Schweitzer Fachinformationen
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"Kapitel 2.8, Narrationen als Schlüssel zu kulturellem Selbstverstehen: Neben der im Vorschulalter beginnenden Entwicklung des autobiographischen Gedächtnisses, mit der Erkenntnis eines lebensgeschichtlichen Selbst, sieht Nelson auch die Genese eines „kulturelles Selbst“ in enger Abhängigkeit zum Erwerb und zum Gebrauch von Sprache und Geschichten in sozialer Praxis. Jedoch entwickelt sich dieses kulturelle Selbst erst im späten Kindergarten- bzw. im frühen Schulalter. Während dieses Entwicklungsniveaus erkennen Kinder, dass sich ihr Leben in verschiedenen kulturellen Räumen und Zeiteinheiten - Kindergarten, Zuhause, Spielplatz - abspielt. Als wichtigen Entwicklungsschritt können Kinder selbstbezogene Überlegungen, Wünsche oder Vergleiche anstellen, beispielsweise zu einem besseren Selbst oder einem wünschenswerteren oder einem späteren Selbst. Kapitel 2.8.1, Kulturelle wie individuelle Bedeutungsentwicklung: Nelsons im Folgenden beschriebenes Modell von der Entwicklung eines „kulturellen Selbst“, das in eine „community of minds“ eintritt, wird maßgeblich geprägt durch die Teilhabe an gemeinsamen Bedeutungen und Sinn. Kinder entwickeln kulturelles Bewusstsein bzw. kulturelles Selbst mittels solcher sozialer Teilhabe an Bedeutungen und Sinn, doch sie haben ihre eigenen Erfahrungen und entwickeln sich zu individuellen Persönlichkeiten. Diese gemeinschaftsgeprägte wie auch individuelle Entwicklung dauert laut Nelson an bis zum Tod. Dabei ist Sprache in ihrer kulturellen Prägung der dominante Modus sowohl der interpersonellen, wie auch der intrapersonalen Denkfähigkeit. Kapitel 2.8.2, Geschichtenerzählen als Kulturübernahme: Als „eine der wichtigsten Aktivitäten“ die Kindern eine Übernahme ihrer Kultur ermöglichen bezeichnet Nelson die Praxis des Geschichtenerzählens, gleichgültig ob es dabei um persönliche Erlebnisse, fiktive Geschehnisse, kulturelle Großerzählungen oder Mythen geht. Geschichten und Erzählungen fungieren nicht nur als Schlüssel zu gemeinsamer Kultur und als Träger dieser Kultur, sie sind zudem auch ein kulturelles Produkt, vielgestaltig und voll kulturellen Wissens. Dabei gilt zu beachten, dass es kulturelle Differenzen gibt. Diese bestehen bezüglich der gebräuchlichen und normgerechten narrativen Sprachpraktiken. Beispielsweise wird es in westlich-individualisierten Gesellschaften höher bewertet, eigene Geschichte erzählen zu können, als in asiatischen. Kapitel 2.8.3, Narrationen führen zur „community of minds“: Geschichten geben Einblicke in die Gedankenwelten anderer. Über die metakognitiven Prozesse, die im Zusammenhang mit der „theory of mind“ (siehe: 2.6.2) stehen, lernen Kinder im Kindergartenalter zu erkennen, dass sie über Erzählungen und Geschichten anderer nicht nur in Worte verpackte Informationen einer ihnen vielleicht unbekannten Welt mitgeteilt bekommen, sondern auch in den Gedanken des Erzählers „lesen“ können. Dabei lernen Kinder auch, dass dies umgekehrt heißt, dass sich auch hinter den eigenen Geschichten und Erzählungen eigene Gedanken verbergen, die andere erkennen können. Sie erkennen verschiedene Ansichten der „landscape of consciousness“. Dieser Prozess stellt einen wichtigen Schritt auf dem Weg in eine metaphorische „Gemeinschaft der Gedanken“ dar, die Nelson als „community of minds“ bezeichnet. Sprache - insbesondere im erzählerischen Miteinander - bekommt eine intramentale Funktion und sie agiert quasi als Türöffner zu dieser „Gedankengemeinschaft“. Sprache gestattet zum einen ein Hin- und Herdenken zwischen den nach außen getragenen Denkweisen anderer und dem eigenen Verstehen - und Sprache trägt zum anderen die eigenen Sichtweisen auch außen. Zum Eintritt in die „community of minds“ müssen Kinder diese Schritte in alltäglicher diskursiver Praxis meistern. Beachtet werden sollte, dass sich die Kerneigenschaft dieser „community of minds“ aus der Verwendung des Begriffs „minds“ im Plural ergibt. Nelsons Idee setzt sich zusammen aus Interaktionsprozessen zahlloser individuell-verschiedener „Geister“ - es handelt sich nicht um die Verschmelzung zu einem „universellen Geist“. Nelsons Wahl des Begriffs „community“ möchte die sozio-kulturelle Gestalt ihres Modells verdeutlichen. Kapitel 2.8.4, Sozial-dialogisch narrativer Austausch: Kulturelles Lernen folgt nach Nelson ko-konstruktiv als „collaborative constructivism“. Kulturelles Selbstverstehen wird „social dialogical“ gebildet. „Sozial-dialogisch“ kann interpretiert werden in der Form, dass die Mitglieder dieser „Gedankengemeinschaft“ via Sprache, sozialer Interaktion und einer Vielfalt an narrativen Formen miteinander im Austausch stehen. Ausgetauscht werden intra-mentale Inhalte sowie Bedeutungszuweisungen. Auch autobiographische Erinnerungen samt dem autobiographischen Gedächtnis entwickeln sich durch die Verbindung und Abhängigkeit zu sozialen Sprachpraktiken, im engen Bezug zur Kultur. Somit zeigt das autobiographische Gedächtnis und das Selbstverstehen jedes Einzelnen - auch jedes einzelnen Kindes - kulturelle Formungen. Kapitel 2.8.5, Erzählen, Selbst und Kultur in kulturpsychologischer Sicht: Bruner nähert sich dem Konstrukt des „Ich“ unter dem Blickwinkel der Kulturpsychologie und summiert, dass „Ich“ und „Kultur“ einander bedingen: „daß auch das Ich als eine Konstruktion behandelt werden muß, die sozusagen sowohl von außen wie auch von innen entsteht, auf dem Weg von der Kultur zum Geist ebenso wie vom Geist zur Kultur“. Für Bruner formiert sich das „Ich“ in Abhängigkeit von kulturellen und sozialen Komponenten und nicht etwa allein aus der eigenen Mentalität, aus seinem inneren Sein heraus. Zuvor hat Bruner erklärt, Kinder erlernten mit dem Sprechen auch Kultur und Sprache sei ein Medium zur Deutung und Regulierung von Kultur. Kultur ist für Bruner der sowohl von der Gesellschaft als auch von jedem selbst geprägte Teil der menschlichen Natur in Form von Symbol- und Bedeutungssystemen. Bruner betont die zentrale Rolle von Kultur, seiner Ansicht nach kann die menschliche Natur kann nur in Abhängigkeit zur Kultur verstanden werden. Intentionale Zustände könnten nur durch die Teilhabe am Symbolsystem der Kultur umgesetzt werden und unsere Autobiographie kann nach Bruners Ansicht nur durch kulturelle Systeme gedeutet werden. Durch Kultur ist der Mensch, laut Bruner, in der Lage, die durch die Biologie und Evolution bestimmten, aber eingeengten Handlungsmöglichkeiten zu variieren - somit ist es die Kultur, die den Geist formt, dem Handeln Bedeutung verleiht und obendrein Biologie und Evolution zu wandeln vermag. Die Psychologie des Menschen formiert sich nach Bruner folglich nicht vollauf vom Individuum oder der Biologie her, sondern maßgeblich von kulturellen Determinanten. Die Brücke zum Erzählen bildet sich wie folgt: Unser kulturell-terminiertes Leben wird dominiert von der Schaffung von Sinnhaftigkeit - und ein wichtiges Instrument davon ist das Erzählen. Und das Erzeugen von Sinn wird durch narrative Darstellung gefördert. Mehr dazu folgt unter B.2."
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