Einleitung

Das Corona-Virus hat die Welt erschüttert. Aber vielleicht hat es auch den einen oder anderen wachgerüttelt. Die Einstellung »es kann nicht weitergehen wie bisher« ist eine gute Ausgangslage. Dabei gebe ich Ihnen recht, dass es sicherlich nicht noch ein weiteres Buch über Kapitalmärkte und Finanzen braucht, das von Fachleuten für Fachleute geschrieben wurde und somit den größten Teil der Menschen außen vor lässt.

Was es aber braucht, ist ein Buch, das zum ersten Mal die Funktionsweise von Kapitalmärkten in einer Sprache erklärt, welche die Menschen verstehen. Denn Märkte sind für Menschen da. Dessen sind sich aber 90 Prozent der in Deutschland Lebenden nicht bewusst. Noch immer lassen sich zu viele die Butter vom Brot nehmen, wenn es um ihr Geld geht. Der Grund: ein vollkommen falsches Verständnis davon, welche Aufgaben Kapitalmärkte eigentlich haben und wie jeder davon profitierten kann. Und damit meine ich wirklich jeden. Denn jeder Cent zählt. Jeder Cent ist Geld und jeder Cent bezahlt Rechnungen.

Und wie das aussieht, dazu zum Einstieg ein Beispiel aus meinem Alltag:

Es ist Oktober, wir schreiben das Jahr 2018. Seit ich die 40 überschritten habe, schaue ich alle zwei Jahre bei meinem Hausarzt vorbei, um mich durchchecken zu lassen. Es gibt da keine familiären Dinge, keine möglichen Gefahren, aber ich fühle mich so besser. Ich stehe daher in diesem Oktober - es ist ein ziemlich freundlicher Tag - am Tresen, um mich anzumelden. Vor mir ein älterer Herr. Ich schätze ihn auf etwa 70 Jahre.

Die Arzthelferin erklärt ihm, was ihn bei der Untersuchung erwartet. Er nickt. Dann fügt sie freundlich lächelnd an, was er zusätzlich noch als Absicherung bekommen könnte. Es ist offensichtlich, dass sie ihn sympathisch findet. Vielleicht ist er öfter hier, geht es mir durch den Kopf.

Sie erklärt ihm also die Möglichkeit einer Zusatzuntersuchung. Er schüttelt den Kopf. »Wenn die Krankenkasse diese Kosten nicht übernimmt, muss ich verzichten«, sagt er. Die Arzthelferin schaut traurig und ich will meinen Ohren nicht trauen. Die freundliche Dame hinter dem Tresen versucht es weiter: »Aber Herr Meier, vielleicht kann Ihnen jemand die 39 Euro leihen.« Der Mann schüttelt erneut den Kopf. »Nein, aber danke für das Angebot.« Dann geht er Richtung Wartezimmer und ich senke den Blick. Nicht nur aus Scham, weil ich eben rund das Doppelte nach dem Tanken unseres Familienkombis bezahlt habe, sondern auch, weil ich mich frage, wie es so weit kommen konnte.

Auch auf der Fahrt nach Hause bin ich immer noch fassungslos. Wir leben in einem der wohlhabendsten Länder der Welt und ein Rentner muss auf eine Untersuchung verzichten, weil sie 39 Euro kostet? Was ist schiefgelaufen in unserer Gesellschaft? Ältere Menschen bessern mittlerweile durch das Sammeln von Pfandflaschen ihre Rente auf. Und die Zahl der Rentner unter den Wartenden vor den Stellen der Berliner Tafel beträgt mittlerweile mehr als 25 Prozent.2 Dabei haben die meisten dieser Menschen 40 Jahre und mehr gearbeitet. Haben in dieser Zeit jeden Monat in die Rentenkasse eingezahlt - im guten Glauben daran, dass sie so im Alter abgesichert sind.

Doch die Realität zeigt, das ist ein Trugschluss. Die Studie »Entwicklung der Altersarmut bis 2036« der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2017?3 zeigt auf, dass bald jeder fünfte Rentner von der Armut im Alter betroffen sein wird. Das sind erschreckende Zahlen. Es sind Zahlen, die mir Angst machen. Und wütend machen sie mich obendrein, denn das alles müsste nicht sein. Wenn die Menschen endlich anfangen würden, sich selbst um ihr Geld zu kümmern, und die Chancen nutzen würden, welche die freien Kapitalmärkte ihnen bieten. Die heißen nämlich nicht umsonst »frei«. Sie stehen jedem offen, man muss nur den Schritt wagen. Die meisten Menschen sind sich dessen aber gar nicht bewusst, weil sie es schlicht bislang nie gesagt bekommen haben. Das hat nichts mit fehlender Intelligenz zu tun, sondern es wurde uns einfach nicht beigebracht. Die meisten Menschen in Deutschland wissen nicht, welche einfachen Wege uns zur Verfügung stehen, um unsere finanziellen Möglichkeiten zu verbessern.

In diesem Buch werde ich die Funktionsweise von Kapitalmärkten in eine einfache Sprache übersetzen. Ich möchte aufzeigen, dass das mit der Geldanlage und dem Investieren um einiges weniger komplex ist, als Finanzindustrie und Medien das gerne darstellen. Ich will, dass sich die mündigen Menschen in unserer Gesellschaft nicht mehr vom Staat und der Finanzindustrie vorbeten lassen, was das Beste für ihr Geld ist. Ich will, dass jeder selbst entscheiden kann, was zu ihm passt. Ich will Individualität und Erfolg in den Fokus rücken, weg von den schlechten Nachrichten, wie Menschen aus Unwissenheit keine oder vollkommen falsche Anlageentscheidungen treffen und dann im schlimmsten Fall Pfandflaschen sammeln müssen.

Für mich ist das Wichtigste im Leben der Mensch. Daher mein Wunsch für uns alle, mein Wunsch für jeden Einzelnen von uns: Lassen Sie uns gemeinsam das Thema Altersvorsorge und Geldanlage unter einem neuen Blickwinkel betrachten. Benennen wir es dafür am besten zunächst einmal um und nehmen wir ihm das Erschreckende. Verzichten wir auf das »Alter«. Das suggeriert diesen Hauch von verbraucht, verstaubt, vom baldigen Ende. »Alter« fühlt sich heute anders an als bei den Generationen vor uns. Die Lebensumstände lassen uns heute länger und vor allem vitaler leben. Das Wort »Vorsorge« ist zudem durch die Medizin besetzt. Krebsvorsorge oder allgemein medizinische Vorsorge lösen bei uns keine Freudensprünge aus. Es sind lästige, sich wiederholende Vorgänge, um die wir nicht herumkommen.

Nennen wir also das, was wir zukünftig mit unserem Geld anstellen werden, ab sofort »Wohlstandsanlagen«. Sie werden schnell merken, was allein diese kleine Veränderung im Denken in Ihnen auslösen wird. Wohlstandsanlagen sind finanzielle Ansparungen und Investitionen, die Sie sich während des (Arbeits-)Lebens aufbauen, um damit in naher oder eben etwas weiter entfernter Zukunft - je nachdem, wann Sie beginnen - weiterhin den von Ihnen selbst gewählten Lebensstil genießen zu können. Und ich sage dabei bewusst, den von Ihnen selbst gewählten. Das Gros der Rentner lebt nämlich ein Leben, das nichts mehr mit den Wünschen der Vergangenheit gemein hat. Minimaler Wohnraum, kaum etwas zu essen. Die Mobilität ist aufgrund von fehlendem Geld eingeschränkt und ja, Untersuchungen, die wichtig - in manch einem Fall sogar überlebenswichtig - wären, sind nicht bezahlbar. Urlaub ist eine Wunschvorstellung und nicht einmal den Enkeln können Oma oder Opa zum Geburtstag eine kleine Freude machen.

Aber auch schon in anderen Lebensabschnitten spielt dieses Thema eine Rolle. Wie viele Eltern können ihren Kindern aufgrund fehlender finanzieller Ressourcen nicht die gewünschte Ausbildung ermöglichen? Auch hier spielen die Entscheidungen bei Geldanlagen eine elementare Rolle. In Ländern, die das Thema besser angehen, sparen und investieren Eltern in College- und Universitätsfonds, um später ihren Kindern die besten Ausbildungen zu ermöglichen.

Bei der Geburt von Kindern werden in anderen Ländern von den Großeltern Fondssparpläne abgeschlossen, die bis zur Volljährigkeit beeindruckende Summen produzieren. Wir in Deutschland eröffnen stattdessen Sparbücher mit mickrigen Zinsen, die im selben Zeitraum wegen der Inflation sogar noch an Wert verlieren.

Das ist also die Ausgangslage. Eine Situation, die verbessert werden kann. Seit mehr als 25 Jahren arbeite ich in der Finanzindustrie - national und international. Und ich liebe meinen Job. Ich habe unglaublich viel erlebt und zahlreiche Erfahrungen gesammelt und will keine Minute missen. Ich kenne die Industrie aus jedem Blickwinkel. Anfang 2020 habe ich dann zwei eigene Unternehmen gegründet mit der Mission, Deutschland zu einem besseren Platz für Anleger und Finanzberater zu machen. Ich will mein Wissen und meine Erfahrung mit den Menschen, aber auch der Finanzindustrie teilen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir uns gemeinsam weiterentwickeln können und alle Beteiligten von der wertschöpfenden Kraft freier Märkte profitieren werden.

Der Ruf der Finanzindustrie ist nicht glorreich und mit Lobeshymnen gesegnet. Leider hat die Finanzindustrie irgendwann einmal ihre zentrale Funktion vergessen: die Aufgabe, den Menschen bei ihren Finanzen zu helfen. Anstatt den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und Dienstleister zu sein, wurden aus den Unternehmen Vertriebsmaschinen. Es ging nur noch darum, Produkte zu verkaufen und so viel wie möglich an Gebühren und Provisionen zu verdienen. Der Mensch, der Kunde blieb und bleibt hier...