Schweitzer Fachinformationen
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Vorwort
"Woran sind sie gescheitert?", fragte mich 2012 ein Mitglied des Vorstandes der Superiorenkonferenz der 87 männlichen Ordensgemeinschaften in Österreich bei meinem Vorstellungsgespräch. Sie suchten damals so etwas wie einen Mediensprecher und Leiter des Bereiches Medien und Kommunikation. Was und wie war noch unklar. Es war Neuland. Das Warum, die Motivation für die Verbesserung der Kommunikation und Medienarbeit lag seit 2010 offen da. Die Missbrauchsfälle stehen im Raum und stellen alles in den Schatten. Da wollten sie etwas tun. Die Frage selbst bezog sich auf das Jahr 2009. Damals wurde ich vom Linzer Bischof Ludwig Schwarz von meinem Amt als Kommunikationschef und Mediensprecher der Diözese Linz "entpflichtet". Hinausgeworfen, sagt man unverschleiert. Ich war 30 Jahre in der als fortschrittlich, liberal und sozial bekannten Diözese in verschiedenen Aufgaben tätig. Eine kleine fundamentalistisch-?konservative Gruppe hat mit allen Mitteln versucht, diesen Kurs auf konservativ zu drehen und Bischof Maximilian Aichern "abzusägen". Sie nutzten die neuen Möglichkeiten des Internets und verbreiteten dort digital Falschmeldungen, heute Fake-?News genannt. Rom unter Papst Benedikt hat genau auf diese Kräfte gehört, diese Geschichten als pure Realität geglaubt und einen umstrittenen konservativen Weihbischof für Linz ernannt. Der wurde durch einen besonderen Zusammenhalt und Widerstand in der Diözese im Jahre 2009 verhindert. Das konnte und wollte Rom nicht so stehen lassen. Einige Bischöfe wurden nach Rom zitiert, ebenso der Nuntius. Gleich nach der Heimkehr aus Rom hat mir Bischof Ludwig Schwarz bei unserem üblichen Montagsgespräch eröffnet: "Ich werde eine Änderung im Kommunikationsbüro vornehmen." Es war mir klar: Ich wurde aus heutiger Sicht als Bauernopfer auserkoren und aus meiner Aufgabe eliminiert. Die Medien haben breit darüber berichtet, weil ich zur Symbolfigur für den Kurs der Diözese Linz geworden bin. Offen oder geschlossen, zukunftsorientiert oder rückwärtsgewandt, synodal oder hierarchisch, linienkonform oder situationsgerecht. Das war die über allem schwebende Frage. Über meinem Schreibtisch hing immer das Schild "geöffnet". Das war mein Grundanliegen. Das habe ich auch in der eigenen Pfarre ehrenamtlich gelebt, mit Leidenschaft eingebracht und vollem Engagement gelebt. Deshalb war diese Entpflichtung persönlich eine bittere Erfahrung für die ganze Familie, die mich in allem mitgetragen hat. Zu Fuß bin ich dann aufgebrochen von meinem Heimatort nördlich von Linz an der Donau nach Assisi. 52 Tage habe ich "verarbeitet", war wütend, wurde gelassen, habe in der Poebene viel geweint und bin zusammen mit meiner Frau über den Apennin gegangen. Es war der tiefste Vertrauensbruch, den ich in meinem Leben wegstecken musste. Ich bin aus der Spur geworfen worden.
Diese Frage nach meinem Scheitern war offen und direkt. Erstmals habe ich sie so direkt gehört. Das hat mich neugierig gemacht. Persönlich hatte ich eher das Gefühl, ich "wurde gescheitert". Aber das ist Geschichte, mit der ich persönlich versöhnt bin. Die Frage damals hat mich aber so getroffen, dass ich den Job bei den Ordensgemeinschaften angenommen habe. Daraus geworden sind sieben gute Jahre in Wien, unglaublich viele Erfahrungen und ein großer Gestaltungsraum, den ich für die Medien-? und Öffentlichkeitsarbeit voll genutzt habe. Nie hätte ich für möglich gehalten, dass mir im Rahmen der Kirche nochmals diese Chance und das Vertrauen in diesem Ausmaß entgegengebracht wird. Wie es meinem Naturell entspricht, habe ich die Sache mit Vollgas gelebt. Die Orden wurden in Folge von den Medien und anderen gesellschaftlichen und kirchlichen Einrichtungen "gemeinsam lebendig" wahrgenommen. Einzelne Häuser waren immer präsent, aber in dieser Zeit war das Gemeinsame, das Verbindende, das Ganze der Ordenskirche im Vordergrund. Und genau diese ungeschminkte Frage hatte mich nach Wien gezogen. Das ungeschminkte Hinschauen wurde so für mich Programm im Arbeiten für das "Netz der Orden".
"Bist du zu Fuß da?", werde ich bis heute launig gefragt, wenn ich irgendwo ankomme. Das Buch Mein Weg nach Assisi fasst die Erfahrungen 2009 aus meinen Blogbeiträgen, die ich nach Assisi geschrieben habe, zusammen. Mit vielen "Gescheiterten" kam ich so in Kontakt. Das Gehen wurde zu meinem Markenzeichen nach außen. #gehschenkteZeit schreibe ich deshalb immer als Hashtag unter meine Social-?Media-?Beiträge auf diversen Kanälen, wenn ich zu Fuß unterwegs bin und mit Bildern davon erzähle. Aus einer Notsituation wurde die Lösung. Es wird im Gehen gelöst. Das ist meine Erfahrung. Mit meinen Vorträgen zu "Weitgehen ist heilsam" oder "Das Gehen heilt das Klima" verdichte ich meine Erfahrung aus dem Gehen. Wer etwa drei Wochen am Stück zu Fuß etwa sieben Stunden am Tag unterwegs ist, erntet die körperliche, mentale und spirituelle Kraft, die aus dem Gehen kommt. Das Gehen erlebe ich als besondere Quelle der Kraft. Mittlerweile sehe ich alle Lebensbereiche aus der Perspektive und Erfahrung des Gehens, von der gehenden Bewegung her. Ob es der Spiri#Walk in Wien mit Lehrerinnen und Lehrern ist oder das Weltanschauen im Gehen mit Reisegruppen, es ist die Bewegung, die lehrt. So wie ich gefragt werde, ob ich zu Fuß da bin, so frage ich ernsthaft vor einem Gespräch oder einem Workshop: Können wir das auch im Gehen machen, besprechen, klären? Immer öfter steigen die Ansprechpartner darauf ein. Am Ende meist der Ausspruch: Das hat jetzt gutgetan. Eine besondere Annäherung im Netz der 195 verschiedenen Frauen-? und Männerorden in Österreich habe ich 2014 "unter die Füße genommen". Mein Ziel war es, mindestens zehn Prozent der Gemeinschaften in Österreich innerhalb von zehn Tagen zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu besuchen. Mit dabei hatte ich ein Smartphone und vier Fragen, die ich den Ordensleuten oder Verantwortlichen Frauen und Männern gestellt habe. Die Antworten haben sie mir in die Kamera gesprochen. Das machen sie normalerweise sehr ungern. Ohne die zwei-? bis vierminütigen Antworten zu bearbeiten, habe ich sie auf YouTube gestellt. Den Hashtag #ganzOhr habe ich davor gesetzt, er war mein Motiv im Hinhören. Immer waren es diese vier Fragen, die schon Papst Franziskus immer irgendwie artikuliert hat: Wo begegnet Ihnen Mitte? Wo begegnet Ihnen Rand? Wo liegen die Quellen der Inspiration? Wo sehen Sie Ihre Gemeinschaft in 20 Jahren? Das hat eine Kraft entwickelt und sich im Nachhinein verselbstständigt. Eine Ordensfrau hat gemeint: "Diese Fragen gehen tief, wenn ich mein Leben aus einer lebendigen Gottesbeziehung leben will. Wir haben unsere Exerzitien damit gestaltet."
"Du singst das Exsultet!", hörte ich unvorbereitet am Karfreitag 1975. Meine damalige Jugendfreundin hat mich auf die Jugendburg Altpernstein mitgeschleppt zur Osterbegegnung. Ich bin christlich sozialisiert, war Ministrant, habe mich in der Schulzeit in der eigenen Pfarre engagiert und mich mit dem damaligen Ortspfarrer "angelegt". Wir haben rhythmische Lieder gesungen. Das war damals noch verpönt. Heute wären viele Gemeinden froh, wenn die Jugend überhaupt etwas singen würde. Damals waren über 100 Jugendliche von Gründonnerstag bis Ostersonntag gemeinsam auf der Jugendburg. Der Jugendseelsorger Franz Haidinger kam am Karfreitag früh auf mich zu, hatte ein liturgisches Buch in der Hand, zeigte auf das Exsultet. Ich habe diesen besonderen österlichen Gesang immer gehört, aber nie und nimmer selbst gesehen, geschweige denn gesungen. Er hat mir das zugemutet, zugetraut. Den ganzen Tag über war ich kribbelig, habe schlecht geschlafen. Ich war Tenor im Chor an meiner Schule. Aber solo? So ganz alleine vor den Jugendlichen? Ich war 18 Jahre alt. Da sind andere Gedanken im Kopf als eine liturgische Funktion. Aber im Rückspiegel betrachtet hat sich schon damals gezeigt, dass ich mit Zumutungen gut umgehen konnte, ja daran gewachsen bin. Auf ähnliche Weise wurde ich Erzieher am Petrinum, Pastoralassistent in der Dompfarre Linz, Ausbildungsleiter für die Theologiestudierenden, Internetbeauftragter und schließlich Kommunikationsverantwortlicher. Diese Zumutungen wurden immer an mich herangetragen und waren in einen Mantel des Vertrauens gewickelt. Damals habe ich das Exsultet gesungen, ohne Pannen, sonst würde ich es heute noch wissen. Genau weiß ich noch, dass die Osterkerze in der Mitte des Raumes von weit über einhundert Teelichtern umgeben war. Im Laufe der Osterliturgie wurde die Osterkerze durch die Wärme weich und neigte sich langsam zur Seite. Sie wurde fließend. Fluid. Dieses lebendige Erlebnis hat mich zum Theologiestudium gebracht. Das Leben fließt, der Glaube ist nichts Starres, wie in der Pfarre erlebt, sondern er richtet auf, steht auf, erhebt sich, befreit. Das verbinde ich mit dem Exsultet, das ich bis 2009 auch in der Pfarre bei voller Kirche in der Osternacht singen durfte. Es hat mich immer innerlich erfasst, angesprochen und kribblig gemacht. Das Leben wurde noch eine Spur lebendiger. Dann kam allerdings ein Pfarrprovisor, der mir das Exsultet weggenommen hat mit der Begründung: Das singt der Priester. Damit hat er mir nicht nur die Erinnerung genommen, sondern ein Stück meiner tief empfundenen Berufung in der Pfarre, in der ich zehn Jahre ehrenamtlich voll engagiert?war.
"Wollt ihr?", fragte uns 2002 Barbara Dressler, die ich für die Moderation unserer Pfarrgemeinderatsklausur gewinnen konnte. "Wollt ihr, dass im Bergdorf in 50 Jahren der christliche Glaube noch eine tragende Rolle spielt?" Die erfahrene Personalentwicklerin in einem großen weltweiten Konzern rollte in aller Ruhe das Blatt mit dieser Frage aus. Der Pfarre ging es damals nicht...
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