sicherheit wissen, daß sie ihr Gelübde gehalten hatten. Nach kurzer Zeit sind die Pilger angekommen, in den Tempel hineingegangen, und sie haben ihre Ladung Peyote auf den Altar gelegt. Dann mußten die Felder gerodet werden, damit man säen konnte. Dieses Pflügen mußte gemacht werden, ehe man die Abstinenz vom Salz und vom Geschlechtsverkehr unterbrach, denn die Pilger waren heilig, solange sie sich enthielten. Nach dem Pflügen der Felder sollte man einen Hirsch fangen und töten; so haben sich die Jäger darauf vorbereitet, die Enthaltsamkeit zu unterbrechen. Sie haben sich das Gesicht bemalt und die eigenen Angehörigen mit aus dem Land des Peyote gebrachtem heiligem Wasser gewaschen. Der Sänger, der während der Pilgerfahrt den Tempel überwacht hatte, hat den Gesang des Peyote angestimmt. Danach folgte der Tanz des Igelkaktus. Während dieses Tanzes haben fünf Jungen so stark mit den Füßen gestampft, daß die Götter des Regens, die im Meeresgrund lebten, den Laut von ihren Sandalen hören konnten. Als der Tanz zu Ende war, ist die Enthaltsamkeit abgebrochen worden; man hat in der Brühe des Hirsches, der geschlachtet worden war, Salz essen dürfen. Nachdem sie an einem großen Umzug nach der...