Schweitzer Fachinformationen
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Noch ist es still. Die leeren Tribünen ziehen sich in strenger Symmetrie den Hang hinauf. Treppenaufgänge unterteilen die Ränge, helle steinerne Bänder, gerahmt vom Grün halbhoher Hecken an den Geländern. Die Berliner Waldbühne wurde für die Olympischen Spiele 1936 gebaut, angeregt von Joseph Goebbels, angelehnt an die Architektur antiker Theater. Das Einzige, was aus der Strenge heraussticht, ist ein weißes Zeltdach in der Mitte, gegenüber der Bühne. Früher war hier die Führerloge, heute sitzen Toningenieure und Lichtgestalter an Mischpulten und Reglern, vor Laptops und Bildschirmen.
Gegenüber, über der Bühne, spannt sich ebenfalls ein Zeltdach, größer und ausladender - geradezu ikonisch in seinem charakteristischen Schwung und den beiden Spitzen links und rechts. Bühnentechniker richten noch Mikrofone ein, jemand stimmt eine E-Gitarre. In zehn Minuten beginnt der Soundcheck.
Der Himmel über Berlin ist weiß wie Milch.
Die Security zieht ein. Dutzende Ordner schwärmen aus - dunkel gekleidete Gestalten in Warnwesten strömen zeitgleich vom oberen Rand des Talkessels die Tribünen hinab, verteilen sich über die Ränge, leuchtendes Orange vor monochromem Grau, das Ganze wirkt wie eine Ballettchoreografie. Über den Bäumen hinter den Rängen schwebt die Spitze des Olympia-Glockenturms.
Die Waldbühne gilt als eine der schönsten Freilichtbühnen Europas, die Rolling Stones und die Berliner Philharmoniker treten hier auf, Eric Clapton, Iron Maiden, Björk.
Vorn beginnt der Einlass, backstage gehen Crew und Band essen. Alle sitzen an Bierzelttischen unter Bäumen - Braten mit Soße, veganes Schnitzel, Salat, Kuchen, Kaffee, Wasser, Saft. Alle wirken entspannt und gut gelaunt, reden, lachen.
Jenseits des kleinen Wäldchens, das Backstagebereich und Freilichtbühne trennt, füllen sich währenddessen die Ränge. Man sieht das Publikum nicht, hört nur die Geräuschkulisse, dieses gleichmäßige Stimmengewirr, das langsam und beständig anschwillt, immer wieder unterbrochen von einzelnen Rufen, von Gelächter. Heitere Wellen der Vorfreude, die herüberschwappen. Ein Flirren liegt in der Luft, eine leise Aufgeregtheit.
In gut zwei Stunden beginnt das Konzert.
Er ist pünktlich, wie immer. Höflichkeit und Rock 'n' Roll schließen sich nicht aus. Er trägt Anzug, wie immer, auch das Ausdruck seines Respekts. Wenn mein Publikum sich gut anzieht, weil es ins Konzert geht, sagt Roland Kaiser, dann tue ich das selbstverständlich auch.
Im nächsten Moment bricht ein Sturm los ...
Die Musiker kommen, und es schallt durch die Waldbühne: Let meeee entertain youu! Drängende Gitarren, ein treibendes Schlagzeug, Klavier, Keyboards und buntes Scheinwerferlicht. Das Publikum jubelt. Im nächsten Moment ein fließender Übergang zum Intro von Kurios - und dann tritt auch Roland Kaiser aus dem Dunkel. Die Fans klatschen begeistert, rufen seinen Namen - und er geht langsam vor zum Bühnenrand, schaut in dieses Meer von Menschen vor sich, lächelt und verbeugt sich.
Und dann: Schlafzimmerblick, dazu ein Spitzenrosé .
Das Publikum singt mit: . gefühlte tausend Tage Sehnsucht! Überall halten Fans rote Pappherzen in die Luft und Schilder: ROLAND, WIR LIEBEN DICH! Die Gitarren drängen weiter, die Drums treiben, das Klavier, die Keyboards, und dann singen alle: Vergessen ist, was war, wir sind wieder daaa .
In weniger als zwei Minuten singt und tanzt die gesamte Waldbühne.
Das zweite Lied: Ich glaub, es geht schon wieder los. Ein rockiges Intro - wer spielt hier, irgendeine angesagte US-Band? Das Publikum geht mit, singt, tanzt. Ein Mann - auf seinem T-Shirt prangt Das Beste am Leben - küsst seine Frau. Sie strahlt ihn an.
Stark. Junge Frauen tanzen auf den Rängen, mitteljunge, mittelalte, noch ältere. Ältere Männer wiegen sich im Takt, mittelalte, mitteljunge, ganz junge. Ein Mann mit Siegelring hat einen verdammt sexy Hüftschwung.
Der Himmel über Berlin reißt auf.
Kein Problem. Überall rücken Pärchen zusammen: Eine Frau umarmt ihren Partner, er küsst ihr Haar. Ein Mann prostet seiner Liebsten mit einem Roland-Kaiser-Becher zu - sie greift zu, erst nach dem Becher und dem Kaiser, dann nach ihrem Mann. Verkäufer mit Bauchläden voller Bier und Erdbeerbowle schieben sich durch die ausgelassene Menge.
Santa Maria: Eine akustische Gitarre und sanftes Umnana, Umnana des Chors - Beifall brandet durch die Waldbühne. Alle schunkeln im Takt und singen ab Zeile 1 unisono: Santa Maria, Insel, die aus Träumen geboren ...
Amore mio: Noch lauterer Jubel, noch mehr Euphorie. Der stern nannte Roland Kaiser einst den »Soft-Pornografen des deutschen Schlagers«. Er selbst sagt, er wolle Geschichten erzählen, lebensnahe Geschichten, zum Beispiel davon, wie sich Menschen ins Abenteuer der Liebe stürzen. Dabei hat er sich nie gescheut, Amor um Eros zu erweitern, und so liegt in seinen Liedern etwas, das - jenseits aller Klischees - jede und jeden hier berührt, weil jeder und jede es schon einmal erlebt hat, irgendwie. (Ein paar Jahre später nannte Christiane Rösinger in der taz Kaiser übrigens »einen traurigen Philosophen, gefangen im Körper eines deutschen Schlagersängers«.)
Dann, zack, ein Sprung ins Jahr 2019: Kein Grund zu bleiben, ein Lied darüber, wie wichtig es ist, stets für seine Träume einzustehen. Frauen mit Blumenkränzen im Haar werfen Küsse in die Menge, und beim zweiten Refrain scheinen sämtliche 22 000 Menschen in der Berliner Waldbühne mitzusingen. Sie lachen und sie tanzen, sind Teil von etwas Ganzem - die Open-Air-Bühne ist ein brodelnder Kessel.
»Von solchen Abenden habe ich geträumt«, sagt Roland Kaiser, »es ist toll, hier zu sein!«
Tosender Applaus.
Über den Wolken - eine Hommage an seinen geschätzten Kollegen Reinhard Mey, alle singen mit.
Die Gefühle sind frei - ein Song von 1983, geschrieben mit Norbert Hammerschmidt, auf einer der zahllosen Fahrten jener Jahre, von Konzert zu Interview zu Fotoshooting zu TV-Auftritt.
Auch damals stand sein Name für Hits, doch er war einer, der sich suchte. Heute erfindet er sich neu, denn er hat sich längst gefunden.
Das Beste am Leben - eine Ode ans Leben und der Appell, immer wieder etwas zu wagen. Ein Mann in himmelblauem Sakko tanzt noch wilder als alle Frauen um ihn herum, ein Pärchen mit Leuchtbrillen (seine blau, ihre rot) fällt sich in die Arme, und eine Brezelverkäuferin reckt den linken Arm im Takt in die Höhe, mit dem rechten hält sie ihren Bauchladen fest.
Der Himmel über Berlin ist hoch und heiter.
Und dann:
Es brennt noch Licht am Horizont Das Böse hat noch nicht gewonn´n
Die Botschaft unserer Tage. Worte, nach denen alle lechzen.
Nimm meine Hand, dann sind wir zwei Wir schießen höchstens am Ziel vorbei Denn ich bin ein Träumer, einer von vielen Und ich seh weiße Fahnen weh´n
Liebe kann uns retten - Geigen, Bratsche, Cello mischen sich mit dem Gesang glücklicher Fans, mit entschlossener Zuversicht überall auf den Rängen, und dazu schwenken 22 000 Hände im Takt weiße Taschentücher.
Lang nicht mehr gemacht: Türkis, Lila, Blau und gleißendes Weiß - auf der Bühne explodiert ein Farbspektakel. Der Song erzählt von einem Paar, das endlich tut, was wir alle viel zu selten tun im Trubel des Alltags: Es besinnt sich auf sich, feiert seine Liebe, holt sich den Glanz der ersten Tage zurück. Eine Frau schaut zu ihrem Mann - er umarmt und küsst sie. Ein anderer Mann streicht seiner Frau über die Wange - und sieht sehr verliebt aus.
Lieb mich ein letztes Mal: Alle singen mit, eine Frau, um die sechzig, singt besonders inbrünstig, während ein Mann, um die vierzig, ihr zusieht, schüchtern irgendwie, selbst bewegt er nur ab und zu die Lippen. Schließlich steht er auf und geht Bier holen.
Alles was du willst: Ein Paar tanzt Discofox, mit jeder Drehung zieht der Mann die Frau näher, beim dritten Refrain drückt er sie an sich, seine Hände auf ihrem Po. Vorn auf der Bühne tritt Tina Tandler vor, ihre roten Locken leuchten, als sie den Kopf in den Nacken legt, das Saxofon hebt und zu einem Solo ansetzt. Sollte irgendwo in diesem Toben doch noch jemand auf seinem Platz sitzen, ist ihm wirklich nicht zu helfen .
Manchmal möchte ich schon mit dir: Bässe wummern, lassen den ganzen Körper beben. Flirten, Lachen, tiefe Blicke und geschätzte 22 000 Stimmen, die voller Hingabe einstimmen. Überall liegen sich Paare in den Armen, ein paar Frauen wirbeln singend eine Treppe hinunter und filmen sich dabei, eine trägt ein T-Shirt: Roland, ich will mit dir singen! (Vor vierzig Jahren stand auf Fan-Shirts: Roland, ich will ein Kind von dir!)
Midnight Lady. Gegen die Zeit. Schach Matt. Auf der Bühne wird es dunkel. Ein einzelner...
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