Schweitzer Fachinformationen
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Kats Fingerspitzen fuhren andächtig über das glatte, kalte Metall des Untersuchungstischs. Erneut sah sie sich in dem in die Jahre gekommenen Raum um. Einrichtung und Geräte waren veraltet, aber sie würden ihren Zweck erfüllen. Allerdings musste das Chaos, das Doc Harlow ihr hier hinterlassen hatte, dringend beseitigt werden. Nach ihrer Ankunft am gestrigen Abend hatte sie versucht, dessen Sortierung der Medikamente zu verstehen, doch das Ablageprinzip ergab keinerlei Sinn. Vermutlich hatte der Doc die Ampullen, Schachteln und Spritzen einfach dort verstaut, wo noch Platz war. Kat öffnete den Aktenschrank und betrachtete die vergilbten Patientenordner. Hier war natürlich auch nichts elektronisch erfasst worden.
»Ms. Roberts, wir können jetzt die Verträge unterschreiben.« Die Stimme des alten Tierarztes riss sie aus ihren Gedanken. Er stand in der Tür und beobachtete sie mit nachdenklichem Blick.
Kat ahnte, wie schwer es ihm fiel, sein Lebenswerk zu übergeben. Was für Kat dringend erneuerungsbedürftig erschien, war für Doc Harlow der Mittelpunkt seines Lebens gewesen. Und ab jetzt sollte es ihrer sein. Mit einem lauten Knall schob sie die Schublade in den Schrank zurück und nickte ihm zu. »Ich komme gleich.«
Für einen Moment schloss sie die Augen und atmete tief durch, dann folgte sie ihm in den Empfangsbereich der Praxis.
Doc Harlow unterhielt sich angeregt mit einem Mann, der einen Stapel Papiere in der Hand hielt. Als sie auf die beiden zutrat, streckte der Fremde ihr eine Hand entgegen. »Ethan Bennett, Sie müssen Katherine Roberts sein.«
Angespannt griff sie nach seiner Hand und musterte den großen, Mann in der dunklen Jeans und dem perfekt gebügelten Hemd. Wenn Ethan Bennetts Arbeit nur halb so akkurat war wie sein Haarschnitt, dann würde Kat in wenigen Minuten ihre eigene Praxis besitzen.
»Der Doc hat mir die Einzelheiten der Übernahme beschrieben, die Sie beide abgesprochen haben. Die notwendigen Unterlagen haben Sie mir ja vorab zugeschickt. Alle Punkte, die Sie und der Doc ausgehandelt haben, sind hier aufgeführt.« Er überreichte ihr mehrere Blätter. »Bitte lesen Sie alles gründlich durch. Sollte etwas nicht stimmen, können wir es direkt abändern. Ich sende es dann heute noch zur Beglaubigung an den Notar.«
Kat bemühte sich, das Zittern ihrer Hände nicht zu zeigen, und nahm auf einem der abgewetzten Stühle Platz, die entlang der Wand aufgereiht standen. Zeile für Zeile las sie das Dokument durch, das sie zur niedergelassenen Tierärztin von Firefly Creek machen sollte. »Es ist alles richtig so«, sagte sie erleichtert.
»Dann dürfen Sie jetzt unterschreiben.« Ethan Bennett lächelte charmant und reichte ihr einen Kugelschreiber.
Entschlossen setzte sie ihren Namen unter den Vertrag und gab ihn dann an Doc Harlow weiter.
Dieser zog langsam eine Lesebrille aus der Brusttasche seines Hemdes, rückte sie auf der Nase zurecht und unterschrieb mit einem kratzenden Geräusch. »Jetzt gehört alles Ihnen«, verkündete der alte Mann und nahm die Brille wieder ab.
»Ich gratuliere dir zum Ruhestand, Doc«, sagte Ethan Bennett, schlug dem alten Tierarzt freundschaftlich auf die Schulter und sah dann Kat an. »Und Ihnen zur neuen Praxis.«
Erleichtert atmete Kat durch. »Nachdem das geschafft ist, nenne mich doch bitte Kat«, antwortete sie und nahm ihre Ausfertigung des Vertrags von Ethan entgegen.
»Gerne. Ich schätze, wir werden uns in Zukunft öfter sehen.« Mit einem Zwinkern steckte er den Kugelschreiber ein und ging zur Tür. Das Glöckchen darüber klingelte, als sie hinter ihm zufiel.
Kat sah ihm grübelnd nach. »Hat er einen Hund oder eine Katze?«, fragte sie den Doc. Sie machte sich einen Spaß daraus zu erraten, welches Haustier die Menschen, die ihr begegneten, besaßen. Doch Ethan hatte weder Haare an der Hose gehabt, die ihr etwas hätten verraten können, noch sah er überhaupt danach aus, als ob er ein Tierliebhaber wäre. Und Kat lag selten falsch mit ihrer Intuition.
»Weder noch.«
»Aber Ethan meinte doch, wir würden uns jetzt öfter sehen?«, überlegte sie laut.
»Seine Familie besitzt eine Rinderfarm, die Sie von nun an betreuen werden«, löste Doc Harlow das Rätsel auf. »Um genau zu sein, liegt Silverwood auf der Runde, die wir heute gemeinsam abfahren werden.«
Kat war dankbar, dass der Doc vorgeschlagen hatte, sie auf den größeren Farmen als seine Nachfolgerin vorzustellen. Die Unsicherheit, wie sie in dieser ländlichen Gegend von den alteingesessenen Farmern angenommen werden würde, hatte ihr schon so manche schlaflose Nacht bereitet. In den letzten beiden Jahren hatte sie bei drei Landtierärzten gearbeitet, um sich auf Rinder zu spezialisieren, und erlebt, dass einige Züchter Vorbehalte gegenüber weiblichen Veterinären hatten. Doch Kat hatte vor, sich durchzubeißen und zu zeigen, dass sie ihr Handwerk verstand. »Wann gehen wir los?«
»Am besten sofort«, schlug Doc Harlow vor und spielte schon wieder an seinem Hörgerät herum, das, wie sie inzwischen wusste, ab und an Aussetzer hatte. Kat war beeindruckt von dem alten Mann, der mit siebzig Jahren noch weit über fünfzig Stunden in der Woche gearbeitet hatte. Sie verstand dessen Leidenschaft für den Beruf nur zu gut. Zwar waren die Bewegungen des alten Mannes ein wenig langsam, doch in ihren Gesprächen zur Praxisübernahme war er Kat sehr kompetent erschienen. Doc Harlow fuhr sich über die beinahe weißen Haare, die sich um die beginnende Halbglatze gruppierten. Als er sich die Jacke anzog, ging Kat zum Anmeldetresen, schlüpfte aus ihren Turnschuhen und stieg in die festen Lederstiefel, die dahinterstanden. Dann nahm sie ihre Tasche mit den Instrumenten und Medikamenten von der Tischplatte. »Bereit für Ihre letzte Runde?«, fragte sie mitfühlend.
»Wohl oder übel.« Doc Harlow nickte und hielt ihr die Tür auf.
Drei Farmen hatten sie nun schon besucht, einige Routineuntersuchungen an Schafen gemeinsam durchgeführt und mehrere Zuchtbullen begutachtet. Der Doc hatte sie bei den Farmern in den höchsten Tönen gelobt und von ihrer Erfahrung in der Zucht berichtet. Dennoch hatte sie dieser unsympathische Richard Smith abschätzig beäugt, und Kat war sich sicher, unangemessene Kommentare hinter ihrem Rücken vernommen zu haben, als sie eine seiner trächtigen Stuten abhörte. Ausgerechnet der wohlhabendste Farmer der Gegend und damit einer ihrer wichtigsten Kunden schien einer vom alten Schlag zu sein.
»Machen Sie sich nichts draus, Sie werden Richard mit Ihrer Arbeit früher oder später sicherlich überzeugen.« Offensichtlich hatte der Doc ihre Gedanken erraten.
»Ob es ihm passt oder nicht, er wird mit mir vorliebnehmen müssen.«
»Das ist die richtige Einstellung«, stimmte der Doc ihr zu.
»Und wohin geht es jetzt?« Kat ließ ihren Blick über die weitläufige Landschaft schweifen. Wie endlos der Himmel hier draußen erschien. Am Horizont waren dicke dunkle Wolken zu erkennen. In Südaustralien hatte mit dem Juni der Winter begonnen, und sie war froh, in der etwas ruhigeren Jahreszeit ihre neue Tätigkeit aufzunehmen. Das bot ihr die Gelegenheit, die Praxis umzustrukturieren und die Akten zu digitalisieren, bevor sie im Frühjahr deutlich mehr zu tun bekäme.
»Und hier kommen wir nach Silverwood.«
Die Farm von Ethans Familie also. Noch immer fiel es ihr schwer, sich den elegant gekleideten Mann auf einer Rinderfarm vorzustellen. Aber sie selbst entsprach ebenfalls nicht der geläufigen Vorstellung einer typischen Landtierärztin, wie man sie schon öfter hatte spüren lassen.
»Das dürfte Sie interessieren: Silverwood hat kürzlich auf biologische Rinderhaltung umgestellt«, sagte Doc Harlow.
Kat zog die Augenbrauen hoch. »Damit müssten sie hier in der Region die Einzigen sein, oder nicht?« Abgesehen davon, dass ihr als Tierärztin die Biohaltung deutlich besser gefiel, wusste sie um die konstant steigenden Preise für organisches Rindfleisch. Die Umstellung würde sich als kluger Schachzug erweisen, da war sie sich sicher. Und es machte sie neugierig darauf, die Farm zu sehen.
Der Doc gab ein zustimmendes Brummen von sich. »Das hat ganz schön für Gelächter bei den anderen Farmern gesorgt.« Der alte Mann lachte auf. »Aber Harry hat schon immer für eine Menge Gesprächsstoff gesorgt.«
»Harry?«
»Harry Bennett, der Vater von Ethan.« Der Doc legte einen anderen Gang ein, und der Wagen rumpelte schneller über die unebene Straße. »Anscheinend war die Sache mit dem Bio-Fleisch Ethans Idee.« Er sah zu ihr hinüber. »Der Junge ist ein ganz cleverer Kopf, wenn Sie mich fragen. Hat lange Zeit in Sydney Karriere gemacht, bis er vor ein paar Monaten nach Silverwood zurückgekehrt ist. Jetzt berät er Farmer und Selbständige. Kümmert sich um alles, was mit Finanzen zu tun hat. Deshalb habe ich ihn auch bei dem Übergabevertrag um Hilfe gebeten. Wenn Sie je einen Kredit brauchen, um neue Ausstattung zu kaufen, dann wenden Sie sich an Ethan. Er vermittelt Ihnen einen Kredit zu den besten Konditionen.«
Kat unterdrückte einen Seufzer. Tatsächlich würde sie sich wohl oder übel mit dem Gedanken anfreunden müssen, sich weiteres Geld zu beschaffen, wenn sie die Praxis jemals auf einen modernen Standard bringen wollte. »Danke für den Tipp. Es ist immer gut, in diesem Bereich jemand Vertrauenswürdiges zu kennen.«
»Die Bennetts sind alle vertrauenswürdig, das kann ich Ihnen garantieren. Sind zwar ein chaotischer Haufen und etwas eigenwillig, aber auf Harry und die Jungs können Sie sich verlassen.«
»Es gibt mehrere Söhne?« Die...
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