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1 Wasser- und Elektrolythaushalt
1.1 Wasser- und Elektrolythaushalt
1.1.1 Wasserhaushalt und Störungen des Wasserhaushalts
1.1.1.1 Wassergehalt des Körpers und Flüssigkeitsräume
Der Hauptbestandteil des Körpers ist Wasser. Bei Erwachsenen beträgt sein Anteil etwa 60 %, bei Säuglingen etwa 75 %. Der Wasseranteil ist außerdem von der Menge an Fettgewebe abhängig, das nur relativ wenig Wasser enthält. Frauen, die natürlicherweise einen etwas höheren Fettgewebeanteil als Männer aufweisen, haben daher prozentual einen geringeren Wasseranteil als Männer.
Man unterscheidet 2 grundsätzlich voneinander getrennte Kompartimente: den Intra- und den Extrazellulärraum (IZR und EZR). Etwa zwei Drittel des Körperwassers befinden sich intra-, ca. ein Drittel extrazellulär. Als Faustregel gilt: Bei einem normalgewichtigen Menschen kann der Extrazellulärraum mit 20-25% des Körpergewichts angenommen werden.
Wasserverteilung im Körper
Abb. 1.1 TS: Trockensubstanz. KM: Körpermasse.
Das Lymphsystem stellt eine Verbindung zwischen intra- und extravasalem Flüssigkeitsreservoir her. Pro Tag wird mehr als 1 Liter Lymphe gebildet.
Lerntipp
Du brauchst dir nicht die genaue prozentuale Verteilung des Wassers auf die verschiedenen Körperräume zu merken. Eine grobe Vorstellung reicht: Der Mensch besteht etwa zu ? aus Wasser, davon befinden sich wiederum etwa ? intrazellulär. Das restliche (extrazelluläre) Wasser findet sich zu ¾ interstitiell.
1.1.1.2 Volumenbestimmung
Das Volumen der einzelnen Kompartimente lässt sich mit dem Indikatorverdünnungsverfahren bestimmen. Verschiedene Indikatoren verteilen sich je nach ihrer Struktur unterschiedlich in den verschiedenen Wasserräumen. Man appliziert eine bestimmte Menge der gewählten Indikatorsubstanz und misst ihre Konzentration, nachdem sie sich hinreichend in dem zu messenden Wasserraum verteilt hat. Da die Konzentration als Menge pro Volumen definiert ist, gilt: Je geringer die Konzentration, desto größer ist das Verteilungsvolumen.
Lerntipp
Es werden immer mal wieder Aufgaben zur Bestimmung des Gesamtkörperwassers gestellt. Hierbei musst du aus den applizierten und gemessenen Konzentrationen der Indikatorsubstanzen das Verteilungsvolumen errechnen.
Beispiel: Werden einem 80 kg schweren Mann 10 000 Bq tritiummarkierten Wassers injiziert, so verteilen sich die einzelnen Moleküle im gesamten Wasserbestand des Körpers. Nimmt man etwa 2 Stunden später Blut ab und misst dort eine Aktivität von 200 Bq/l, so ergibt sich das Verteilungsvolumen, das dem Gesamtkörperwasser entspricht:
1.1.1.3 Regulation der Wasseraufnahme und -abgabe
Für eine ausgeglichene Bilanz muss die tägliche Wasserabgabe der -aufnahme entsprechen. Die Wasseraufnahme eines Erwachsenen beträgt täglich ca. 2,5 l.
Wenn die Flüssigkeitsaufnahme geringer als der aktuelle Flüssigkeitsbedarf ist, tritt Durstgefühl auf. Die Plasmaosmolarität wird durch ? Osmorezeptoren im Hypothalamus kontinuierlich registriert. Bereits eine Zunahme der Osmolarität um 1-2 % führt zu Durst. Auch die Füllung der zentralen Gefäße und der Vorhöfe wird erfasst und bei Volumenmangel ? Renin freigesetzt und in der Folge Angiotensin II gebildet, das ebenfalls Durst auslöst.
1.1.1.4 Störungen des Wasserhaushalts
Die Osmolarität der Körperflüssigkeiten (Plasma) beträgt normalerweise 290 mosmol/l, wobei im Körper die Na+-Ionen (normale Konzentration 145 mmol/l) ganz überwiegend für den extrazellulären osmotischen Druck verantwortlich sind. Die effektive Osmolarität des Intrazellulärraums wird hauptsächlich durch K+-Ionen (normale Konzentration 150mmol/l) bestimmt. Osmorezeptoren des Hypothalamus kontrollieren die Plasmaosmolarität und regulieren Wasseraufnahme und -ausscheidung im Normalfall so, dass zwischen Intra- und Extrazellulärraum ein osmotisches Gleichgewicht besteht.
Flüssigkeiten mit derselben Osmolarität werden als isoton bezeichnet. Im Vergleich dazu bezeichnet man Flüssigkeiten mit einer höheren Osmolarität als hyperton, solche mit einer niedrigeren Osmolarität als hypoton.
Da die Zellmembran für Wasser wesentlich besser permeabel ist als für Ionen, verhält sie sich ähnlich wie eine semipermeable Membran:
-
Bei einem Anstieg der Konzentration osmotisch wirksamer Teilchen im Extrazellulärraum (hypertone Störung) folgt Wasser dem osmotischen Druck und strömt aus dem Intrazellulärraum nach extrazellulär: Die Zellen schrumpfen.
-
Umgekehrt ist bei einer Abnahme der osmotisch wirksamen Konzentration im Extrazellulärraum (hypotone Störung) der osmotische Druck des Intrazellulärraums im Verhältnis erhöht, sodass Wasser in die Zellen strömt: Die Zellen schwellen an.
-
Bei isotonen Störungen ändert sich der osmotische Druck auf beiden Seiten der Membran nicht, daher finden auch keine nennenswerten Wasserverschiebungen durch die Membran statt.
Tab. Störungen des Wasserhaushalts
Störung
Ursache
Beispiel
Auswirkung
isotone Dehydratation
Verlust von Wasser und Salz in gleichem Ausmaß (Verlust isotoner Flüssigkeit)
Erbrechen, Durchfälle, Blutverluste
Das Extrazellulärvolumen ist vermindert.
hypertone Dehydratation
Verlust von mehr Wasser als Salz (Verlust hypotoner Flüssigkeit)
akuter Ausfall der ADH-Produktion
Dursten, Durchfälle, Schwitzen (Schweiß-NaCl-Konzentration etwa 100 mosmol/l)
Das extrazelluläre Volumen nimmt ab. Die Osmolarität des EZR steigt an. Wasser strömt aus dem IZR aus. Das Gesamtvolumen ist erniedrigt und die Osmolarität intra- und extrazellulär erhöht.
Die mittlere erythrozytäre Hämoglobinkonzentration steigt an.
Das ? Harnzeitvolumen sinkt stark ab.
hypotone Dehydratation
Verlust von mehr Salz als Wasser (Verlust hypertoner Flüssigkeit)
Erbrechen hypertoner Flüssigkeit, Trinken von sehr mineralarmem Wasser bei gleichzeitigem starkem Schwitzen, ? Aldosteronmangel
Das Gesamtvolumen ist vermindert. Es liegt ein NaCl-Mangel vor. Gleichzeitig geht osmotisch zusätzlich extrazelluläres Wasser in den Intrazellulärraum "verloren".
isotone Hyperhydratation
Überschuss an Wasser und Salz in gleichem Ausmaß
Überinfusion einer isotonen Infusionslösung im Rahmen einer Intensivtherapie
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