1 Grundlagen zum Berufsbild Pflege, Pflegeassistenz und Pflegehilfe
1.1 Die Entwicklung der Pflege und der Pflegeausbildung
Die Urmenschen übten Pflege in Form von Brutpflege aus.
Ab der mittleren Steinzeit kann Pflege als Form der gegenseitigen Hilfe nachgewiesen werden.
Vor circa 85 Jahren wurde eine geregelte, neuzeitliche Krankenpflegeausbildung ins Leben gerufen.
Die Geschichte der Krankenpflege ist so alt wie die Geschichte der Menschheit. Bereits vor 100000 Jahren haben die Urmenschen Pflege als "Brutpflege" ausgeübt. Sie beschränkten die Pflege zunächst auf die Versorgung des Nachwuchses. Ab der mittleren Steinzeit (9600-5500 v. Chr.) finden sich jedoch auch Beweise dafür, dass Menschen untereinander Krankenpflege ausgeübt haben.
Krankenpflege gehörte zum grundlegenden Können der Menschen in der Urgesellschaft. Sie war eine Form der gegenseitigen Hilfe. Erst später entwickelte sie sich zu einer speziellen Form der Heilbehandlung (Wolff u. Wolff 2008). 1938 wurde erstmals die Krankenpflegeausbildung in Deutschland gesetzlich geregelt. Somit reicht die Geschichte der geregelten Ausbildung erst circa 85 Jahre zurück.
Erste Krankenpflegeschulen entstehen aufgrund der Initiative von Ärzten. Ziel war es, den Pflegenden Kenntnisse in der Beobachtung und Assistenz im Rahmen ärztlicher Diagnostik und Therapie zu vermitteln.
Seit 1985 war es auch sogenannten Unterrichtsschwestern oder -pflegern möglich, eine Krankenpflegeschule zu leiten. Zuvor war dies ausschließlich Ärzten vorbehalten.
Das Krankenpflegegesetz von 2003 schrieb vor, dass Schulleitungen eine Hochschulausbildung benötigen.
Erste Krankenpflegeschulen entstehen. Die ersten öffentlichen Krankenpflegeschulen sind auf das Bestreben von Ärzten hin entstanden. Diese wollten dem Krankenpflegepersonal die Fähigkeiten und Fertigkeiten vermitteln, die besonders für die gewissenhafte Beobachtung und Assistenz im Rahmen ärztlicher Diagnostik und Therapie erforderlich waren. Besonders bekannt und Vorbild für weitere Schulgründungen war die von dem Mannheimer Arzt und Hebammen-Lehrer Franz Anton Mai 1781 gegründete "Krankenwärter-Schule" in Mannheim.
Der Einfluss von Ärzten auf die Krankenpflegeausbildung blieb lange Zeit entscheidend und hat maßgeblich das pflegerische Berufsverständnis geprägt. So wurde in der ersten reichseinheitlichen Regelung der Krankenpflegeausbildung von 1938 die Leitung einer Krankenpflegeschule verpflichtend einem Arzt übertragen. Das erste bundeseinheitliche Krankenpflegegesetz trat 1957 in der BRD in Kraft. Es bildet bis heute die Grundlage aller folgenden Gesetze für den Pflegeberuf und die Pflegeausbildung. Erst durch das Gesetz von 1985 über die Berufe in der Krankenpflege wurde die alleinige Leitung einer Schule durch eine Unterrichtsschwester oder einen Unterrichtspfleger möglich. Das Krankenpflegegesetz von 2003 schrieb vor, dass für die Leitung und hauptamtliche Lehrtätigkeit Fachkräfte mit abgeschlossener Hochschulausbildung erforderlich sind (Hundenborn 2004).
Wie in der BRD gab es auch in der DDR eine 3-jährige Ausbildung zur Krankenpflege und zur Kinderkrankenpflege. Die theoretischen Unterrichte erfolgten an medizinischen Fachschulen, die nicht an Krankenhäuser angeschlossen waren. Mit den Krankenhäusern, in denen die berufspraktische Ausbildung erfolgte, wurden Vereinbarungen abgeschlossen. Bereits ab 1963 hatten die Lehrenden in der Pflege die Möglichkeit an der Humboldt-Universität Berlin ein Hochschulstudium mit dem Abschluss als Diplom-Medizinpädagog/in zu absolvieren. Für leitende Krankenpflegepersonen wurde 1982 ein Studiengang für Diplomkrankenpflege eingeführt. In der BRD hingegen entstanden erst in den frühen 1980ern erste Pflegestudiengänge, die sich dann in den 1990ern stark ausbreiteten. Somit wurde eine Akademisierung im Bereich der Pflege in der DDR früher vorangetrieben als in Westdeutschland.
Seit dem 1.1.2020 gibt es eine generalistische Pflegeausbildung, die die drei bisherigen Pflegeberufe in einem Berufsbild mit der Berufsbezeichnung Pflegefachfrau/Pflegefachmann vereint. Neben dem Grundsatz der altersphasenübergreifenden Pflege sind im neuen Pflegeberufegesetz auch vorbehaltene Tätigkeiten definiert.
Die generalistische Ausbildung. 2017 wurde das Pflegeberufegesetz (PflBG) im Bundestag verabschiedet, das am 1.1.2020 in Kraft trat. Mit dieser grundlegenden Reform wurden die Ausbildungen in der Altenpflege, in der Gesundheits-und Krankenpflege und in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege zu einer generalistischen Pflegeausbildung zusammengeführt. Erstmals in der Reformgeschichte der Pflegeausbildungen werden bundeseinheitliche Rahmenpläne vorgelegt. Diese dienen den Ausbildungsstätten und den Ausbildungsträgern für die eigene curriculare Entwicklung der Ausbildung als Orientierungshilfe. Damit soll eine bundeseinheitliche Ausbildung sichergestellt werden.
Vorbehaltene Tätigkeiten. Neu ist auch, dass zum ersten Mal bestimmte Tätigkeiten festgelegt wurden, die nur 3-jährig ausgebildete Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner ausführen dürfen. Zu diesen vorbehaltenen Tätigkeiten in der Pflege gehören die Erhebung und Feststellung des individuellen Pflegebedarfs, die Organisation, Gestaltung und Steuerung des Pflegeprozesses sowie die Analyse, Evaluation, Sicherung und Entwicklung der Pflegequalität. Damit sollen die Pflegequalität sichergestellt und die auf Pflege angewiesenen Menschen vor unsachgemäßer oder ungenügender Pflege geschützt werden. Über die Vorbehaltsaufgaben entscheiden und handeln Pflegefachpersonen völlig selbstständig und übernehmen hierfür die alleinige Verantwortung. Die Vorbehaltsaufgaben können nicht an andere Berufsgruppen - auch nicht an Pflegehilfskräfte und Pflegeassistenten delegiert werden. Die neue generalistische Pflegeausbildung wird in den anderen EU-Mitgliedsstaaten automatisch anerkannt. Die Einführung einer ebenfalls generalistischen, bundeseinheitlichen Ausbildung für Pflegefachassistenten ist geplant (S. 23).
Erst seit 1985 liegt der Schwerpunkt der Ausbildung auf pflegespezifischem Wissen. Zuvor stand ärztliches Wissen im Zentrum des Unterrichts.
Pflegende entwickeln die Lehrpläne mit. Pflegepersonen erhoben schon früh die Forderung, dass nicht allein ärztliches, sondern auch pflegespezifisches Wissen Grundlage der Ausbildung sein muss. Dementsprechend wurden die Pflegenden frühzeitig in die Lehrplanentwicklung bzw. in die Ausbildungsgestaltung einbezogen. Im Jahr 1908 meldete Agnes Karll, eine der Begründerinnen der freiberuflichen Krankenpflege in Deutschland, diesen Anspruch an. Jedoch wurde dieser Forderung erst Jahrzehnte später mit den Krankenpflegegesetzen von 1985 und 2003 entsprochen.
Auch die Dauer der Krankenpflegeausbildung sowie das Verhältnis von theoretischer und praktischer Ausbildung wurden seit den Anfängen einer geregelten Ausbildung in der Krankenpflege immer wieder kontrovers diskutiert. Die erste staatliche Ausbildungsregelung mit einer entsprechenden Prüfung war das 1938 verkündete "Gesetz zur Ordnung der Krankenpflege" mit den entsprechenden Durchführungsverordnungen.
Der Beruf und die Berufsausbildung der Pflegenden wurden in der Vergangenheit durch andere Berufsgruppen und berufsfremde Instanzen bestimmt.
Berufspolitik ist oft fremdbestimmt. Nicht nur der Beruf selbst, sondern auch die Berufsausbildung sind in der Vergangenheit in hohem Maße durch andere Berufsgruppen und berufsfremde Instanzen mitbestimmt worden. Bis heute sind auch die Gestaltungsmöglichkeiten für die Ausbildung sowie die Kontrolle von Ausbildung und Berufsausübung nicht völlig in den Zuständigkeitsbereich der Berufsgruppe übergegangen. So müssen beispielsweise Ausbildungsinteressen und Interessen der Berufsausübung vor dem Hintergrund zu niedrig festgelegter Pflegeplanstellen aufgegeben oder im Sinne eines Kompromisses entschieden werden.
1.2 Das Gesundheitswesen
Definition
Das Gesundheitswesen oder Gesundheitssystem umfasst alle Personen, Organisationen und Einrichtungen, die an der Förderung und dem Erhalt sowie der Prävention und Behandlung von Krankheiten beteiligt sind.
Den Kern des Gesundheitswesens bilden Personen und Einrichtungen, die Gesundheit erhalten, Krankheiten verhüten oder behandeln.
Für viele Menschen ist der Erhalt oder die Wiederherstellung von Gesundheit ein zentraler Lebensinhalt. Ein gewisses Maß an Gesundheit ist die Grundvoraussetzung für alle Lebensaktivitäten. In den letzten Jahrhunderten haben sich daher zunehmend professionelle Strukturen um das Thema Gesundheit herum ausgebildet: Die Personen und Einrichtungen, die sich beruflich mit der Erhaltung der Gesundheit sowie der Verhütung und Behandlung von Krankheit befassen, bilden den Kern des Gesundheitswesens.
Merke
Mündige Bürger sollten sich mit den Strukturen, Funktionsprinzipien und Akteuren des Gesundheitswesens auskennen....