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Ein helles Schmettern, das durchdringend helle Quieken einer Elefantenherde weckte mich heute morgen. Einen Moment lang empfand ich Glück und Freude darüber, in meinem Turmzimmer über der Hafenbucht von Alexandria zu erwachen und die Geräusche aus dem Tierpark zu hören.
Neben mir atmete Metellus gleichmäßig und zufrieden. Der römische Tribun Metellus gehörte nicht in das Turmzimmer. Plötzlich wußte ich es wieder. Ich lebte jetzt an einer anderen Bucht, am Strand nicht weit von einem römischen Städtchen, hier in Spanien, und es gab keine Elefanten mehr.
Das Quieken setzte sich fort. Ich sprang auf, stolperte über meinen tauben Zeh, fing mich wieder und trat ans dunkle Holzgitter des Fensters. Ich zog die gelben Vorhänge auf. Etwa ein Dutzend Elefanten, jüngere und ältere, afrikanische und indische, zogen gemächlich die Straße zum Municipium entlang. Ein indischer Elefantentreiber saß auf dem breiten Kopf des vordersten Tiers. Römische Soldaten folgten am Rand des Zuges.
Elefanten waren bei allen großen Ereignissen meines Lebens aufgetaucht. Kesa oder Zesa ist das afrikanische Wort für Elefant, und so hießen diese königlichen Tiere bei uns. Sie trugen die Bahre mit der Leiche meines Vaters. Hundert Elefanten aus der königlichen Zucht führten später Arsinoës und Achillas' Hochzeitszug an. Die gleichen Tiere begleiteten wenige Jahre später den Triumphzug, in dem der göttliche Caesar uns durch Rom gehen ließ. Caesar nämlich hatte die Elefantenherde der Ptolemäerkönige nach Rom bringen lassen und weder Kosten noch Aufwand dafür gescheut. Nicht alle der empfindlichen Dickhäuter hatten die lange Seereise von Alexandria nach Ostia überstanden.
Bis zu hundert Jahre alt kann ein Elefant werden. Ich betrachtete die Tiere, während sie mit tänzelnden Fußbewegungen ihre schweren Körper bewegten, und dachte, daß sie vielleicht alte Bekannte aus Alexandria waren, deren Namen ich längst vergessen hatte. Nur einen wußte ich noch. Kylas, den unseres einstigen Leitelefanten. Ich rief. Ein alter grauer Koloß in der Mitte des Zugs blieb stehen und trompetete mir zu. Ich senkte den Kopf. Er trottete weiter. Es war vielleicht nur ein Zufall.
Die Elefanten im Tierpark von Alexandria waren ausgewählt worden wegen ihrer Gelehrigkeit. Man konnte sie auch für militärische Einsätze gebrauchen. Bei allen festlichen Ereignissen im Königshaus wurden sie eingesetzt. Kylas war der Liebling von uns Kindern. Die beiden Maios pflegten auf ihm zu reiten unter der Aufsicht des indischen Wärters und den wachsamen Augen des Eunuchen Potheinos, der für den großen Maio zuständig war. Der große Maio bat manchmal darum, daß ich zu ihm hinaufgehoben wurde. Aus irgendeinem Grund hatte er schon als Junge eine Zuneigung zu mir gefaßt. Dabei war er der ausersehene Thronfolger, der, so war es bestimmt, unsere älteste Schwester Kleopatra heiraten würde, sobald er dafür alt genug wäre. Ich hatte Angst, auf dem Rücken des Elefanten zu sitzen. Ich umklammerte Maios schlanken braunen Rücken und drückte mein Gesicht zwischen seine Schulterblätter. Er war ein Gott und ich ein Staubkorn.
Ich werde noch einmal in meine Stadt zurückkehren, nach Alexandria. Einmal noch möchte ich den Pharos, das Museion und den Königspalast sehen, die zwei Libanonzedern vor meinem vergitterten Fenster. Ich möchte die Treppe des Turms hochsteigen und Arsinoës Gemächer betreten. Auf ihrem Bett liegt das bis zu den Knöcheln reichende Gewand aus hauchdünner Seide mit den eingewebten blauen, roten und gelben Längsstreifen auf gebrochenem Weiß, das ich mir manchmal überzog. Wir tauschten ab und zu zum Spaß unsere Kleider. Das mit den farbigen Streifen trug sie als fünfzehnjähriges Mädchen, als sie heimlich den Palast verließ. Ich sehe sie vor mir, zartgliedrig, schlank, helle, fast blasse Haut, das ebenmäßige Gesicht mit den großen grünlichen Augen eingerahmt von welligen Haarflechten. Sie war immer selbstbewußter und klüger als ich, manchmal eine Spur hochnäsig, aber auch immer wieder voller Mitgefühl und Zärtlichkeit für Mensch und Tier. Schon als kleines Kind war sie daran gewöhnt, sich zu beherrschen, Haltung zu bewahren, aber dann konnte sie wieder überschwenglich und großzügig sein, die künftige Königin. Arsinoë war die geborene Königin. Sie erfüllte jede Voraussetzung, um über Ägypten oder ein anderes Land zu herrschen. Sie war das nächste nach Kleopatra geborene Kind unseres Vaters, etwas älter als Ptolemaios und paßte insofern viel besser zu ihm als die acht Jahre ältere Kleopatra, die zudem von einer anderen Mutter abstammte.
Ich möchte mit nackten Füßen am Meer entlanglaufen und die Namen Ptolemaios und Arsinoë in den Sand schreiben. Ich werde sie erst in griechischen Buchstaben schreiben und dann dahinter die ägyptischen Königskartuschen der beiden Namen zeichnen.
Keine Stadt der Welt kann sich mit Alexandria messen. Die vorgelagerte Insel Pharos mit dem größten Leuchtturm der Welt ist mit der Altstadt durch einen Damm verbunden. Dieser Damm verbindet zwei Kalksteinrücken, die parallel zur Küste verlaufen. Das innere Riff schützt Alexandria vor dem sich ausdehnenden Schwemmland Ägyptens, das äußere bricht die Wellen und bildet die Hafenmole der Stadt. Tief in der Stadt, in ihrem Herzen, unter der Erde liegt der große Alexander begraben in seinem gläsernen Sarg. Nicht weit von dort beging Kleopatra Selbstmord. Oh, Alexandria, einzige Stadt, mit dem Tanggeruch und dem Meerwasserduft, mit der ewigen Brise, die von Norden her Kühlung bringt. Die Fassaden der Häuser in Alexandria sind braun und mit einer Salzschicht aus der salzhaltigen Meerluft überkrustet.
Ich bin Baryllis, die jüngste Tochter des Königs Ptolemaios Auletes, sein einziges Bastardkind. Auletes, der selbst als illegitimes Kind geboren war, hatte die Angewohnheit, seine Bastardkinder gleich nach der Geburt zu töten. Dies war politisch dringend geboten, da illegitime Söhne in jedem Fall das Leben seiner legitimen Kinder bedroht hätten. Auletes war ein weiser Mann, der seit seinen Jugendjahren um den Thron Ägyptens hatte kämpfen müssen. Wie seine lüsternen Vorväter liebte er die Frauen. Doch als er älter wurde, beschränkte er seine körperliche Leidenschaft auf Eunuchenknaben. Es war die sicherste Methode, unerwünschte Nachkommen zu verhindern.
Ich hatte also das besondere Glück, von einem königlichen Vater abzustammen und von ihm nach der Geburt ausdrücklich zum Leben bestimmt zu werden. Er vertraute mir vom ersten Augenblick meines Lebens, das muß es gewesen sein.
Meine Vorfahren kamen aus den verschiedensten Ländern, aus Griechenland, aus dem steinigen Syrien und dem fruchtbaren Ägypten. Den Männern und Frauen, die sich in Liebe und Brunst vereinigten, damit eines fernen Tages ich, ein zartes Wesen mit dunkelgoldener Haut, geboren würde, war nur eines gemeinsam. Sie liebten die Schrift und das Wort. Sie schrieben Bücher und Denkschriften, komponierten Lieder und Gesänge oder handelten mit Schriftrollen aus ägyptischem Papyrus und fleckiger Ziegenhaut.
Vieles, was ich getan und gelassen habe, würden sie nicht billigen, hätten sie je davon erfahren. Aber ich bin mir gewiß, sie würden lächelnd zustimmen, daß ich hier in diesem kühlen Zimmer vor einem Holztisch sitze wie einer von den bezahlten Schreibern am Markt der großen Städte und die Geschichte meines Lebens zögernd niederschreibe.
Ich zögere, denn entscheidende Dinge sind unklar geworden, als hätte der Wind feinsten gelben Sand über sie hinweggetrieben. Sand, so tödlich wie das Wasser, in dem Menschen ertrunken sind. Ich zögere auch, weil es anstrengend und schmerzlich ist, diese vergangenen Dinge von Sandschichten zu befreien. Ich zögere, weil ich alt und manchmal müde bin und auch das, was mein Herz damals für richtig hielt, sich gewandelt hat.
Mein Gang ist unsicher geworden, bei längeren Gängen benutze ich einen Stock aus Ebenholz. Meine Augen haben ihre einstige Schärfe verloren. Heute bin ich, was ich in den stolzen Tagen meiner jugendlichen Schönheit, meiner erhabenen Herkunft, in der Zeit des äußersten Reichtums, damals in meiner Heimat, im üppigen fruchttragenden Ägypten nicht war. Ich bin ruhig und zufrieden. Meine Augen lächeln, mein Körper lächelt. Meine Ohren freuen sich. Dort drüben, nicht mehr weit entfernt, dort am Tor, steht Anubis, der hundeköpfige Gott, er wartet. Bald bin ich bereit, mein Freund. Ich werde mit dir gehen. Warte ein bißchen, solange, bis die Kammerfrauen mir das Haar gerichtet haben. Ich will noch ein Bad nehmen und das große Fest feiern, wie es sich gehört.
Ich bin Baryllis, Tochter des Königs Ptolemaios Auletes und der ägyptischen Schreibsklavin Kipa. Ich hatte eine Puppe aus Goldblech und eine zahme Spielschlange mit einem smaragdverzierten Kettchen. Aufgezogen wurde ich nach dem Verschwinden meiner Mutter in den Palästen und Villen, die mein Vater in der Hauptstadt und den Stationen unseres Exils bewohnte, gemeinsam mit Arsinoë, der älteren Halbschwester, die ich gern hatte, mit unserer großen Schwester Kleopatra, die ich als Kind haßte und, als ich älter wurde, fürchtete wie keinen Menschen sonst auf der Welt. Kleopatra war zur Königin geboren. Unser Vater Auletes liebte sie, mehr noch als seine letzte Frau Nysa, die zugleich seine erste gewesen war. Kleopatra war ihm am ähnlichsten. Sie besaß seine Intelligenz, seine Sprachbegabung, sein Verhandlungsgeschick und sein Gesicht mit den verkniffenen, kleinteiligen...
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