Schweitzer Fachinformationen
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Unsere Erde hat einen Durchmesser von rund 12 000 Kilometern. Der Mutterboden, die fruchtbare Erde, auf der alles wächst und gedeiht, ist eine im Durchschnitt 20 bis 30 Zentimeter tiefe Schicht. Nur an sehr wenigen Stellen der Landfläche unserer Erde ist diese Schicht einige Meter dick. 30 Zentimeter entsprechen in etwa dem 40-millionsten Teil des Erddurchmessers. Von dieser dünnen Schicht hängt das Leben der Menschen auf unserem Planeten ab. Denn 95 Prozent unserer Nahrungsmittel stammen direkt oder indirekt aus dem Mutterboden. Verlieren wir durch einen rücksichtslosen Umgang mit der Natur das bisschen fruchtbaren Boden, den wir haben - oder auch nur die dem Boden innewohnende Lebendigkeit -, geht das Zeitalter des Menschen zu Ende.
Ohne die 30 Zentimeter fruchtbaren Boden würde es die Erde weiterhin geben, aber uns Menschen nicht.
Obwohl ich mich ein Leben lang mit Landwirtschaft und Landtechnik beschäftigt habe, wurde mir dieser Zusammenhang erst vor wenigen Jahren in seiner ganzen Tragweite bewusst. Es steht heute nicht weniger auf dem Spiel als das Ergebnis einer Evolution von Jahrmillionen. Auch ohne fruchtbaren Boden, ja selbst ohne uns Menschen würde es auf der Erde weiter Leben geben. Doch in der Natur strebt jede Art nach ihrer Erhaltung, so auch der Mensch. Wenn wir als Menschheit überleben wollen, sollten wir begreifen, warum die Evolution uns an den Punkt gebracht hat, an dem wir heute stehen. Wir sollten außerdem verstehen, was die fruchtbare Erdschicht braucht, damit wir noch über viele Generationen alles zum Leben Nötige von ihr bekommen. Dazu ist es nötig, anders zu denken und zu handeln als während der letzten 10 000 Jahre unserer Geschichte. Vor allem müssen wir endlich lernen, gemeinsam zu handeln. Der Mensch ist Teil der Natur.
Die ältesten Vertreter der Gattung Mensch lebten vor über zwei Millionen Jahren in kleinen Gruppen und ernährten sich von dem, was die Natur ihnen schenkte. Auch der Homo sapiens, den es nach neuesten Forschungsergebnissen seit etwa 300 000 Jahren gibt, machte es zunächst kaum anders als seine Vorfahren. Die Menschengruppen pflückten Früchte und gruben essbare Wurzeln aus, um sich zu ernähren. Ab und zu jagten sie auch einmal ein Tier, um dessen Fleisch über dem Feuer zu garen und anschließend zu verzehren. Es ist anzunehmen, dass jede Gruppe alles miteinander teilte, denn ein ausgeprägter Individualismus wäre dem Überleben nicht dienlich gewesen. Für einen solchen »Lebensstil« brauchte man nicht 40 oder 50 Stunden die Woche zu arbeiten, wie es in unserer heutigen Zivilisation üblich ist. Forscher schätzen, dass den Urmenschen wenige Stunden am Tag genügten, um alles zusammenzusuchen und zu verarbeiten, was sie zum Leben brauchten. Waren die Ressourcen einer Gegend verbraucht, zog eine Gruppe weiter. Sesshaft wurde der Homo sapiens erst einige hunderttausend Jahre später.
Bereits die Urmenschen waren in der Lage, Teile ihrer natürlichen Umwelt zu zerstören.
Die Evolution kennt keinen Stillstand. Wir können davon ausgehen, dass bereits die ersten Menschen unserer Gattung nach einer ständigen Optimierung ihrer Lebensverhältnisse strebten. Ihre aus unserer heutigen Sicht primitiven Werkzeuge und Behausungen wurden über die Jahrtausende immer ausgefeilter und raffinierter. Ab einem bestimmten Punkt war der Mensch dann leider auch in der Lage, größere Teile seiner natürlichen Umwelt zu zerstören, zum Beispiel durch Brandrodung. Mit der zunehmenden Beherrschung der Natur wuchs gleichzeitig auch die Intelligenz des Menschen. Einen Durchbruch bedeutete vor etwa 70 000 Jahren die Entwicklung der Sprache. Ab jetzt konnten die Menschen ihr Wissen in Form von Erzählungen teilen und damit von Generation zu Generation weitergeben und vermehren. Man nennt diesen Einschnitt in der Geschichte der Menschheit auch die kognitive Revolution.
Sie bildete die Basis für eine noch viel folgenreichere Umwälzung in unserer evolutionären Entwicklung: die landwirtschaftliche Revolution. Vor etwa 10 000 Jahren begannen unsere Vorfahren, in größeren Verbänden zu leben, Städte zu errichten und ihr Sozialleben hierarchisch zu organisieren. Die Basis dafür bildeten Erzählungen, die einer kleinen Elite die absolute Macht verliehen. Diese ersten Gesellschaften konnten sich nicht mehr allein von dem ernähren, was die Natur ihnen anbot. Die Menschen hatten jedoch inzwischen gelernt, Pflanzen anzubauen und Tiere zu züchten. Die Landwirtschaft war geboren und sicherte das Überleben immer größerer Völker und Reiche. Nur aufgrund der Landwirtschaft konnte die Bevölkerung auf unserem Planeten überhaupt exponentiell wachsen. Lebten zur Zeit der nicht sesshaften Jäger und Sammler höchstens eine Million Menschen auf der Erde, so sind es aktuell mehr als acht Milliarden.
Der verheerende Fehler der alten Kulturen war es, keine Rücksicht auf die Bodengesundheit zu nehmen.
Auf den ersten Blick erscheint dies wie eine ungetrübte Erfolgsgeschichte. Während meiner Schulzeit und in meinem Studium habe ich es auch nie anders gelernt. Heute weiß ich: In der Landwirtschaft machten bereits die Kulturen des Altertums den verheerenden Fehler, keine Rücksicht auf die Bodengesundheit zu nehmen. Ohne gesunde Böden können jedoch nirgendwo auf der Welt immer wieder gesunde Pflanzen nachwachsen. Die Menschen verstanden nicht, dass der Boden, die Pflanzen und Tiere und auch ihre eigenen Körper das Ergebnis einer Evolution über Millionen von Jahren waren und das Zusammenspiel zwischen den Akteuren auf einem empfindlichen Gleichgewicht beruhte. Um ihren Traum von mächtigen Reichen und faszinierenden Städten zu verwirklichen, setzten die Menschen jene 30 Zentimeter tiefe Schicht aufs Spiel, die allein ihr Überleben garantierte. Sie pflügten die Erde, um leichter säen zu können, und zerstörten damit ungewollt das Wunderwerk der Natur namens Boden. Untergehende Zivilisationen waren stets aufs Neue das Resultat. Babylon ist heute eine Ruinenstadt und die fruchtbaren Felder an Euphrat und Tigris sind schon vor langer Zeit zu Wüsten geworden. Insgesamt sind bisher mehr als 20 Zivilisationen an der Art und Weise zugrunde gegangen, wie sie Landwirtschaft betrieben und Nahrungsmittel erzeugten.
Seit 10 000 Jahren ist eine falsch betriebene Landwirtschaft die tickende Zeitbombe für das Überleben der Menschheit. Die Landwirtschaft ernährt heute zwar mehr Menschen als je zuvor, riskiert jedoch gleichzeitig die Zerstörung ihrer eigenen Grundlagen in einem ganz neuen Ausmaß. Wir Menschen waren so fasziniert von der Möglichkeit, immer größere Felder zu bestellen und immer mehr Tiere auf Weiden und in Ställen zu halten, statt sie mühsam jagen zu müssen, dass wir uns nie gefragt haben, wie die Natur es eigentlich anstellt, alles Leben zu erhalten und es gleichzeitig evolutionär weiterzuentwickeln. Als Ingenieur für Landtechnik habe auch ich mir diese Frage jahrzehntelang nicht gestellt. Wenn ich heute im Urlaub in den Dolomiten bin und sehe, wie selbst aus den winzigsten Felsritzen etwas wächst - obwohl man meinen könnte, da wäre nichts als Stein -, kommt es mir fast so vor, als nähme ich das Wunder des Lebens zum ersten Mal bewusst wahr.
Erosion durch Wind und Wasser und Verlust der eigenen Lebendigkeit setzen dem Boden doppelt zu.
Keine der alten Kulturen hatte die Bodenerosion als Bedrohung auf dem Schirm. Doch viele sind an ihr zugrunde gegangen - und nicht an militärischen Niederlagen. Als das Römische Reich unterging, wurde bereits zehnmal mehr Ackerland benötigt, um eine römische Familie zu ernähren, als zur Zeit seiner Hochblüte. Heute ist unsere globale Zivilisation erneut durch Bodenerosion in ihrem Fortbestand gefährdet. Was die Grundlage unseres Lebens angeht, die fruchtbare Erde, haben wir seit dem Altertum wenig dazugelernt. Man muss hier wissen, dass es zwei Arten von Erosion gibt: Die erste ist das Abtragen des Mutterbodens durch Wind und Wasser, die zweite die Zerstörung des Lebens der Kleinlebewesen und Mikroorganismen in der fruchtbaren Erdschicht, vor allem durch das Pflügen. Indem die Landwirtschaft die Böden wochenlang unbedeckt lässt, setzt sie diese Wind und Wasser aus. Durch die Zerstörung der Lebendigkeit des Bodens vernichtet sie zusätzlich dessen Widerstandskraft und Regenerationsfähigkeit. Auch ist degenerierte Muttererde nicht in der Lage, wirklich gesunde Nahrung zu erzeugen.
Es ist bezeichnend, dass Charles Darwin, der Begründer der modernen Evolutionsforschung, sich in ausgiebigen Studien mit dem Boden und den in ihm enthaltenen Lebewesen befasst hat. Darwin erkannte die Bedeutung des Lebens unter der Erdoberfläche für das Leben auf ihr. Er sah bereits die Ganzheit der Evolution des Lebens, in der ein einzelner Teil sich nur im Zusammenspiel mit allen anderen Teilen weiterentwickeln kann. Leider reduzieren wir das Werk von Charles Darwin heute oft auf wenige seiner Aussagen. Diese werden zudem aus dem...
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