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Der Körper rebellierte und verlangte Gerechtigkeit für seine Ansprüche. Was er auszubaden hatte, war die Konsequenz falscher Entscheidungen gewesen, die nicht die seinen gewesen waren. Die Prügel aber hatte er bekommen. Während der Geist nach Schlaf lechzte, ließ ihn der rebellische Körper nicht zur Ruhe kommen. Mühelos holte er ihn bei jeder kleinen Bewegung in die Wirklichkeit zurück, wo er sich seiner Verantwortung stellen sollte. Statt zu schlafen, sah er die Bilder seiner Retterin im Hirn kreisen, und fand erst recht keinen Schlaf. Schön erschien sie in seinen Augen, unnahbar, vergleichbar vielleicht den Göttinnen der Leinwand, wie er sie, selten genug, im Kino gesehen hatte. Verführerisch lächelte sie zu ihm herunter, und die bläulichen Schatten, die er an ihrem Hals entlang tanzen gesehen hatte, wenn sie sprach, trieben ihn in bisher kaum bekannte Wirbel des Verlangens - und das in seinem erbärmlichen Zustand. Alles an ihr war aufregend, zog ihn an, zog ihn ins Herrschaftsgebiet seiner Sinne. Während der Körper derart das Zepter schwenkte, blieb sein Denken hilflos. Der sinnlichen Gewissheit ihrer Gegenwart hatte sein Wille nichts entgegenzusetzen. Mehr und mehr fühlte er sich wie ein Kind, das nicht wusste, wo und wie mit dem Denken anfangen. Zögerlich krochen die Stunden der Dämmerung dahin.
"Was bin ich wirklich?", hörte er sich immer wieder fragen.
"Töricht und ungeschickt bist du. Und das nicht wegen der paar blauen Flecken, die ich an mir herumtrage, und nicht wegen der Schmerzen, die ich fühle", gab er sich selbst zur Antwort.
ICH
das sind drei Buchstaben
Im Englischen sogar nur ein einziger
I
Was ist es sonst noch
Wie schreibt man
richtig
meinen die Buchstaben alle das Gleiche wie ich
meinen sie dieses
das
ich
denke
?
Seine Gedanken handelten von Dingen, die es vielleicht gar nicht gab. Buchstaben spielten Bäumchen, Bäumchen wechsle dich mit ihm. Und immer kam er zu spät.
"Was sind das für Geschichten, die ich mir erzähle? Immer öfter verlaufe ich mich in ihnen. Niemand kann das Dasein, alle seine wechselnden Stimmungen, in dieses immer gleiche Wörtchen Ich zwängen! Warum wechselt das Leben seine Kulissen und Kostüme in diesem rasenden Tempo, und warum bin ich doch immer ich? Da kommt das flinkste Auge nicht mit. In Erinnerung bleibt nur das Langsame. Der langsam atmende Baum, der so langsam wächst, Hand in Hand mit der Zeit. Sie, die Zeit, ist es, die Ring um Ring durch sein Holz zieht. Oben bildet sich Blatt um Blatt. Unzählbar viele und doch jedes anders."
So wollte er sein, langsam für etwas wachsen. Auf etwas zu wachsen. Zuletzt waren sie dann deutlich zu sehen, die Blätter, wie sie einzeln zur Welt kamen, um gemeinsam zu sterben. Als Einzelne schaukeln sie im Herbst wieder zur Erde zurück, rotbraun.
Da war er endlich doch eingeschlafen.
"Hey Jim! Was ist los mit dir? Wir warten auf deine Antwort!"
Es war Ray, der mich ungeduldig aus meinen Gedanken riss. Die anderen starrten bloß erwartungsvoll zu mir. Robby hatte eine Idee für einen neuen Song vorgespielt, und die anderen meinten, dass er die Idee von mir geklaut hätte. Die Idee klang mir fremd, aber vielversprechend, so viel wusste ich noch, und passte ziemlich gut zu dem Groove, auf dem wir grade wandelten. An Einzelheiten konnte ich mich zunächst nicht erinnern. Mit einer etwas allgemeineren Bemerkung versuchte ich Zeit zu gewinnen, bis mir etwas oder jemand auf die Sprünge half.
"Aber so sollte unsere Arbeit doch laufen. Alle für einen. Einer für alle. Wir befruchten uns gegenseitig. Wir sind etwas Gemeinsames, keine Einzelnen. Gemeinsam schaffen wir alles."
"Das klingt wie ein Bekenntnis bei den Anonymen Alkoholikern!"
"Du kennst dich ja gut aus ."
Ray hatte keine Lust auf solche Spielchen. Ihm hatte Robbies Nummer nicht gefallen, vielleicht war er auch ein wenig neidisch.
"Ich finde, es klingt wie stinknormaler Folkrock."
Er murrte noch anderes unzufrieden vor sich hin. Wollte sich nicht geschlagen geben. Nicht von Robby. Die beiden ritterten oft miteinander um die besten Einfälle.
"Klar, ist ja auch noch nicht fertig!"
Robby wollte seinen Vorschlag verteidigen, ich nützte die Gelegenheit und sprang ihm bei.
"Mir kommt vor, Robbies Song handelt von den Schwierigkeiten des Anfangens in der Liebe. Wie sich aus einem Funken ein riesiges Feuer entwickelt. Der Song ist noch nicht rund, aber den Anfang finde ich schon ziemlich cool. Mir sagt mein Gefühl, das wird der Song des großen Sommers, zu dem die Satyrn tanzen."
Robbie nahm meinen Beistand dankbar an und wiederholte seinen Vorschlag mit erneutem Schwung auf der Gitarre, mit einigen ironischen Variationen. Weil er mich dabei erwartungsvoll ansah, improvisierte ich spontan eine zweite Strophe. Sie handelte davon, was mit der Liebe passiert, wenn die Zeit des Zögerns einmal vorbei ist. Wenn man nichts mehr zu verlieren hat als sein Leben. Dann erst ist jede Liebe wirklich etwas wert.
"Das Schlimmste, was uns geschehen kann, ist der Tod. Und der kommt in jedem Fall, auch wenn du aufgibst und kneifst."
Begeistert sprang Robby auf den endlich anfahrenden Zug auf.
"Genau! Der Song bringt Worte eines Mannes, der vor Liebe brennt - und nicht weiterweiß. Um das geht's dir doch Jim, und um sonst nichts, oder?"
Die anderen blickten mich an, als hinge jetzt alles nur noch von mir ab. Aus Verlegenheit begann ich zu lachen, weil ich nicht verraten wollte, wie stolz mich ihre Bewunderung machte. Um ihrer würdig zu werden, erfand ich noch eine dritte Strophe, und die blies alle Einwände endgültig in den Kamin.
"Jetzt ist es aber total dein Song geworden", grummelte Robby, halb zögernd, halb anerkennend.
"Aber du hast das Ei gelegt, ich hab's bloß ausgebrütet!"
Ray war noch nicht ganz zufrieden, oder wollte es nicht eingestehen. Also markierte er den Denker und entzündete einen Joint. John, der wie immer mit den Händen dachte, in denen er die Schlägel hielt, schlug vor, harten Rockbeat mit südamerikanischen Elementen zu brechen. Sogleich führte er vor, wie er sich das vorstellte. Aber Ray unterbrach ihn heftig. Er hatte eine Idee und war in Fahrt gekommen.
"Der Einstieg! Wir brauchen eine Einleitung für diese Musik. Man serviert ein außergewöhnliches Essen nicht ohne Vorspeise!"
"Wir fangen einfach an!", rief John dazwischen und legte los, intensiver, wilder als zuvor. Fast brutal fuhr Ray jetzt dazwischen und nahm ihm die Drumsticks weg. Sein Zorn war echt. Sekundenlang drohte sich ein Missklang in die Harmonie zwischen uns vieren zu mischen.
"Aber das eine schließt doch das andere nicht aus!", versuchte ich zu vermitteln, und Ray küsste übergangslos Johns Hände, als hätte er nie anderes vorgehabt. Dann aber schien er einen seiner berüchtigten Vorträge über Kompositionslehre beginnen zu wollen.
"Ich nehme den Quintenzirkel, einen einfachen Kreis aus Fünferschritten. Bei G fangen wir an, und bei jedem Schritt lege ich ein paar Bachfiguren in die linke Hand ."
Aber statt weiter zu dozieren, setzte er sich an seine Orgel und spielte, während er uns die Kompositionsidee erklärte. Zunächst klang das alles wie ineinander verschlungene Spaghetti. Aber bald kam Sinn in den Song.
". diese Bachfiguren können sich wie Fibonacci-Spiralen in beide Richtungen drehen. So etwa! Versteht ihr jetzt? Wie die Schlange, die sich in den Schwanz beißt, von der Jim einmal gesprochen hat. So geht es doch in der Liebe zu! Und? Hört ihr, wie sie sich windet? Und hört doch nimmer auf! Heureka!"
Seine Begeisterung trug uns weiter. Wenig später verdrängte dieser neue Song unter dem Titel Light My Fire! die Beatles von der Spitze der US-Charts!
In der darauffolgenden Woche bekam der Genesende täglich ein- oder sogar zweimal Besuch von der Frau, die ihn schon durch ihre Abwesenheit so sehr verwirrt hatte. Noch sprachen sie nicht allzu viel miteinander, höchstens "Wie gehts?" oder "Danke", "Schönes Wetter heute", "Schmeckt das Essen?", aber bald sagten sie nicht mehr "Sie", sondern "Du" zueinander, ohne das eigens verabredet zu haben. Was im Deutschen ein Sprung ist, wirkt im Englischen wie ein unmerkbarer Übergang oder einfach wie ein Anwachsen der Vertraulichkeit.
Zuvor hatte sie ihn gefragt, welchen Namen er ihr geben wollte. Es wäre nämlich besser,...
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