Schweitzer Fachinformationen
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The moment I wake up
before I put on my make-up
I say a little prayer for you
while combing my hair now
and wondering what dress to wear now
Wutzky! Du bisch so an Vollidiot! Du hosch's echt druff, dich dodal unbeliebt zu macha!«[1]
Ich saß auf meinem Hintern und schnappte nach Luft. Keine gute Idee. Das Riesenvieh stank wie ein Mülleimer. Es war aus der Haustüre geschossen wie eine Rakete, hatte seine Schnauze in meinen Magen gebohrt und mich auf mein Hinterteil katapultiert. Nun hing es mit heraushängender Zunge über mir, sah irgendwie begeistert aus und blies mir seinen Atem ins Gesicht. Das Tier war nicht furchterregend. Nur ziemlich eklig. Offensichtlich hatte es sich schon ziemlich lange nicht mehr die Zähne geputzt.
»Hosch dr wehdoo?« Harald packte das Viech am Halsband und zog es mit aller Kraft zurück. Mit der anderen Hand half er mir auf die Beine. An meinem Po klebten feuchte Blätter. Ich war zum Glück in einem modrigen Laubhaufen gelandet. Wie gut, dass Lila und ich es nicht so mit der Kehrwoche hatten!
»Nix passiert«, sagte ich atemlos.
»Dud mr echt leid, Line. Offasichdlich hot dr Wutzky dich glei ens Herz gschlossa.«
»Ist das etwa dein Hund?«, fragte ich. War das überhaupt ein Hund? Das Vieh war etwa so groß wie ein Kalb, nur deutlich hässlicher. Es hatte kurze, struppige Haare, einen zu kurzen Schwanz und viel zu große Schlappohren. Es sah ein bisschen aus wie eine missratene Kinderzeichnung. Okay, die Farbe des Fells war ganz hübsch. Verschiedene Brauntöne, die ineinanderliefen wie Strähnchen vom Friseur. Das war aber auch das Einzige, was mir positiv auffiel.
»Lila erklärd dir älläs«, sagte Harald hastig. »Mir gangad derweil oms Viereck. Komm, Wutzky.« Ohne Jacke und Leine zischten Harald und Wutzy ab.
Ich pflückte die feuchten Blätter von meiner Jeans, ließ im Flur Jacke, Schal und Umhängetasche fallen, zog die Stiefel aus und ging in die Küche. Lila, meine Mitbewohnerin und beste Freundin, stand am Herd und rührte in einem Topf.
»Was ist das für ein Hund?«, fragte ich.
»Und auch dir einen schönen Abend, Line. Das ist Haralds Scheidungshund«, sagte Lila. »Seine Frau - Ex-Frau - streikt. Sie hat einen neuen Freund und keine Lust mehr, sich ständig um den Hund zu kümmern. Sie haben ausgehandelt, dass Wutzky unter der Woche in Schorndorf ist und das Wochenende bei Harald verbringt.«
»Soll das heißen, wir haben jetzt jedes Wochenende diesen stinkenden Köter am Hals?«, fragte ich.
»Ich fürchte, ja. Ich bin auch nicht gerade begeistert, aber was soll ich machen. Der Hund gehört nun mal zu Harald.«
»Ich bin allergisch gegen Hundehaare!«
»Quatsch.«
»Doch! Es juckt mich schon am ganzen Körper!« Ich fing an, mich wie wild zu kratzen.
»Das bildest du dir ein.«
»Außerdem hatte ich erst vor ein paar Monaten eine traumatische Erfahrung mit einem Hund. Erinnerst du dich? Darüber bin ich noch nicht hinweg. Seither war ich nie mehr Joggen.« Ein zotteliges Monster namens Klaus-Peter, nicht ganz so groß wie Wutzky, hatte mich auf dem Blauen Weg umgenietet und abgeschleckt.
»Du hast das Joggen nicht des Hundes wegen gelassen, sondern weil du deinen Arsch danach nicht mehr hochgekriegt hast. Und Wutzky ist so ein lieber Hund, er wird dir helfen, dein Trauma zu verarbeiten. Wenn er dich stört, verbringen wir in Zukunft eben jedes Wochenende bei Harald in der Landhausstraße. Wenn dir das lieber ist, gib Bescheid.«
»Das ist Erpressung! Ich will nicht, dass du jedes Wochenende weg bist!«
Vor allem jetzt nicht, wo mein eigener Freund Tausende von Kilometern entfernt war. Im Moment hatten wir nicht mal eine Wochenendbeziehung. Mehr so eine Fernbeziehung. Eine Sehr-weit-weg-Beziehung. Oder eine Skype-Beziehung. Knutschen am Bildschirm war allerdings auf Dauer ziemlich unbefriedigend. Dann doch lieber Lila plus Harald plus Riesenköter, als ganz alleine rumzusitzen.
Ich seufzte, ließ mich auf einen unserer wackeligen Stühle fallen und schenkte mir eine Tasse Kaffee aus der Thermoskanne ein. Die Haustüre öffnete sich, und Harald und Wutzky kamen zurück. Wutzky trabte zu Lila, die gerade Gemüse schnippelte, drückte seine Schnauze an ihr Bein und sah sie bittend an. Als Lila nicht reagierte, schaltete sein Blick - klick - auf flehend um, und als auch das nichts fruchtete - klick - auf leidend.
»Verschwinde«, knurrte Lila. »Das fangen wir gar nicht erst an. Außerdem schmeckt dir Biogemüse sowieso nicht.«
Wutzky trollte sich unter den Tisch. Er schien zu wissen, wann er verloren hatte.
»Wow«, sagte ich. »Gibt's da eine Fernbedienung, mit der man den Gesichtsausdruck umschalten kann?«
»Mei Ex-Frau hot emmr gsagt: Wenn es einen Oscar für Hunde gäbe, hätte Wutzky ihn schon längst bekommen. Er ischt der geborene Schauspieler.«
Harald war in etwas verfallen, das so klang, wie wenn schwäbische Politiker vorgaben, Hochdeutsch zu reden. »Dud mir echt leid, dass i eich mit dem Hond nerv. Mei Ex-Frau sagt: Ich brauche Zeit für meinen neien Freund, da will ich nicht von einem Hund geschdört werden«, sagte Harald. Seine Stimme klang bitter. »Machd's dr ebbes aus, Line?«
Ich ächzte. »Ich hab's nicht so mit Hunden. Aber wenn's nicht anders geht . ich fände es auch schade, wenn ihr jetzt wegen Wutzky nicht mehr hier aufkreuzt. Er ist nur ein bisschen groß.«
»Du muscht jetzt Verantwortung für den Hund übernehmen, sagt mei Ex-Frau. Schließlich kümmere ich mich om unsere Töchter. Ond soll der arme Hond jetz ens Dierhoim, bloß weil mei Frau an Neia hot?«
In Haralds Augen standen Tränen. Auweia. Lila zerkleinerte mit großer Energie Karotten und schwieg. Wutzky streckte seinen Kopf unter dem Tisch vor und sah Harald mit einem Blick an, der eindeutig sagte: »Ich weiß, was du durchgemacht hast, Cowboy.«
In diesem Augenblick gab es einen lauten, geräuschvollen Knall wie aus einer Kinderpistole. Kurz darauf durchzog ein ekelhafter Gestank die Küche. Harald rannte zum Fenster und riss es weit auf.
»Des isch leider au so a Gewohnheid vom Wutzky. Wenn er glicklich isch, noo lässt er oin fahra.«
Wutzky sah von einem zum anderen. Sein lächerlich kurzer Schwanz schlug heftig auf den Boden. Er sah in der Tat sehr glücklich aus und schien sich bei uns ausgesprochen wohl zu fühlen. Besonders sensibel schien er nicht zu sein. Sonst hätten ihn meine negativen Schwingungen vom Glücklichsein abgehalten.
»Kann i dir ebbes helfa, Lila?«, fragte Harald.
»Ist ja nett, dass mal einer fragt«, sagte Lila.
»Tut mir leid«, sagte ich schuldbewusst. »Ich bin nur vollkommen platt. Ich muss mich erst wieder an diese langen Arbeitstage gewöhnen.«
»Sozialpädagoginnen haben auch lange Arbeitstage. Trotzdem lassen sie nicht ihren ganzen Kram einfach im Flur fallen. Sie kochen sogar noch.«
»Ich räum's ja gleich weg«, sagte ich.
»Wie laufd's denn so?«, fragte Harald.
»Im Moment eigentlich ganz okay. Es ist nur so wahnsinnig viel, das ist eigentlich nicht zu schaffen. Da hat sich ein Riesenberg angestaut, weil die Frau, die ich vertrete, fehlt ja jetzt schon länger. Und ich merke eben, dass ich ziemlich lang aus dem Job raus war. Außerdem haben die so eine komische Verwaltungs-EDV, an die muss ich mich erst gewöhnen. Aber was soll's, ich bin froh, dass ich wieder arbeiten darf.«
»Mach uns doch mal ein Fläschchen Wein auf, Harald«, sagte Lila. »Dann läuten wir das Wochenende ein.«
Vor drei Wochen hatte ich einen neuen Job angefangen. Fast ein Jahr lang war ich arbeitslos gewesen. Dann hatte ich durch Zufall wieder eine Stelle als Texterin bei der Werbeagentur Friends and Foes gefunden. Im Moment war ich in der Probezeit. Die sollte zwei Monate dauern, und deswegen musste ich ranklotzen. Außerdem war es erst mal nur eine Schwangerschaftsvertretung. Aber nach der langen, deprimierenden Zeit ohne Arbeit war es großartig, morgens wieder aus dem Haus gehen zu können. Außerdem lenkte es mich davon ab, dass mein Freund in China saß.
Ich räumte meine Sachen im Flur auf und lief die Treppe hinauf in mein Zimmer. Auf meinem Bett lag Suffragette, Lilas Katze, und beantragte offensichtlich Asyl. Ich streichelte sie und sagte: »Na, Suffragette, jetzt gibt es hier schon zwei, die den Köter nicht mögen, oder?« Suffragette sprang auf, fauchte, machte einen Katzenbuckel und schoss zur Tür hinaus. Bestimmt roch ich nach Wutzky. Jetzt gehörte ich auch zu den Verrätern.
Ich tauschte meine Klamotten gegen einen schlabbrigen verfärbten Jogginganzug. Hurra, Wochenend-Look! Nicht, dass man bei einer Agentur im gebügelten Blüschen auftauchen oder schick sein musste. Aber man durfte zumindest keine Flecken auf den T-Shirts haben. Oder Löcher. Löcher in den Jeans, das ging durch, aber nur, wenn es vom Hersteller gewollte Löcher waren. Meine Hosen hatten oft ungewollte Löcher und meine T-Shirts ungewollte Flecken. Mir war aber schon aufgefallen, dass auch mein neuer Kollege Micha morgens mit einem sauberen T-Shirt kam und abends mit einem fleckigen T-Shirt ging. Das hatte etwas Beruhigendes.
Ich ging zurück nach unten in die Küche. Lila goss gerade die Spaghetti ab.
»Wie stellst du dir das mit Suffragette vor?«, fragte ich. Sie zuckte mit den Schultern. »Sie wird sich eben dran gewöhnen müssen. Wutzky jagt keine Katzen. Und er darf nicht nach oben. Unten Hund, oben Katze, wie bei den Bremer Stadtmusikanten. Außerdem ist es ja nur am Wochenende. Und wenn Harald seine Töchter hat, ist er...
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