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Christopher starrte auf die fußballgroße, schwarze Kugel, die ein paar Handbreit über dem Abhang schwebte, so, als sei dies das Normalste auf der Welt. Feine Rillen durchzogen ihre Oberfläche und ließen sie im Halbschatten der Mangobäume glitzern. Der Wind frischte auf. Er zeichnete Muster in das hohe Gras der Savanne, doch die Kugel stand noch immer regungslos in der Luft.
Christophers Augenbrauen zogen sich zusammen. Ihm schien es, als wollte ihn an diesem Sonntag die ganze Welt verhöhnen. Widerwillig nur war er Mtoto gefolgt, als das Mädchen vor ein paar Minuten an die Tür seiner Basthütte gehämmert und atemlos von einer schwebenden Kugel berichtet hatte. Christopher hatte das natürlich für Unfug gehalten. Doch da Mtoto eine seiner besten Schülerinnen war, konnte er schlecht nein sagen, selbst wenn der Zeitpunkt ungünstig war. Seine Freundin Max und er hatten sich ein paar vielsagende Blicke zugeworfen, waren Mtoto dann aber in die grelle Nachmittagssonne gefolgt.
Das Mädchen hatte sie aus dem Dorf geführt, vorbei an den Maisfeldern, hin zu einem lichten Mangohain, in dem sie oft mit ihrem Bruder spielte und an dessen Rand sich ein kleiner Bach tief in die Erde eingeschnitten hatte. Der letzte Regenguss hatte hier besonders kräftig gewütet. Die Blätter der Bäume glitzerten, zahlreiche Pfützen sprenkelten den rostroten Boden. In einer von ihnen trieb achtlos der kleine Stoffball, mit dem die Kinder wohl eben noch gespielt hatten.
Ein paar Meter weiter, am Bach, war es zu einem Erdrutsch gekommen. Eine Halde aus Lehmbrocken staute das Schlammwasser hüfthoch auf und hinterließ am Steilufer ein Loch von der Größe eines Kleinwagens. Und just dort schwebte nun diese Kugel, völlig bewegungslos, als wäre sie im Boden vergraben gewesen, bloß darauf wartend, endlich freigelegt zu werden.
Zu viert standen sie an der Abbruchkante: Christopher, Max, Mtoto und ihr Bruder, neun und vierzehn die beiden, jeweils mit einem Azonto, einem neumodischen Mix aus Afro und Rastalocken, der bei Mtoto halb unter einer giftgrünen Baseballkappe verschwand. Sie alle starrten auf das Ding unter ihnen.
Christopher empfand die absolute Ruhe der Kugel als verstörend. Unnatürlich. Beängstigend. Als wollte sie ihn damit provozieren - und sich nebenbei mal eben über die Grundgesetze der Physik lustig machen. Nichts auf der Welt konnte so ruhig in der Luft stehen, erst recht nicht bei diesem Wind. Und dennoch schwebte dieses Ding hier vor ihnen. Vielleicht wurde es ja von hauchdünnen Fäden an Ort und Stelle gehalten? Christopher kniff die Augen zusammen. Er konnte keine erkennen. Er tastete über der Kugel in der Luft herum, stets darauf bedacht, ihr nicht zu nahe zu kommen. Nichts. Oder hatte es etwas mit Magneten zu tun?
Er fragte sich, woher die Kugel überhaupt gekommen war, ausgerechnet hier, im Nirgendwo Südosttansanias.
Aus den Augenwinkeln sah Christopher zu Max hinüber. Ihr brauner Pferdeschwanz wippte hin und her, als sie den Kopf schüttelte, fast unmerklich zunächst, dann immer schneller. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen.
»Na, sieh mal einer an«, sagte sie an die beiden Kinder gewandt. »Ihr zwei hattet recht. Das ist tatsächlich eine beeindruckende Entdeckung.«
Christopher war sprachlos. Wie schaffte sie es nur, bei so etwas derart souverän zu bleiben? Zugleich war er von sich selbst überrascht, wie sehr er sie dafür bewunderte.
Mtoto sah empört zu Max hoch. »Natürlich hatten wir recht, Frau M'x.« Sie verschluckte das »ä« in der englischen Aussprache von »Max«, wie es viele Suaheli-Sprecher taten. »Wir würden Sie nie stören, außer es ist was ganz Wichtiges!«
Ihr Bruder beugte sich derweil etwas weiter über die Kante.
Max runzelte die Stirn. »Sei bitte vorsichtig, Kukinga.«
Christopher beobachtete Max eingehender. Sie war normalerweise ganz und gar nicht der Typ, der andere zur Vorsicht mahnte.
Ihre Worte zeigten Wirkung. Widerwillig machte der schlaksige Junge einen Schritt zurück und knabberte dann auf seiner Unterlippe herum, sichtlich bemüht, sein Temperament im Zaum zu halten. Mtoto gab ihm einen Kuss auf die Wange, als wolle sie ihn damit unterstützen. Kukinga ließ es geschehen - völlig untypisch für einen Jungen am Beginn der Pubertät, wie Christopher sie dutzendfach aus seinen Klassen kannte. Christopher wusste allerdings auch, dass die beiden eine besondere Historie hatten. Vor etwa einem Jahr, kurz bevor Max und er New York den Rücken gekehrt hatten, um an dieser kleinen Dorfschule im Herzen Afrikas einen Neuanfang zu wagen, hatten die beiden ihre Eltern verloren - Christophers und Max' Vorgänger im Amt. Seitdem kümmerte sich Kukinga um Mtoto. Er war alles, was sie noch hatte. Und vielleicht war deshalb ihr Verhältnis so innig.
Max schien zu spüren, dass Christopher sie musterte. Sie sah in seine Richtung, doch als sich ihre Blicke trafen, senkte sie rasch den Kopf. Ihr Lächeln verschwand und wurde prompt durch ein anderes, künstliches ersetzt, das vor allem für die Kinder gedacht war, die Traurigkeit in ihren Augen aber nicht verbergen konnte. Christopher zuckte innerlich zusammen. Mit einem Schlag kam alles zurück, was die Kugel zwischenzeitlich verdrängt hatte.
»Herr Christopher?« Mtoto zerrte an einem Zipfel seiner Leinenhose und sah ihn dabei mit großen Augen an. »Was machen wir denn jetzt?«
Obwohl ihm nicht danach zumute war, musste Christopher lachen. Als ob er das wüsste!
Er strich mit Daumen und Zeigefinger durch seinen nicht vorhandenen Bart. »Wir gehen genauso vor, wie ich es euch in der Schule beigebracht habe«, sagte er schließlich mit gespielter Begeisterung. »Wir beobachten und dokumentieren die Kugel jetzt ganz exakt und schauen, ob wir so etwas über sie in Erfahrung bringen können.«
Kukinga stöhnte ein bisschen, aber Mtoto nickte eifrig. Der Anflug eines echten Lächelns huschte über Max' Gesicht. Doch Christopher selbst war ganz und gar nicht wohl zumute. Er beäugte die Kugel. Für einen Moment glaubte er, die Rillen in ihrer Oberfläche pulsieren zu sehen. Christopher kniff die Augen zusammen. Nein, es musste Einbildung gewesen sein. Da war nichts.
Er stemmte seine Hände in die Hüften und schaute zu den beiden Kindern herab. »Noch wissen wir nicht, was es ist. Es könnte giftig sein oder vielleicht so etwas wie eine Mine! Das heißt, ihr werdet das Ding auf gar keinen Fall berühren, versprochen?«
»Versprochen«, sagte Mtoto.
Kukinga sah nicht zu ihm auf, aber auch er nickte.
Max berührte Mtoto leicht an der Schulter. »Komm, wir schauen mal, ob wir in den Lehmbrocken da unten noch andere merkwürdige Dinge finden.«
Max stieg über die Kante und versuchte, mit ihren Sandalen zwischen Erde und Gras etwas Halt zu finden. Mtoto sprang kichernd hinterher. Eine Hand am Abhang, rutschten und kletterten sie die paar Meter bis zu dem kleinen Stausee, der durch den Erdrutsch entstanden war.
Christopher wandte sich an Kukinga. »Und wir beide filmen die Kugel und dokumentieren damit unseren Fund.«
Kukinga rieb sich vor Aufregung die Hände. Christopher kramte nach seinem Smartphone und betätigte den Aufnahmeknopf der Videokamera. Doch als er die Linse auf die Kugel richtete, bemerkte er, dass Kukinga sich einen dünnen, knapp zwei Meter langen Ast geschnappt hatte - und diesen nun mit ausgestrecktem Arm waagerecht über die Kugel hielt, so nah, dass die Spitze des Astes nur ein paar Zentimeter über ihrer Oberfläche schwebte.
»Kukinga!«, rief Christopher.
Aber es war zu spät. Noch bevor die Spitze des Astes sie berührte, gerade in dem Moment, als das rote Aufnahmelicht der Kamera aufleuchtete, veränderte sich die Kugel. Ein gleißender Punkt aus purem Licht brach von innen durch ihre Oberfläche. Am Fuß des Abhangs japste Mtoto auf und verzerrte das Gesicht, als würde ihr die schiere Helligkeit bereits Schmerzen bereiten. Weitere Punkte, dann ganze kleine Bereiche der Kugel begannen zu schimmern und schließlich weiß zu glühen. Unter ständigem Pulsieren breiteten sich diese Flecken weiter aus, wurden kräftiger und vereinigten sich miteinander, so dass letztlich die gesamte Oberfläche blendend hell leuchtete. Innerhalb weniger Augenblicke floss diese Hülle aus purem Licht nun an der Kugel entlang nach unten und sammelte sich dort in...
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