Schweitzer Fachinformationen
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Scroll less. Love more!
Möbelrestaurateurin Juno hat die digitale Welt bewusst hinter sich gelassen. Handy? Fehlanzeige! Facebook? Nein, danke! Mit Plattenspieler und Video-Tapes lässt sie die Achtziger aufleben. Eines Tages schneit YouTube-Star Taro in ihre Werkstatt und bittet sie, ihm bei der Restaurierung eines japanischen Teeschranks zu helfen. Was Juno nicht weiß: Nicht der Teeschrank ist das Projekt. Sie selbst ist die Challenge. Ganz Deutschland schaut zu, wie Taro seine eigenen Flirttipps an ihr ausprobiert. So ungeplant wie unerwartet entwickeln Juno und Taro jedoch echte Gefühle füreinander. Als Juno herausfindet, dass sie zur YouTube-Berühmtheit geworden ist, kann das nur das Ende bedeuten. Oder?
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In den Zustand innerer Unsicherheit oder Irritation geraten, ausgelöst durch eine überraschend eintretende Situation oder eine plötzlich auftretende Person.
Freitagabend, und ich habe ein Date. Mit Giovanni. Giovanni ist Italiener und fünfundneunzig Jahre alt. Vor zwei Wochen fehlte ihm noch ein Bein, aber optisch ist er nun wieder fit. Jetzt wartet er nur noch darauf, dass ich seinen Charme wiedererwecke. Giovanni hat Klasse, Stil und sehr viel Geduld. Ich hingegen bin alles andere als geduldig. Ich will loslegen und werde immer unruhiger, als mein Azubi Aurelius mir zuerst lang und breit erzählt, was er in der letzten Stunde zusätzlich erledigt hat, und dann, warum er am Montag, wenn überhaupt, erst nachmittags anfangen kann.
»Je nachdem, wie das Game am Sonntag läuft«, erklärt er mir. »Also, kann schon sein, dass mein Team die ganze Nacht spielt. Dann müsste ich halt Schlaf nachholen. Wär doch okay, oder?«
»Passt schon. Viel Erfolg!«, sage ich schnell, um ihn loszuwerden.
»Jo! Diesmal wollen wir die Finals unbedingt gewinnen, und dann im August ab nach Hamburg, die Spring-Finalisten plattmachen, den deutschen Meistertitel holen und in die Euro-League aufsteigen.«
Ich nicke verständnisvoll, obwohl ich fast nur Bahnhof verstehe. Es geht um ein Spiel namens League of Legends, in dem Aurelius und sein Team, das sich Dragons of Destiny nennt, virtuell losziehen, um anderen Teams die Hütte einzurennen, wobei sie aufpassen müssen, dass ihre eigene Hütte stehen bleibt.
Aurelius holt sein Handy aus der Tasche seiner Latzhose, hält es hoch und wackelt damit. »Wenn ich mal ganz kurz .«
Ich schüttele den Kopf und nicke zur Tür hin. Das Handy kann er meinetwegen im Hof benutzen, am besten erst auf der Straße. Bei mir hier drinnen ist es tabu.
»Och, Digger, Sie sind echt kompromisslos!«, brummelt er und schlurft zur Tür.
Durch die Fensterfront beobachte ich, wie er draußen im Hof die Kopfhörer aus seinem Rucksack holt und aufsetzt.
Aurelius lernt im zweiten Jahr bei mir. Er ist ein netter Kerl, hilfsbereit und aufmerksam. Er möchte aber tausendmal lieber League of Legends-Weltmeister sein und betrachtet die Ausbildung zum Tischler als eine Art Zwischenstation, wo er parkt, bis er im Gaming genug Erfolg hat. Seine Aufgaben erledigt er zwar ordentlich, doch ohne besonderes Interesse. Würde er sich wirklich darauf einlassen, fände er die Arbeit mit Holz nicht nur anstrengend, sondern auch entspannend. Er gäbe dann nicht nur die fünfzig Prozent, mit denen er schon irgendwie über den Tag kommt, sondern all die Kraft, Ausdauer und Körperbeherrschung, die diese Arbeit braucht. Weil Aurelius aber nicht nur das, sondern auch jede Begeisterung fehlt, macht es für ihn keinen Unterschied, ob die Möbel, die wöchentlich in meiner Restaurationswerkstatt ankommen, von IKEA stammen oder aus einem vergangenen Jahrhundert. Und ihre Geschichten sind ihm ebenfalls egal.
Geschichten wie die von Giovanni, ein mehr als zwei Meter langer, italienischer Art-déco-Tisch aus dem Jahr 1929. Unzählige Feste und Zusammenkünfte hat er erlebt. Er hat Familien und Freunde um sich geschart, Speisen und Wein getragen, ausgelassene Gespräche und hitzige Diskussionen über sich ergehen lassen, einen Weltkrieg überstanden.
Das dunkle, kräftig gemaserte Palisanderholz, aus dem er gefertigt ist, gehörte wegen seiner besonderen Farbigkeit zu den ersten Hölzern, die Ende des neunzehnten Jahrhunderts von Übersee nach Europa importiert wurden. Damals wurde es meist ebonisiert, also mit einem Lack überzogen, der es nahezu schwarz glänzen ließ. Dieser Lack fehlt Giovanni noch, denn er war so stark beschädigt, dass ich ihn abschleifen musste. Der Lack ist das Programm unseres heutigen Dates.
Ich hocke mich hin und betrachte einen der vier meisterhaft geschnitzten Windhunde, welche die Platte als Tischbeine tragen. Dass er aus der Konstruktion gebrochen war, sieht man nicht mehr. Zusammen mit den drei anderen sitzt er nun wieder stolz auf dem Sockel.
Im Büro nebenan klingelt das Telefon - ein Geräusch, das ich nach Werkstattschluss routiniert ausblende. Ich schnipse mit den Fingern, denn jetzt ist Showtime!
Links in der Ecke neben der Fensterfront steht meine Stereoanlage. Ihr Radioempfänger ist seit Jahren kaputt, aber ich verwende ohnehin nur das Kassettendeck. Nach kurzem Stöbern entscheide ich mich für Cyndi Lauper und ihr 1983 aufgenommenes Debütalbum She's so Unusal. Vor mich hin summend lege ich es ins Deck und spule zum fünften Song - She Bop, genau danach ist mir gerade. Als die ersten Töne erklingen, drehe ich die Lautstärke hoch und wippe im Rhythmus des Intros, um mich aufzuwärmen. Dann beginnt Cyndi zu singen, und ich tanze zum Regal, wo ich Pinsel und Lacke aufbewahre. Als ich gerade richtig in Schwung komme, taucht Aurelius wieder auf und bremst mich aus. Auf der Suche nach irgendetwas streift er durch meine Werkstatt.
»Gute Moves, Digger«, ruft er über die Musik hinweg.
Die Arme vor der Brust verschränkt beobachte ich, wie er sucht und sucht. Endlich schnappt er sich seine halb geleerte Coke-Flasche von einer der Werkbänke und trollt sich. Ich spule das Tape zum Anfang von She Bop, starte den Song erneut und groove mich ein. Ein bisschen wippen, ein bisschen swingen, ein bisschen nicken und schnippen, und es wird wieder. Singend und tanzend suche ich nach den richtigen Pinseln, nehme einen schmalen und einen breiten mit weichen Borsten und wende mich den Lacken zu.
»Ähm, sorry! Frau Klippstein?«, tönt es da.
Die Stimme hat den Effekt einer Turntable-Nadel, die abrupt über eine Platte gezogen wird. Kratzig-kreischend bringt sie mich zum abrupten Stopp.
Patrizia, oder besser: Frau von Großeimern, steckt den Kopf zur Werkstatt herein. Sie ist das Oberhaupt der vierköpfigen Familie, die das Nebenhaus gemietet hat. Wenn sie gesprächig ist, erzählt sie mir, dass sie eigentlich Herzogin ist und auf dem Landsitz ihrer Familie wohnen würde, wären ihre Vorfahren durch die Abschaffung des Adelsstands in Deutschland vor einhundert Jahren nicht zum Verkauf gezwungen gewesen. Nun wohnt sie halt bei mir und muss im Amt für Abfallwirtschaft Geld verdienen. Kaum etwas ärgert sie so sehr, wie Frau Großeimern genannt zu werden. Auf das »von« legt sie enormen Wert, auch bei ihren fünfzehn- und elfjährigen Söhnen in der Schule, die nach historischem Adelsrecht eigentlich mit Prinz Ludwig von Großeimern und Prinz Jakob von Großeimern angesprochen werden müssten. Ihr Mann, Herr von Großeimern, hatte früher einen anderen Namen und keine Wahl.
»Könnten Sie die Musik leiser stellen?«, bittet mich Frau von Großeimern. »Ich würde jetzt gern Yoga machen.«
Leise vor mich hin grummelnd gehe ich zur Stereoanlage und regele die Lautstärke ein bisschen herunter. Dass Frau von Großeimern in ihrer Wohnung statt in meinem Garten Yoga machen könnte, verkneife ich mir zu sagen, um das harmonische Miteinander nicht noch mehr aus der Balance zu bringen, als es ohnehin ist.
»Ich danke Ihnen!«, zwitschert sie, obwohl sie mich wahrscheinlich lieber anknurren würde. Sicher ist sie immer noch sauer, weil ich ihr auch in diesem Sommer nicht erlaube, einen Pool aufzustellen. Über den Hof schwirrt sie nach hinten in den Garten, wo ihre Yogamatte schon ausgerollt liegt.
Ich spule den Song zurück und starte ihn ein drittes Mal. Wippen, swingen, mitsummen . es will nicht mehr so recht. Also schnappe ich mir einen geeigneten Lack und bringe alle Utensilien zur Werkbank, neben der Giovanni wartet. Mithilfe eines Schraubenziehers öffne ich die Dose, da ruft jemand: »Hallo? Entschuldigung!«
»Herrgott nochmal, was ist jetzt wieder?«, schimpfe ich und fahre herum.
In der Tür steht ein Typ, den ich noch nie gesehen habe.
Er trägt ein graues Hemd, dessen Ärmel er nach oben geschoben hat, darunter eine schwarze Chino. Am Handgelenk glänzt eine Uhr. In den Fingern hält er eine Sonnenbrille, klappt sie zusammen und steckt sie sich in den Hemdausschnitt.
Endgültig genervt lege ich den Schraubenzieher weg, gehe abermals zur Stereoanlage und drücke die Stopptaste. Das mit der Musik wird heute wohl nichts.
»Wir haben geschlossen«, lasse ich ihn wissen.
Er kommt trotzdem herein. Die Tür schwingt hinter ihm zu.
»Ich suche den Meister«, sagt er.
So, so! Der Meister soll es also sein. Da ist er hier an der falschen Adresse.
Ich blockiere seinen weiteren Weg in mein Reich, halte dabei aber eine gewisse Distanz zu ihm ein und mustere ihn flüchtig. Er ist etwa in meinem Alter, Mitte dreißig also, und das Gegenteil von den Männern, die mir gefallen. Das Gegenteil eines Mannes, der anpacken kann. Zwar ist er größer als ich, was ich mag, aber sehr schlank, ziemlich glatt und offenbar auf Optik bedacht. Seine Kleidung ist nicht von der Stange, vermutlich auch nicht spontan kombiniert und übergeworfen. Mein Kurz-Check sagt mir, dass er ein Auge dafür hat und Wert darauf legt, dass alles passt. Seine wellig ums Gesicht fallenden Haare sind entweder dunkelbraun oder schwarz. Ein paar Sommersprossen zeichnen seine helle, beinahe blasse Haut. Die Konturen der Wangen sind markant, fast scharfkantig, aber der Mund ist fein geschwungen. Besonders auffällig sind seine Augen. Sie sind mandelförmig und verraten damit, dass er asiatische Wurzeln hat. Wirklich ungewöhnlich sind sie allerdings nicht aufgrund ihrer Form, sondern vor allem wegen ihrer hellen Farbe. Im Licht der Werkstatt...
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