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Mit einem Gähnen räkelte sie sich in ihrem Bett und rieb sich die Augen.
8:30 Uhr. In zwei Stunden würde ihre Schicht anfangen und eigentlich müsste sie sofort aufstehen. Eigentlich.
Sie gähnte erneut und rollte sich auf die andere Seite, um vielleicht doch noch eine halbe Stunde länger zu schlafen.
"Liv!", tönte es von unten und sie versuchte mit aller Kraft, die Stimme zu überhören.
Ob sie es merken würde, wenn sie einfach so tue, als würde sie noch schlafen?
Sie hörte, wie ihr Name immer wieder gerufen wurde. Das bedeutete wohl, dass es keine weitere halbe Stunde für sie geben würde.
"Olivia Miller!", tönte ihre Schwester, als sie ihre Zimmertür aufriss.
Sie zog das Kissen über ihren Kopf und stöhnte.
Wann hatte sie endlich mal Ruhe vor ihr?
"Kannst du mich nicht einfach mal in Ruhe lassen?", schnauzte sie, während sie ihre Decke zurückschlug und ihre Beine über den Bettrand warf. Müde rieb sie sich die Augen und stütze ihr Gesicht in beide Hände.
"Nein, kann ich nicht. Wenn du wüsstest, weshalb ich dich geweckt habe, wärst du jetzt wesentlich netter zu mir", surrte Aurelia und warf sich auf ihre Bettkante. Olivia kannte diesen Ton bei ihrer Schwester nur zu gut und wusste, dass es nur zwei Optionen gab. Entweder versuchte sie, Olivia um den Finger zu wickeln um etwas zu bekommen oder sie hatte etwas, mit dem ihre Schwester sie aus der Reserve locken konnte.
Sie hob eine Augenbraue und signalisierte ihr, dass sie einfach sagen sollte, worum es ihr ging.
"Also schön, pass auf. Elias hat mich gerade angerufen und mir einen ganz heißen Tipp gegeben. Die Nachbarn seines Onkels ziehen in 3 Monaten aus ihrer Wohnung aus und würden dich weiterempfehlen, wenn du sie denn nehmen würdest!"
"Du hast eine Wohnung für mich in Aussicht?", schrie Liv fassungslos und war auf einmal hellwach.
"Richtig und das auch noch in deinem Preisrahmen." Aurelia zwinkerte ihrer Schwester vielsagend zu.
Mit einem Quietschen warf Liv sich ihr um den Hals und riss sie mit sich aufs Bett.
"Ich kann es nicht glauben!"
Seit knapp fünf Jahren war sie jetzt schon auf Wohnungssuche. Die weltweite Wirtschaftskrise seit 2025 machte es einem normal verdienenden Menschen mittlerweile nahezu unmöglich, eine Wohnung oder gar ein Haus zu unterhalten. Selbst in diesem Haus konnten sie nur wohnen, weil sie, ihre Schwester und ihre beiden Elternteile arbeiteten und zusteuerten. Außerdem hatten sie das Privileg besessen, dass ihre Eltern das Haus schon vor der Krise ausbezahlt hatten.
Liv war jedoch mittlerweile 22 Jahre alt und hatte es mehr als satt, noch immer im Kinderzimmer bei ihren Eltern zu wohnen.
Nur einmal hatte sie bisher die Aussicht auf eine Wohnung und das war vor zwei Jahren mit der Liebe ihres Lebens gewesen. Ihrer Ex-Liebe.
"Das muss ich sofort Mama erzählen!", rief sie und rannte aus ihrem Zimmer.
"Es ist noch nichts sicher!", rief Aurelia ihr hinterher, aber sie wollte es nicht hören. Viel zu groß war die Euphorie, die sie durchströmte bei dem Gedanken, endlich selbstständig werden zu können.
Liv stürmte in die Küche, in der ihre Mutter gerade ein Stück Schwarzbrot mit Butter zu sich nahm. Eins der wenigen Dinge, die sie sich an frischen Nahrungsmitteln noch leisten konnten.
"Mama, Aurelia hat eine Wohnung für mich in Aussicht und das auch noch in meinem Preisrahmen!", sprudelte es aus ihr heraus, als sie den Esstisch erreichte und sich aufgeregt zu ihrer Mutter beugte.
Langsam senkte ihre Mutter ihr Brot und versuchte sich ein Lächeln abzuringen. "Das ist toll, Schatz." Ihre Miene verdunkelte sich jedoch unheilvoll und Olivia glaubte auch, den Grund dafür zu wissen.
Mit einem Seufzen zog sie sich einen Stuhl heran und setzte sich zu ihr an den Tisch. All die Euphorie wurde von dem schwarzen Mantel des Misstrauens mit sich in den Abgrund gezogen und Olivia versuchte, sich ihre Enttäuschung über die Reaktion ihrer Mutter nicht anmerken zu lassen.
"Was ist los? Ich dachte du würdest dich für mich freuen. Nach der Sache mit John."
"Das tue ich doch auch", beteuerte ihre Mutter mit ihrer allbekannten Sorgenfalte zwischen ihren dichten Brauen. "Aber du weißt, wie rapide sich die letzten Jahre verändert haben. Uns geht es doch gut hier und ich habe kein gutes Gefühl dabei, wenn du ausziehst. Wer weiß, vielleicht wird das ganze bald noch teurer oder-"
"Oder die Welt geht unter. Wie du schon sagst, Mama: Es hat sich alles so schnell verändert. Wir sollten im Hier und Jetzt leben, nicht mit Sorge in der Zukunft", unterbrach Liv sie und beschloss, dieses Gespräch doch nicht weiterführen zu wollen. Ihre Familie würde sowieso nur versuchen, ihr diese Idee wieder aus dem Kopf zu schlagen und sie dazu zu bringen, hierzubleiben.
"Na ja, wie dem auch sei. Ich muss mich jetzt fertig machen und dann zur Arbeit", würgte Olivia ihre Mutter ab, bevor sie zu einer Erwiderung ansetzen konnte. Sie klaute ihr noch grinsend ein Stück Brot aus der Hand und schob es sich gut gelaunt in den Mund, während sie sich auf den Weg in ihr Zimmer machte.
Die restliche Stunde verbrachte sie damit, ihre langen blonden Locken zu glätten und sich zu schminken. Sie hasste ihre Locken und glättete sie beinah jeden Tag, was dazu führte, dass sie sie eigentlich längst abschneiden müsste.
Wenn sie ehrlich zu sich selbst gewesen wäre, wüsste sie, dass sie ihre Locken erst hasste, nachdem John sie vor zwei Jahren mit ihrer besten und einzigen Freundin betrogen hatte. Er hatte ihre Locken geliebt und immer wieder davon geschwärmt, dass er die Vorstellung liebte, ihre Tochter würde irgendwann ihre Locken bekommen.
Leider würde es nun niemals eine gemeinsame Zukunft, geschweige denn eine gemeinsame Tochter geben.
Seit dieser Trennung, die ihr das Herz brach und bei der alles, woran sie geglaubt hatte, einfach so mit Füßen getreten worden war, glättete sie ihre Haare jeden verdammten Morgen. Sie hasste den Gedanken, noch irgendetwas an sich zu haben, was John gefallen könnte.
Irgendetwas, was sie an den Mann erinnerte, dem sie sieben Jahre ihrer Jugend geschenkt hatte, um am Ende für eine leichte Affäre ausgetauscht zu werden.
Sie hasste den Gedanken, dass er ihr das Vertrauen in jeden Mann geraubt hatte, der ihr seitdem begegnete. Sie hasste den Gedanken, wie viele Tränen sie vergossen hatte und wie viel er zerstörte, als er diese Affäre einging. Und dass sie einsam war, so furchtbar einsam, seitdem er ihr sich und ihre einzige Freundin genommen hatte.
Sie waren in dieselbe Klasse gegangen, als sie sich mit 14 Jahren in ihn verliebte. Alles begann wie eine Kindergartenbeziehung, mit der sie jedoch beide groß und erwachsen wurden. Irgendwann ging es nicht mehr um Teenagerthemen, sondern um das Zusammenziehen und Zukunftspläne. Sie planten, sich mit 21 ein gemeinsames Leben aufzubauen und zusammenzuziehen. Olivia war so verankert in dieser Beziehung, dass sie nicht einmal im Traum daran gedacht hätte, dass es enden könnte.
John gehörte zu diesem Zeitpunkt schon so fest zu ihrem Leben, wie Schlafen und Essen. Als sie dann auch noch eine Wohnung fanden, die sie mit ihrem gemeinsamen Studentengehalt bezahlen konnten, schien ihr Glück perfekt.
Bis zu dem Tag, als sie John und ihre beste Freundin in genau dieser Wohnung erwischte, als sie einige Kleinigkeiten rüber schaffen wollte.
Beide hatten versucht, sie zu besänftigen, doch nichts auf dieser Welt hätte das reparieren können, was in diesem Moment in ihr zerbrochen war.
Ihre heile Welt war in sich zusammengekracht und ihre einzige Konstante, in einer Welt wie dieser, zerbrochen. John hatte mit seiner Affäre all ihr Vertrauen in Außenstehende mit sich genommen und ihr nie wieder zurückgegeben.
Olivia wusste, dass ihr nicht jeder schaden wollte, doch sie konnte niemanden mehr an sich heranlassen. Die kommenden Monate waren die Hölle, in der sie lernen musste, wieder allein klar zu kommen. Als sie dann erfuhr, dass diese Affäre bereits monatelang ging und keine einmalige Sache war, waren beide für sie gestorben.
Ihr Herz hatte sich verschanzt, hinter einer Mauer, die keiner durchdringen konnte. Hinter jedem netten Menschen vermutete sie ab diesem Tag etwas Schlechtes, obwohl sie wusste, wie absurd dieser Gedanke war.
Aber sie konnte nicht anders, John hatte ihr jegliche Leichtigkeit genommen.
Ein Klopfen riss sie aus ihren Gedanken und Aurelia steckte den Kopf in ihr Zimmer. "Könntest du mich vor der Arbeit noch zum Bahnhof begleiten? Ich muss das Monatsticket für Frau Larx abholen."
Ihre Schwester arbeitete seit einiger Zeit für Frau Larx, eine pensionierte Beamtin. Diese hatte genug Geld, um Aurelia mit solch einfachen Aufgaben zu beschäftigen und ihr so das Taschengeld aufzubessern.
"Dann müssen wir aber jetzt los. Sonst schaffe ich es nicht", antwortete sie, während sie einen letzten Blick in den Spiegel...
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