Schweitzer Fachinformationen
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Jean Valjean ist kein Gewohnheitsdieb, sondern ein hungriger, im Elend lebender junger Mensch. Er stiehlt ein Brot aus einer Wohnung. Der Richter verurteilt ihn zu mehreren Jahren harter Haft mit Zwangsarbeit. Mehrere verzweifelte Fluchtversuche führen zu langen Verlängerungen der Strafe. Nach 19 Jahren verlässt er als erbitterter und gebrochener Mann das Zuchthaus. Nun ist er tatsächlich ein Dieb geworden. In einem Dorf sucht er eine Übernachtung. Alle weisen ihn ab, doch der Bischof von Digne, Myriel, ein herzensguter Mensch, nimmt ihn auf, gibt ihm zu essen und ein schönes Zimmer zum Schlafen. Jean Valjean sieht nur die Gelegenheit zum Diebstahl. Er klaubt in der Nacht wertvolle Silberstücke vom Haushalt des Bischofs zusammen und verschwindet. Doch wird er von der Polizei aufgegriffen und zum Bestohlenen zurückgebracht. Nun hat er ein weiteres Urteil vor Augen, das ihn für den Rest seines Lebens sozial und psychisch ruinieren wird. Doch der Bischof hat eine völlig andere Sicht als die herkömmliche Rechtsprechung. Er begrüßt den Dieb warm, holt zwei Silberleuchter, drückt sie ihm in die Hand und ruft: »Mein Lieber, die hatten sie vergessen! Die sollten Sie doch auch noch nehmen!« Die Polizisten stehen ratlos und verwundert daneben, ihr Verdacht und ihre Macht werden ausgehebelt.
Die Barmherzigkeit des Bischofs wird Jean Valjean zum Anlass radikaler Umkehr zu Gott und einem konsequent selbstlosen Lebensstil, den er sein Leben lang durchhält und vertieft.18
Während ich dies schreibe, läuft in Moskau ein Prozess, der nationale Aufmerksamkeit erregt. Drei Mädchen sind bei einem gewalttätigen Vater aufgewachsen. Die Mutter hatte er nach einigen Misshandlungen unter Todesdrohungen weggejagt. Die zurückgebliebenen Töchter wurden wiederholt misshandelt und, als sie älter wurden, missbraucht. Ihr Vater hatte gute Verbindungen zur lokalen Polizei und konnte dort auf einige Freunde zählen. Manche Polizisten waren ohnehin von seiner enormen Gewaltbereitschaft und Heimtücke eingeschüchtert. Die Töchter hatten ihn in ihrer Verzweiflung schon mehrmals angezeigt, doch die Polizei ließ die Anzeigen verschwinden und informierte sogar den Vater, worauf dieser seine Töchter schwer bestrafte. Auch stand messerscharf und glaubwürdig seine Drohung im Raum: »Wenn ihr flieht, bringe ich euch um.« Bald waren sie am Ende ihrer Kräfte und wussten nicht, wann die erste von ihnen tatsächlich lebensgefährlich verletzt oder gar getötet würde. So standen sie vor einem furchtbaren moralischen Dilemma, das sie in den ersten Verhören so schilderten: »Sein Leben oder unser Leben?« Schließlich fassten sie den Plan, ihn gemeinsam umzubringen, was ihnen auch gelang. Nach der Tat zeigten sie sich sofort selbst an. Große Teile der Öffentlichkeit bekunden tiefes Mitleid und fordern eine milde Bestrafung oder gar Freispruch. Verschiedene juristische Fachpersonen jedoch beurteilen die Tat als eindeutigen Mord und plädieren dafür, sie entsprechend zu verurteilen.19
Das ist ein extremes Beispiel, doch es zeigt uns, wie sehr es auf eine faire, weise, alle Fakten mit einrechnende und barmherzige, d. h. tief-mitleidige Einschätzung eines kompetenten Richters ankommt.
Wer also ist es, der eines Tages die ganze Welt richten wird? Wer wird es sein, der Menschen »in den Himmel holt« oder »in die Hölle wirft«?
Will man sich mit dem Gericht Gottes an sich auseinandersetzen, muss man den Richter kennen. Die Institution Gericht mit ihren vorgeschriebenen Abläufen und Prozessordnungen zu begreifen, reicht nicht hin. Das Gesetz allein genügt auch nicht. Wir brauchen einen Richter, eine lebendige Person, der die Vorgänge angemessen interpretiert und kompetent auf den einzelnen Rechtsfall anwendet. Wir wissen nur allzu gut, wie viel nicht nur von den Kenntnissen, der Intelligenz und Erfahrung eines Richters abhängt, sondern auch von seinem Wesen und seiner Einstellung. Zwei verschiedene Richter können beim gleichen Rechtsfall und den gleichen zugrunde liegenden Gesetzen verschieden urteilen. Der Ermessens- und Handlungsspielraum von Richtern ist erheblich, obwohl beide dasselbe Gesetz vorliegen haben.
Eine Meldung von Spiegel online in Deutschland über die unterschiedliche Rechtsprechung in den Regionen Deutschlands mag dies illustrieren:
»Ob ein Räuber in den Knast muss, hängt nicht nur von seiner Tat ab. Sondern auch davon, ob er etwa vor einem Nürnberger Richter steht - oder vor einem aus Bremen. Wurde der Täter in Nürnberg erwischt, bekommt er in 60 Prozent der Fälle eine Haftstrafe ohne Bewährung. In Bremen hingegen nur in 40 Prozent der Fälle. Vorstrafen und Schwere des Delikts sind bei dem Vergleich berücksichtigt.«20
Wir können auf Richter treffen, die zu hart sind oder zu weich, zu links oder zu rechts, zu sachlich oder zu emotional, zu optimistisch oder zu pessimistisch. Sie können ideologisch engstirnig oder tolerant sein, oder auch unbarmherzig oder barmherzig, um diese älteren Begriffe zu verwenden. Sie werden uns noch beschäftigen.
»Einer ist Gesetzgeber und Richter, der zu erretten und zu verderben vermag.«21
Gott empfängt nicht Gesetze von irgendeiner Legislative außerhalb von ihm selbst. Der Höchste persönlich plant, macht und gibt die Gesetze. Er setzt sie in Kraft und je nach der Ebene ihrer Geltung beendet er auch ihre Gültigkeit. Einige seiner Gebote gelten von Anfang an bis ganz zum Schluss für die ganze Welt, andere haben vorübergehende Gültigkeit oder sind in ihrer Geltung bezogen auf bestimmte Völker, Gruppen oder einzelne Personen. Gott hält sich aber auch selbst an seine Gesetze und bleibt ihnen treu. Er ändert sie nicht ständig nach Lust und Laune.22
Gott allein trifft die letzte Entscheidung über Schuld und Unschuld, über ihr Verhältnis zueinander und über das Strafmaß. Mit letzterem Begriff sollten wir allerdings vorsichtig umgehen, wie wir im Schlusskapitel von »Die kleine Hölle« noch sehen werden. Gottes Strafmaß lehnt sich mit äußerster Genauigkeit an das an, was der Mensch gesät hat, es besteht letztlich in der Auslieferung des Menschen an seine eigene Ernte. Doch dazu später.
Gott hat also keinen Richter neben sich oder gar über sich. Er empfängt von niemandem Autorität oder Kompetenz. Er hat sie in sich von Ewigkeit her.
Vielversprechend und hoffnungsvoll ist die enge juristische Zusammenarbeit des einzigen wahren Gottes, des Allerhöchsten, mit dem Menschen: Jesus Christus, Sohn Gottes und Erlöser der Welt. Gott ist und bleibt der Richter. Einer ist der Richter, nämlich Gott. Aber er hat dieses Gericht ganz dem Sohn übergeben:
»Dem Sohn ist nämlich auch das Gericht übertragen. Der Vater selbst richtet niemand; er hat das Gericht ganz dem Sohn übergeben . Und er hat ihm die Vollmacht gegeben, Gericht zu halten; denn er ist der Menschensohn.« 23
Jesus Christus, der menschgewordene Sohn Gottes, der einer von uns geworden ist, wird dem zukünftigen Gericht als Hauptrichter mit voller Verantwortung und Kompetenz vorsitzen. Diese Wahrheit ist im Neuen Testament gut bezeugt.
»Denn der Menschensohn wird mit seinen Engeln in der Herrlichkeit seines Vaters kommen und wird jedem nach seinem Tun vergelten.«24
»Und er gab uns den Auftrag, dem ganzen Volk mit allem Nachdruck zu verkünden und zu bezeugen, dass er der von Gott eingesetzte Richter ist, der über die Lebenden und über die Toten das Urteil sprechen wird.«25
Daneben gibt es auch Bibelstellen, die beschreiben, dass Gott richten wird:
». Und da meinst du, du könnest dem Gericht Gottes entgehen, wo du doch genauso handelst wie die, die du verurteilst . So sorgst du selbst dafür, dass sich Gottes Zorn gegen dich immer weiter anhäuft, bis er schließlich am >Tag seines Zorns< über dich hereinbricht - an dem Tag, an dem Gott Gericht hält und für alle sichtbar werden lässt, dass sein Urteil gerecht ist.«26
Diese Passagen stehen jedoch nicht im Widerspruch zueinander, noch stellen sie uns vor ein Entweder-oder. Weder ist Jesus eine Art Marionette, dem alle Urteile schon vollständig von Gott ausgefertigt auf dem Tisch liegen, noch hat Gott sich selbst aus dem Gericht verabschiedet und alles dem Sohn überlassen. Nein, es ist ein ganz großartiges Miteinander. Durch Christus hindurch wird Gott richten. Christus wird auch im Gericht der Mittler sein: »Denn einer ist Gott, und einer ist Mittler zwischen Gott und Menschen, der Mensch Christus Jesus, der sich selbst als Lösegeld für alle gab, als das Zeugnis zur rechten Zeit.«27 Er vertritt als ewiger Sohn Gottes, »durch den er auch die Welten gemacht hat, er, der Ausstrahlung seiner Herrlichkeit und der Abdruck seines Wesens ist«28, voll und ganz die Seite Gottes. Das erinnert an die Funktion des Staatsanwalts. Er vertritt aber auch voll und ganz die Seite des Menschen:
»Jesus ist ja nicht ein Hoherpriester, der uns in unserer Schwachheit nicht verstehen könnte. Vielmehr war er - genau wie wir - Versuchungen aller Art ausgesetzt, allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass er ohne Sünde blieb.«29
Das erinnert an die Funktion des Rechtsanwalts. Gott selbst hat diesen Rechtsanwalt...
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