Schweitzer Fachinformationen
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Wir hatten den ganzen Vormittag Sex gehabt, waren dazwischen eingeschlafen, hatten Pizza bestellt und dann wieder Sex gehabt. Hannah gähnte und zündete sich am Fenster eine Zigarette an, den Rauch auf die Spatzen im Baum blasend, sie flogen in die Dämmerung davon. Sie saß mit dem Rücken zu mir und schaute hinaus, ihr weißes T-Shirt warf eine Falte an der Schulter, ich sah ihre helle Haut darunter schimmern. Manchmal fragte ich mich, was diese schöne Frau mit mir wollte.
Mir war nicht danach, mit jemandem zu sprechen, und ihr auch nicht. Ich starrte auf den weißen Papierball, der von der Decke hing. Mein Kopf fühlte sich an, als drücke jemand eine überdimensionale Zange gegen die Schläfen. Ich war erschöpft. Ich hatte mir richtig Mühe gegeben, Fingereinsatz, Stellungswechsel, hatte sie an den Haaren gezogen, ans Bett gebunden, so wie sie das mochte, aber jetzt war ich völlig alle. Ich hatte eine Fünfzig-Stunden-Woche hinter mir. Einen ganzen Tag lang Sex zu haben, war anstrengend.
Es klopfte.
Wir riefen zugleich: Ja?
Sam steckte den Kopf durch den Türspalt, sie hielt eine Flasche Wein hoch.
- Chardonnay und Film?
Hannah schnippte die Zigarette aus dem Fenster, schlüpfte in meine Jogginghose und band ihre Haare zusammen. Sie ging zu meinem Regal und fuhr mit dem Finger über die Buchrücken.
- Sag stopp.
- Stopp.
Sie griff nach dem nächsten Buch und zog es heraus.
- Alice im Spiegelland. Ich geb's dir wieder.
Sie steckte es in ihre Tasche und setzte sich zu mir ans Bett.
- Ich fühl mich so encoñada.
- Was heißt das?
- Coña heißt Vagina auf Spanisch. Zu viel Sex. Findest du nicht?
Sie grinste.
- Doch.
Sie legte ihren Kopf auf meine Brust. Ich küsste ihre Schlangenhaare, setzte mich auf und schlüpfte in ein Paar Leggings, das neben dem Bett lag, es war ein Durcheinander aus ihrer und meiner Kleidung.
Als ich das Fenster schloss, sah ich, dass die Spatzen zurückgekehrt waren, sie hielten die Köpfchen schief und schauten mich an. Ich folgte Hannah in den Gang. Seit die Garderobe zusammengebrochen war, wurde der Berg aus Schuhen und Staub immer höher.
- Ich geh noch schnell pinkeln, sagte ich und bog ins Badezimmer ab.
Ich klappte den Deckel hoch und hielt meinen Schwanz über die Kloschüssel. Ich dachte an Hannahs Gesicht, wenn sie kam, wie sich ihr Mund dabei öffnete, doch nie ein Schrei herauskam, immer nur verhaltenes Stöhnen und dann an den Keller, an die letzten Bauchschuppen meines Drachens, die ich jetzt schleifen könnte.
Zwei würde ich vor der Party schaffen, vielleicht auch nur eine.
Über ein paar Stühlen zwischen Badezimmer und Klo hingen unsere Jacken und die von Menschen, die zum Feiern hier gewesen waren, ein schwarzbrauner Stoffwulst mit Felltupfern. Ich sah mich kurz im Spiegel neben der Küchentür, mein Gesicht war blass, ich war unrasiert, die Haare zerzaust. Ich fühlte mich ausgekotzt. Ich trat in das angenehme, indirekte Licht des Wohnzimmers, das machte es besser.
Auf dem Couchtisch stand die Weinflasche, daneben ein paar Gläser und eine Schüssel mit Schokokeksen. Hannah saß neben Cherry, den Kopf auf ihrer Schulter, sie schauten gemeinsam auf das Tablet.
- Was wollen wir sehen?, fragte Cherry. Vampire Diaries Staffel vier, True Blood Staffel fünf, Prinzessin Mononoke, Chihiros Reise, Wo die Wilden Kerle wohnen . wartet .
- Etwas aus den Achtzigern, sagte ich und setzte mich neben Hannah. Ich legte meine Hand auf ihr Knie. Sie reagierte nicht.
- Aber mit Vampiren, sagte Cherry, einmal die Woche brauche ich ein Creature Feature.
- Aber nicht länger als zwei Stunden, sagte Sam, wenn wir nachher noch zu dieser Party wollen.
Sie hatte sich in die äußerste Ecke der Couch zurückgezogen und rollte sich einen Joint.
- Glaubst du wirklich, wir werden heute noch rausgehen?, fragte ich.
- Ich hab uns extra auf die Gästeliste setzen lassen, sagte Cherry. Außerdem waren wir seit Wochen bei keiner Playparty mehr.
- Wie wäre es mit Lost Boys?, schlug Hannah vor.
- Ist das aus den Achtzigern?, fragte ich.
- Du kennst Lost Boys nicht?, fragte sie und schüttelte den Kopf.
Ein paar braune Strähnen lösten sich und fielen über ihre Schulter. Ich dachte an Medusa und fragte mich, warum ich Hannah nicht von dieser schlangenhaarigen Gestalt trennen konnte. Sie blieb mir fern, in ihrer rätselhaften Schönheit, blieb immer eine Armlänge entfernt.
Ich nahm mir eine Zigarette von der Packung auf dem Tisch und dachte an das Portal. Wenn Nico da war, ihm gehörte der Fetisch-Club, waren sie und Cherry oft so überspannt.
Ich stand auf und ging ans Fenster, es würde sich schon zeigen, ob wir nach dem Film noch Lust auf Bondage und Spanking haben würden.
Ich rauchte, während es sich die drei auf der Couch gemütlich machten. Ich sah Schatten in Menschenformen in den Fenstern der Nachbarn, den Umriss eines Kopfes mit Dreadlocks. In einem Stockwerk flackerte ein Fernseher, in anderen sah ich bloß Streifen aus Licht. Es erinnerte mich an diese Fernsehserie aus den Neunzigern, in deren Vorspann eine Kamera an einem Haus ohne Außenwände vorbeifliegt, der Name fiel mir nicht mehr ein. Für einen Augenblick wollte ich wissen, was in den Zimmern meiner Nachbarn vor sich ging, doch dann fiel mir ein, dass es Menschen gab, die ihre Kinder schlugen oder anschrien, oder Schlimmeres, und ich wollte es nicht mehr wissen.
Ich warf die Kippe in ein altes Marmeladeglas. Unser Wohnzimmer war darauf ausgerichtet, reichlich Entspannung zu gewährleisten. Gleich nach meinem Einzug hatten wir eine drei Meter lange und zwei Meter breite Couch gekauft, außerdem hatten wir einen Gummibaum, eine Glücksfeder und eine Arekapalme von einem Nachbarn geerbt und einen persischen Teppich von Sams Vater.
Über diesem hing von einem massiven Karabiner Cherrys silberner Bondage-Ring, an drei kunstvoll verknoteten Seilen - in ihrer Einzimmerwohnung am Hermannplatz gab es dafür keinen Raum, sie übte bei uns.
An der Wand hinter dem Fernseher hing eine große, mit schwarzen und goldenen Strichen übersäte Leinwand, die Sam eines Abends vor dem Haus gefunden hatte, auf einem Tischchen davor die Nachbildung einer Statue der ugaritischen Himmels- und Meeresgöttin Astarte, drei Schlangen in jeder Hand, sie war mein stolzer Besitz.
Ich hatte die Statue auf dem Mauerflohmarkt gefunden, es war einer der ersten Hannah-Sonntage gewesen, sie hatte mich gefragt, was ich mit dieser hässlichen Figur wollte, und ich ihr erklärt, dass ich seit meiner Jugend alles sammelte, was mit Drachen oder Schlangengöttern zu tun habe.
Die meisten Wochenenden verbrachten wir seither gemeinsam - nun, zurzeit waren die Dinge ein wenig abgekühlt, ins Stocken geraten, ich wusste eigentlich nicht so genau, warum.
Wovon ich Hannah nichts erzählt hatte, war ein Traum, der seit meiner Kindheit wiederkehrte. Darin sitze ich mit Granny auf einer steinernen Bank, bei Sonnenuntergang. Am Himmel taucht ein weißer Drache auf, seine Schwingen wirbeln Erde und Gras auf, er landet vor mir. Der wird mich fressen, denke ich, und erst im letzten Moment meiner Panik verstehe ich, dass er zu meinem Schutz gekommen ist.
Sam sagte, dass dieser Drache mit meinem Reptiliengehirn zusammenhinge, dass mich mein Instinkt wahrscheinlich vor meiner Großmutter warnen wollte, vielleicht sogar vor meinem eigenen weiblichen Anteil, oder meiner Anima, aber ich hielt das ehrlich gesagt für einen ziemlichen Blödsinn. Drachen waren im kollektiven Unterbewusstsein der Menschheit verankert, sie standen für vieles, bestimmt aber für die eigene Macht, es war nicht ungewöhnlich, von einem Drachen zu träumen.
Hannah legte ihre Beine auf meinen Schoß, beugte sich vor und küsste mich, und dann flüsterte sie: Ich liebe dich. Ich schaute sie an, ich war überrascht. Ich dich auch, sagte ich, was hätte ich denn sonst sagen sollen. Ich empfand plötzlich ein starkes Gefühl der Vertrautheit zu ihr. Es war das Gegenteil jener Distanz, die ich seit einiger Zeit spürte, von jenem physischen und verbalen Sicherheitsabstand, den ich in meinen Beziehungen oft einnahm. Ich nahm sie in den Arm und drückte sie an mich.
Während Cherry die Verbindung zwischen Tablet und Bildschirm herstellte und einen Streaming-Dienst auswählte, dachte ich an meine vorherigen Beziehungen - Felix, oder Silvia, meine italienische Freundin, damals, als ich noch allein drüben in Neukölln gewohnt hatte.
Diese...
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