Schweitzer Fachinformationen
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Fenja sah es sofort und stöhnte genervt auf.
Das Haus war hell erleuchtet, durch die Fenster drang gelbes Licht nach draußen. Sogar in dem kleinen Dachbodenfenster konnte sie einen Lichtschein erkennen.
"Verdammt, das hat mir gerade noch gefehlt!" Fenja schloss den Wagen ab und lief Richtung Haustüre. "Wenn Ole jetzt wieder das ganze Haus unter Staub und Dreck gesetzt hat", überlegte sie, "bring ich ihn um."
Sie hatte den ganzen Tag in ihrer Fischbude gestanden, die Wünsche einer großen Schar an Gästen erfüllt. Nicht alle waren freundlich, manche sogar unhöflich, und jetzt auch noch das.
Fenja liebte ihre Fischbude, liebte ihre Gäste, die fast alle freundlich und dankbar bei ihr kauften, ihre Ware lobten - aber eben nur fast alle. Eigentlich nahm sie den kurzen Weg zur Fischbude im Hafen von Schlicksiel, in der sie Fisch- und Krabbenbrötchen, Backfisch, Kibbelinge und Pommes anbot, immer zu Fuß, nur heute nicht. Denn bevor sie um zehn Uhr ihren Verkaufsstand an diesem sehr von Touristen besuchten Platz im Hafen geöffnet hatte, war sie noch in Oldenburg beim Großhändler gewesen, um Servietten, Teller und andere Dinge zu besorgen, die ihr ausgegangen waren. Ein langer Tag lag hinter der jungen Frau.
Außerdem hatte der Besitzer einer Fischbude in Wilhelmshaven heute sehr lange auf sich warten lassen, um seine Ware abzuholen. Einmal in der Woche lieferte Bengt, der Fahrer der Fischereigenossenschaft, eine zusätzliche Kiste bei ihr ab, die dann der Kollege aus Wilhelmshaven abholte. Warum nicht? Sie tat Bengt gerne den Gefallen, um den er sie vor ungefähr zwei Monaten gebeten hatte. So sparte er sich eine zusätzliche Fahrt nach Wilhelmshaven. Erst nachdem der nun seine Ware abgeholt hatte, konnte Fenja nach Hause gehen. Sie musste unbedingt mit Bengt sprechen. Oft durfte das nicht passieren, dass der Typ sie so lange warten ließ. Im Übrigen war der Mann ihr unsympathisch. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, dass ein so unfreundlicher Mensch Kundenkontakt halten und erfolgreich Fisch verkaufen konnte. Nun, das sollte sie nicht kümmern. Sie hatte andere Probleme, denn zu Hause würde heute sicher wieder das Chaos auf sie warten.
"Der sieht aus wie zehn Jahre Zuchthaus", hatte sie einmal zu Ole, ihrem Mann, gesagt. "Dass dem überhaupt jemand Fisch abkauft, kann ich mir nicht vorstellen." Ole hatte nur etwas Unverständliches gemurmelt.
Müde schloss sie die Haustüre auf. Eigentlich wollte sie nur noch ihre Ruhe haben. Duschen, die Füße hochlegen und einen Film schauen, einfach abschalten. Jetzt aber war ihr klar, was sie erwartete, denn sie roch den Staub schon, den Ole heute wohl wieder durch Sägearbeiten verursacht hatte. Ihr Mann renovierte! Seit fast einem Jahr schon. Direkt nachdem seine Mutter verstorben war und sie das Haus übernommen hatten, renovierte er, riss Wände heraus, baute neue auf. Allerdings hinterließ er die Baumaßnahme im Haus plötzlich als unfertige Baustelle. Entsprechend sah es im Haus aus. In den letzten Wochen hatte er in der Wohnung selbst gar nichts mehr gemacht, sich stattdessen intensiv mit dem Dachboden befasst, sogar eine Matratze irgendwann nach oben geschafft. Warum?
Seit einem Jahr lebten sie in Dreck und Staub. Immer wieder hatte Fenja ihn aufgefordert, die Räume mit Folie abzukleben, damit nicht alles versaut werden würde. Immer wieder musste sie nach der Arbeit das ganze Haus von oben bis unten putzen.
Und wenn sie dann fertig war, lag er frisch geduscht auf der Couch und daddelte an seiner Spielekonsole herum oder schnarchte, was das Zeug hielt. Dazu kam, dass er zwischendurch tage-, manchmal wochenlang für Jüst, seinen Chef und die Fischereigenossenschaft auf See war, die Arbeit in dieser Zeit ruhte und sie auf einer Baustelle leben musste.
Zwischendurch war ihm sogar das Geld ausgegangen, und Ole hatte eine Pause eingelegt. Aber Baustelle hatten sie trotzdem. Dann war von irgendwoher ein warmer Geldregen gekommen - Ole hatte ihr nicht gesagt woher -, und seitdem werkelte er fast nur noch auf dem Dachboden. Fenja fragte sich warum? Da würde nie ein Wohnraum entstehen, dafür war die Schräge viel zu niedrig. Ole aber engagierte sich dort immens und machte ein Geheimnis daraus. Warum? Für wen? Dachschräge und Fußboden hatte er verkleidet, dafür gesägt, was das Zeug hielt, und das mitten im Flur. Dementsprechend sah die Wohnung immer aus. Er hatte sogar eine neue Bodentreppe eingebaut, was sie von Anfang an für unnötig gehalten hatte.
Ja, von dort oben zog es im Winter und bei Stürmen, die hier an der Küste oft herrschten, wie Hechtsuppe. Ihrer Meinung nach hätte es aber gereicht, die alte Bodenklappe zu isolieren. So oft betraten sie den Boden nicht, eigentlich nie.
"Der Dachboden geht dich nichts an, das ist mein Ding, ich will dich hier oben nicht sehen", war letzte Woche seine unwirsche Reaktion gewesen, als sie ihn wieder einmal darauf angesprochen hatte.
"Keine Angst, ich klettere da niemals hoch", hatte sie geantwortet. Nein, das war klar, sie würde diese komische Ziehharmonikatreppe niemals betreten. Sollte er doch dort oben glücklich werden. Aber warum machte er so ein Theater um den Raum? Fenja konnte es nicht nachvollziehen.
Die junge Frau hatte die Nase voll. Was sie wohl heute erwartete? Kaum hatte sie die Tür hinter sich geschlossen, hörte sie Ole schon.
"Da bist du ja endlich. Komm rauf, du musst mir helfen", kam es von oben.
"Lass mich doch erst einmal heimkommen. Was ist denn schon wieder?"
"Komm rauf, du musst mir helfen!" Oles Stimme schwoll an.
"Wo bist du?"
"Auf dem Dachboden, verdammt!"
Der Dachboden, schon wieder. War ja klar.
Mit einem Seufzer warf sie ihre Tasche in die Ecke, strich Fee, ihrer Katze, kurz über den Kopf und ging mit schweren Schritten die Treppe nach oben. Handlauf wie Treppenstufen waren wieder einmal über und über von Sägestaub bedeckt. Sie stöhnte entnervt auf.
Im ersten Stock traf sie auf die heruntergelassene Bodentreppe, Ole saß oben im Loch, seine langen Beine baumelten nach unten.
"Schieb das Ding mal hoch und mach die Klappe zu!", forderte er.
"Hallo? Wie wäre es mit: 'Moin, wie geht es dir, mein Schatz? Wie war dein Tag?' Ich komme von der Arbeit und bin platt."
"Mein Tag war auch scheiße, ich ackere hier schon den ganzen Tag an der blöden Treppe herum. Hättest ruhig früher kommen können", kam es zurück. Ihren Einwand überging er.
"Und außerdem hast du schon wieder nichts abgehängt. Das ganze Haus stinkt nach Staub, und überall liegt Sägemehl. Mensch Ole, wie oft soll ich dir das noch sagen?"
"Ich habe die Decke neu verkleidet, muss ja nicht jeder sehen, dass es hier einen Weg nach oben gibt. Und es ist perfekt geworden." Er lachte hämisch. "Sieht kein Schwein, also reg dich ab."
Sie schaute kopfschüttelnd zu ihm hoch und wollte wissen: "Und warum muss ich jetzt hier helfen? Warum hast du nicht deinen Bruder geholt? Außerdem, welches Ding meinst du?"
"Weil Nils keine Ahnung hat und alles besser weiß."
"Klar, ist ja auch dein Bruder!", konterte Fenja.
"Quatsch nich, schieb die Leiter zusammen und die Klappe dann hoch. Ich muss hier an den Federn etwas einstellen und das Kabel anschließen. Geht aber nur, wenn das verdammte Ding geschlossen ist."
"Ich?" Fenja wusste, dass das bei ihrer Körpergröße von einhundertfünfundfünfzig Zentimetern schwierig werden könnte. "Ich sollte dich da oben sitzen lassen für die nächsten Tage, dich hält doch kein Mensch aus. Ole, du nervst!"
Wieder überging er sie.
"Mach schon, schieb!"
Mühsam schob sie den unteren Teil der Bodentreppe in den oberen, bis er in der Halterung einrastete. Es war ein schwieriges Unterfangen bei ihrer Körpergröße. Weiter kam sie nicht, schon das konnte sie nur auf Zehenspitzen erledigen.
"Und jetzt?"
"Hochklappen!"
"Witzbold, da komm ich doch gar nicht dran!"
"Stell dich nicht an, das geht!"
"Da muss es doch so einen Stab geben, den man dafür nimmt, um von unten zu schieben."
"Der steht in der Ecke!"
"Wo?"
"Na da, irgendwo!" Er ließ seinen Fuß kreisen, zeigte mal nach rechts, mal nach links.
"Wo ist denn unsere Trittleiter? Vielleicht geht es damit. Ich steige hoch, gebe der Klappe einen Schubs, und sie geht zu."
"Nee, du brauchst den Stab. Der muss in das Loch einrasten, und dann musst du den Stab im Loch drehen, sonst bleibt die Klappe nicht zu und ich kann nix machen. Später läuft das anders, aber jetzt . Mach schon. Stell dich nicht an und nimm den Stab. Der muss da irgendwo stehen."
"Ole, ich lass dich wirklich gleich da oben sitzen. Noch ein Wort und ."
"Warte mal, bring mir erst ein Bier, sonst verdurste ich, bis du es auf die Reihe gebracht hast, den Stab zu finden."
"Und wie soll das gewünschte Bier nach oben kommen?"
"Stuhl, raufsteigen, Flasche hochreichen. Nun stell dich nicht blöder, als du bist! Mach los, ich will hier oben nicht übernachten. Und außerdem habe ich Hunger. Wenn ich fertig bin, brauch' ich was zum Beißen."
"Weißt du was? Ich ." Fenja brach ab. Es hatte ja keinen Sinn. Ole und sein verdammter Dachboden. Vielleicht sollte sie irgendwann doch einmal nach oben klettern. Irgendwann, wenn er mal wieder auf See war. Wer...
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