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Erste Lüge:
Startups sind ein bedeutender Wirtschaftsfaktor
Was ist ein Startup?
Klar doch, Startups sind Triebfedern der Wirtschaft, so heißt es stets. Immerhin soll, je nach Quelle, rund eine Milliarde Euro pro Jahr in Startups gepumpt werden. Dass im Silicon Valley dreißig Mal so viel Geld auf wenigen Quadratkilometern verbrannt - ähm, investiert wird, sei nur nebenbei erwähnt.
Alle Welt redet von Startup, alle Wirtschaftswelt will so sein wie ein Startup. Was aber ist das eigentlich?
Man nehme eine Idee, setze sich in eine Garage, sammle eine Handvoll Dollar - und fertig ist das Startup. So in etwa könnte die Do-it-yourself-Kurzanleitung lauten.
Die grundsätzliche Idee hinter einem Startup ist so schlecht nicht: Denn es geht um die Gründung eines Unternehmens, das mit einer innovativen Idee ein skalierbares Geschäftsmodell etablieren kann. Der Begriff, logisch, kommt aus dem Englischen, »to start up«, also etwas in Gang setzen, gründen.
Ein Startup zeichnet aus, dass es im Idealfall einen komplett neuen Markt erfindet, dass es dort flache Hierarchien gibt, schnell gehandelt wird und stets frisches Geld von Gläubigern kommt. Für Financiers ist ein Startup eine Art Spielchip im Roulette innovativer Ideen von jungen Teams.
So hoffen alle auf das große Geld. Darauf, dass sie bald zu den Einhörnern zählen, den Unicorns, wie Startups mit einer Marktbewertung von über einer Milliarde US-Dollar heißen, seit dem zweiten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts. Weltweit gibt es laut Wirtschaftswoche (Juli 2018) 249 Einhorn-Startups. Dazu zählen Urgesteine der Startup-Szene, also Google, Facebook, Airbnb, Salesforce und Uber, aber auch Amazon und Tesla. Fast die Hälfte aller Unicorns, 116, stammt aus den USA.
Startups ändern die Gesellschaft. Haben sie schon verändert und werden sie weiterhin umkrempeln. Von digitaler Transformation ist die Rede, von Disruption. Doch nicht alles, was Startup ist, ist Transformation, nicht alles, was gut ist, ist Disruption. Eine disruptive Denkweise ist wünschenswert, ja, in jedem Unternehmen bei jedem Prozess: Alles mal hinterfragen, mit ganz anderen Augen sehen, also offen sein für komplett andere Sichtweisen. Um möglicherweise zu komplett anderen Geschäftsideen zu kommen.
Disruption allerdings geschieht bei den wenigsten Unternehmen von innen heraus. Meist sind es komplett andere Menschen oder, ja, Startups, die jahrhundertealte Ordnungen zerstören, um eine neue, oft positive Veränderung herbeizuführen. Tesla disruptiert steinzeitalte Motorentechnik. Airbnb disruptiert das völlig veraltete Hotelwesen. Uber das Taxigeschäft. Und so ist es die Angst etablierter Unternehmen in etablierten Branchen, die die Disruption der eigenen Geschäftsidee fordert. Alles muss anders werden, alles, was seit Hunderten von Jahren gemacht wird, muss nun neu gedacht werden. Oft ist das höchste Zeit, und oft ist das eine Falle - zu oft.
Nochmals zurück zur Definition von Startups: Wie grenzt man sie von gewöhnlichen Unternehmensgründungen ab? Allgemein gilt (etwa nach der Definition im Startup Monitor 2018):
Startups sind jünger als zehn Jahre.
Startups sind mit ihrer Technologie und/oder ihrem Geschäftsmodell hoch innovativ.
Startups weisen ein signifikantes Mitarbeiter- und/oder Umsatzwachstum auf oder streben es an.
Es ist eine Zeit der Veränderungen, über die man überall liest, von der man allerorts hört. Diesen Veränderungen können viele Menschen nicht mehr folgen. Insbesondere viele Manager kommen dabei außer Atem, ohne je gespurtet zu sein. Aber sie wollen dabei sein, leben mit dem latenten Gefühl, etwas zu versäumen, und mit der Angst, die Welt nicht mehr zu verstehen. Außerdem ist einer der wichtigsten Jobs von Managern: Storytelling. Ja, sie sind Geschichtenerzähler:
Gegenüber ihren Mitarbeitern müssen sie Perspektiven aufzeigen, so tun, als hätten sie alles im Griff.
Gegenüber ihrer potenziellen Kundschaft müssen sie den Eindruck erwecken, modernste Waren zu produzieren, die mit aller Zukunft kompatibel sind.
Gegenüber ihren eigenen Vorgesetzten, ihren Aufsichtsräten oder ihren Aktionären müssen sie die größten Lügengeschichten auftischen. Denn hier muss die Zukunft hinter dem Morgen skizziert werden. Hier muss so getan werden, als sei man allen Wettbewerbern Schritte, Meilen, Universen voraus.
All diese Erfüllung von Fantasien erhofft man sich in Startups. Doch gerade an den Fantasien mangelt es zuweilen. Verleger Hubert Burda sagte mal zu Beginn des Internetzeitalters Ende der 1990er-Jahre, dass einst ein Jules Verne oder ein George Orwell die Fantasie gehabt hätten, doch es fehlte an Technik. Heute habe man die Technik, doch es fehle an Fantasie.
Ganz so schlimm ist es heute nicht mehr mit der Fantasielosigkeit, jedenfalls nicht bei Startups. Doch gerade weil Startups so viel Power haben, weil sie in kürzester Zeit so viel bewegen können, weil sie wenige Monate nach ihrer Gründung gut und gerne schon Millionen scheffeln oder an einen der Giganten aus dem Silicon Valley verkauft werden, lösen sie natürlich bei vielen Menschen, vor allem Unternehmen, Neid aus. Neid und Missgunst.
Wie bei kleinen Kindern, die andere Kinder mit einem Eis in der Hand sehen, heißt es dann oft genug in Managementebenen übertragen: »Ich will auch ein Eis haben!« Und genau hier beginnt der Fehler im System.
Denn die sehr gute und äußerst wichtige Startup-Kultur hat gefährliche Me-too-Effekte zur Folge. Weil plötzlich jeder glaubt, Startup sein zu müssen. Das ist wirklich gruselig: Hochkarätige Manager von Daimler und Co. laufen zu Jahreshauptversammlungen in Sneakers herum oder turnen in Kapuzenpullis über Vorstandsbühnen. Gut scheint nur noch, was nach Startup aussieht. Räume werden neu gestaltet, Traditionen über den Jordan gekippt, Namen geändert. Entscheidungen werden nicht mehr unbedingt nach bestmöglichem Gewissen getroffen, sondern nach dem Coolnessfaktor, nach dem Image.
Hierbei ist das scheinbare Vorleben einer Startup-Mentalität oftmals eine große Lüge. Eben die Startup-Lüge. Es ist das Leben von Lügen.
Wissen die Startup-Fans, dass über 90 Prozent aller Startups scheitern? Dass 80 Prozent die ersten drei Jahre nicht überleben? Dass Startups im Schnitt 2,7 Jahre alt werden? Dass 99 Prozent der Startups es erst gar nicht schaffen, ein Startup zu werden, und vorher scheitern? Dass Mitarbeiter in Startups meist ausgebeutet werden? Dass Startups überdurchschnittlich frauenfeindlich sind, hinsichtlich der Karrierechancen ebenso wie in der Me-too-Debatte? Dass das Silicon Valley eine Metapher für brutalsten Kapitalismus ist?
Ja, Startups sind ein großer Wirtschaftsfaktor. Das beginnt bei der Finanzierung von Startups. Gründer greifen anfangs in die eigene Tasche, um einen ersten Schritt zu gehen. Dann werden, so die Regel, Familienmitglieder und Bekannte um finanzielle Unterstützung gebeten. Die Finanzierung liegt damit durchschnittlich im fünfstelligen Euro-Bereich. Darauf folgen formale Finanzierungsphasen, die Seed-Runde, bei der private Geldgeber investieren - in der Regel Business-Angels, die für ihre Investition einen Anteil am Unternehmen erhalten, 700 000 Euro werden als Durchschnittssumme genannt. Mit diesem Geld werden Prototypen erstellt oder Marktanalysen. Für die folgenden benötigten Beträge, sieben- oder achtstellige Summen, braucht es Venture-Capitalists. Den großen Reibach machen alle Geldgeber erst nach Jahren durch den Exit, wenn das funktionierende Unternehmen an die Börse geht oder hochpreisig verkauft wird. So der Idealfall.
Das Risiko, dass Startups scheitern, ist rund zehnmal höher, als dass sie für Reichtum sorgen. Investoren verteilen ihre Spielchips entsprechend breit, um in ihrem Portfolio die Verluste von 90 Prozent Fehlinvestitionen aufzufangen. Diese Wahrheit bleibt in allen Ebenen der Kommunikation dabei gerne auf der Strecke. Denn die Wahrheit könnte Millionen verschlingen.
So entstand aus der einst so gut gemeinten Startup-Kultur das große Wettlügen. Die erste Lüge mag sein, dass das Silicon Valley gar kein Tal ist. Darauf gehen wir später ein, bei der Reise in jenes Tal, das es gar nicht gibt.
Religion, Sekte, Startup
Gehen wir erst noch einen Schritt zurück - oder vor. Bei Startups weiß man das nie so genau. Wollen wir einmal den Versuch unternehmen, nachzufühlen, wie sich dieses Startup-Denken in unserem Kopf eingenistet hat. Wie es zur Religion mittelständischer Krautköpfe vergöttlicht werden konnte. Wie es zum Kult eines gedankenlosen Unternehmertums werden konnte, wie die Gebäude von Facebook, Apple und Co. gleich Kathedralen angehimmelt werden, wie Personen wie Steve Jobs oder Mark Elliot Zuckerberg einem Messias gleich glorifiziert werden.
All das hat eine Ursache. Gut, es muss wohl sein, beginnen wir biblisch, mit dem zweiten Buch Mose, Vers 33:
». und ich will vor dir her senden einen Engel und ausstoßen die Kanaaniter, Amoriter, Hethiter, Pheresiter, Heviter und Jebusiter, dich zu bringen in das Land, darin Milch und Honig fließt. Ich will nicht mit dir hinaufziehen, denn du bist ein halsstarriges Volk; ich möchte dich unterwegs vertilgen. Da das Volk diese böse Rede hörte, trugen sie Leid, und niemand trug seinen Schmuck an sich .«
Wohin soll uns dieses biblische Zitat führen? Richtig, direkt rein ins...
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