Schweitzer Fachinformationen
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»Fliegen bedeutet Kreativität, Sexualität, Autonomie.« Erica Jong
Mit einem kritischen Nachwort zur Neuübersetzung von Lilian Peter
Der internationale BestsellerAngst vorm Fliegen ist ein feministischer Klassiker und ein wahrlich unterhaltsames Buch über die Reise einer Frau zu sich selbst. Isadora Wing, eine jüdische Lyrikerin und Journalistin aus der Upper West Side von New York City, reist trotz ihrer Flugangst mit ihrem Mann nach Wien, um von der ersten Psychoanalytiker-Konferenz seit der Vertreibung der Analytiker während des Holocausts zu berichten. Doch als sie in Wien einen anderen Mann kennenlernt, wird es für sie auch zu einer sexuellen Reise. Damals lösten die sexuellen Phantasien der Protagonistin einen riesigen Skandal aus und machten den Roman zu einem Klassiker der weiblichen erotischen Literatur. Heute können wir das Buch radikal anders lesen: Neben dem autofiktionalen und sexuellen Aspekt begeistern der Blick auf die jüdische Diaspora in den USA sowie durch die sympathische Protagonistin und deren unverstellten wie humorvollen Blick auf die Ehe, auf Psychoanalyse und die sexuelle Frigidität der Gesellschaft der 70er-Jahre.
Angst vorm Fliegen hat 50 Jahre nach seinem Erscheinen nicht an Durchschlagskraft verloren: Es geht um die Befreiung der Frau.
»Unerschrocken und erfrischend.« John Updike, The New Yorker
»Dieses Buch wird Literaturgeschichte schreiben.« Henry Miller
Erica Jong wurde 1942 in Manhattan / New York geboren und studierte an der Columbia University Englische Literatur. Von 1966 bis 1969 lebte sie mit ihrem zweiten Mann, einem Facharzt für Kinderpsychiatrie, in Heidelberg. Sie schrieb Zeitschriftenartikel, publizierte drei Lyrikbände und wurde mit ihrem ersten Roman »Angst vorm Fliegen«, der im Herbst 1973 in den USA erschien, mit einem Schlag berühmt. Zuletzt erschien 2016 »Angst vorm Sterben« bei S. Fischer. Erica Jong lebt in New York. Sie gilt noch heute als Wegbereiterin der Emanzipation.
Um sechs Uhr früh landeten wir am Frankfurter Flughafen und schlurften in eine Halle mit PVC-Boden, die mich, obwohl sie vor Neuheit nur so glänzte, an Konzentrationslager und Deportationen denken ließ. Wir warteten eine Stunde, während die 747 tankte. Steif saßen die Analytiker auf den Fiberglassitzen, die in unveränderlichen Reihen angeordnet waren: grau, gelb, grau, gelb, grau, gelb . Die Freudlosigkeit des Farbkonzepts ging nahtlos über in die Freudlosigkeit ihrer Mienen.
Die meisten hatten teure Kameras dabei, und obwohl sie ziemlich langes Haar, Dreitagebärte und Drahtgestellbrillen trugen (und Ehefrauen hatten, deren Kleidung ein Maß an Bürgerlichkeit aufbot, das für sie gerade noch durchging: Ledersandalen, mexikanische Schals, Schmuck vom örtlichen Silberschmied), strahlten sie Respektabilität aus. Fader Inbegriff von Spießigkeit. Wenn ich darüber nachdachte, war es das, was ich gegen die meisten Analytiker hatte. Sie nahmen die soziale Ordnung völlig kritiklos hin. Sicher, ihre politischen Ansichten tendierten leicht nach links, sie unterschrieben Friedenspetitionen und dekorierten ihre Praxisräume mit Drucken von Picassos Guernica. Aber das war nur Camouflage. Was die entscheidenden Themen betraf, Familie, die Stellung der Frau, den Geldfluss von Patientin zu Therapeut, waren sie Reaktionäre. Sie handelten so unbeirrbar im eigenen Interesse wie die Sozialdarwinisten des Viktorianischen Zeitalters.
»Aber hinter den Kulissen haben immer die Frauen die Fäden in der Hand«, behauptete mein letzter Analytiker, als ich versuchte, ihm zu erklären, wie unaufrichtig ich mich damit fühlte, dass ich stets meine Verführungskünste benutzte, um von Männern zu bekommen, was ich wollte. Nur wenige Wochen vor der Wien-Reise gerieten wir endgültig aneinander. Richtig vertraut hatte ich Kolner nie, trotzdem war ich weiterhin zu ihm gegangen, schließlich konnte das ja nur mein Problem sein.
»Verstehen Sie denn nicht«, rief ich von der Couch, »genau das ist doch das Problem! Frauen, die ihre Verführungskunst benutzen, um Männer zu manipulieren, dabei ihre Wut unterdrücken und nie offen und ehrlich sind .«
Aber Dr. Kolner sah in allem, was auch nur ansatzweise nach Emanzipation roch, lediglich ein neurotisches Problem. Jegliche Protesthaltung gegen konventionelles weibliches Verhalten war »phallisch« und »aggressiv«. Wir hatten uns, was diese Themen betraf, seit Langem in den Haaren, aber erst durch seinen Spruch mit den »Fäden hinter den Kulissen« verstand ich wirklich, wie er mich einordnete.
»Ich glaube etwas anderes als Sie«, rief ich, »und ich respektiere auch nicht, was Sie glauben, und ich respektiere Sie nicht, weil Sie glauben, was Sie glauben! Wenn Sie allen Ernstes so eine Behauptung über Fäden hinter Kulissen aufstellen können, dann haben Sie offensichtlich nicht den leisesten Hauch einer Ahnung von mir oder von dem, was mich beschäftigt! Ich will nicht in und mit der Weltordnung leben, in der Sie leben! Ich will so ein Leben nicht, und ich sehe auch nicht ein, warum ich mich von seinen Normen beurteilen lassen sollte! Und - ich glaube, Sie verstehen, was Frauen betrifft, rein gar nichts.«
»Vielleicht verstehen Sie selbst nicht, was es heißt, Frau zu sein«, konterte er.
»O mein Gott. Jetzt greifen Sie aber in die allerunterste Trickkiste. Verstehen Sie denn nicht, dass Männer Weiblichkeit immer auf eine Weise definiert haben, die Frauen auf Linie hielt? Warum sollte mich interessieren, was Ihrer Meinung nach Frausein bedeutet? Sind Sie eine Frau? Warum sollte ich denn nicht endlich mal auf mich selbst hören? Und auf andere Frauen? Ich spreche ja mit anderen Frauen! Sie erzählen mir von sich, und verdammt viele fühlen sich genau, wie ich mich fühle, auch wenn sie dafür nicht das Abzeichen für gute Haushaltsführung von den amerikanischen Psychoanalytikern bekommen.«
So ging es eine Weile hin und her, wir wurden beide laut. Ich hasste mich dafür, dass ich so fürchterlich nach Traktat klang und in eine von zwei Ecken gedrängt wurde, aus der heraus ich ebenfalls nur einfältig polarisieren konnte. Mir war bewusst, dass ich verallgemeinerte. Mir war bewusst, dass es andere Analytiker gab - meinen deutschen Analytiker zum Beispiel -, die nicht diese misogyne Schiene fuhren. Zugleich aber hasste ich Kolner für seine Engstirnigkeit, dafür, dass er meine Zeit und mein Geld mit einmal mehr aufgewärmten Klischees über den Platz der Frau vergeudete. Wer brauchte das? Jeder Glückskeksspruch konnte das bieten. Und der kostete keine vierzig Dollar für fünfzig Minuten.
»Wenn Sie sich so mit mir fühlen, dann weiß ich nicht, warum Sie nicht an genau dieser Stelle abbrechen«, platzte Kolner heraus. »Warum bleiben und sich diese Scheiße von mir anhören?«
Das war Kolner, wie er leibte und lebte. Wenn er sich attackiert fühlte, wurde er unwirsch und warf einen Kraftausdruck in den Raum, um zu zeigen, wie cool er war.
»Typisch Napoleon-Komplex«, murmelte ich.
»Wie bitte?«
»Ach nichts.«
»Na los, ich will's hören. Ich halte das aus.« Großer braver Analytiker!
»Ich dachte nur gerade, Dr. Kolner, dass Sie an dem leiden, was in der psychologischen Literatur als >Napoleon-Komplex< bekannt ist. Wenn jemand Sie darauf hinweist, dass Sie nicht Gott höchstpersönlich sind, werden Sie angriffslustig und werfen mit Kraftausdrücken um sich. Schon klar, es muss hart für Sie sein, dass Sie nur eins vierundsechzig groß sind - aber Sie haben ja eine Analyse hinter sich, also sollten Sie doch damit klarkommen.«
»Stock und Stein brechen mir's Bein, nicht aber Worte allein«, knurrte Kolner. Er war zum Zweitklässler regrediert. Er hielt sich für furchtbar schlau.
»Schauen Sie - warum dürfen Sie mich mit ausgelutschten Klischees bewerfen, und ich soll dankbar für Ihre weise Einsicht sein und Sie sogar noch dafür bezahlen, aber wenn ich mit Ihnen dasselbe mache - was ganz sicher mein gutes Recht ist, schließlich lasse ich einen Haufen Geld bei Ihnen -, dann rasten Sie aus und werden zum gehässigen Siebenjährigen?«
»Ich habe nur gesagt, dass Sie abbrechen sollten, wenn Sie sich so mit mir fühlen. Gehen Sie. Na los. Knallen Sie die Tür. Schicken Sie mich zur Hölle.«
»Nur um mir eingestehen zu müssen, dass die letzten zwei Jahre und die Tausende von Dollar, die ich bei Ihnen gelassen habe, vollkommen für die Katz waren? Ich meine, vielleicht können Sie das für sich so verbuchen - ich habe hier mehr zu verlieren, ich muss mir ja vormachen, dass hier irgendetwas Positives passiert ist.«
»Das können Sie ja mit Ihrem nächsten Analytiker durcharbeiten«, sagte Kolner. »Da können Sie dann herausfinden, was aus Ihrer Sicht falsch gelaufen ist .«
»Meine Sicht! Sehen Sie nicht, warum so vielen Leuten die Psychoanalyse zum Hals heraushängt? Das liegt an euch dummen Analytikern! Ihr macht den Prozess zu einem Teufelskreis. Die Patientin kommt wieder und wieder und wieder und zahlt immer schön ihr Geld, und wann immer ihr zu beschränkt seid zu verstehen, was abgeht, oder wenn ihr realisiert, dass ihr der Patientin nicht helfen könnt, dann erhöht ihr einfach die Anzahl der Jahre, die sie noch weiter kommen soll, oder ihr sagt, sie solle zu einem anderen Analytiker gehen, um herauszufinden, was mit dem ersten Analytiker schiefgelaufen ist. Macht diese Absurdität Sie wirklich nicht baff?«
»Was mich ganz sicher baff macht, ist die Absurdität dessen, dass ich hier sitze und mir diese Tirade anhöre. Ich kann mich nur wiederholen: Wenn es Ihnen nicht gefällt, warum zur Hölle gehen Sie nicht einfach?«
Wie im Traum (ich hätte nie für möglich gehalten, dass ich dazu in der Lage sein würde) stand ich von der Couch auf (wie viele Jahre hatte ich auf ihr gelegen?), nahm meine Handtasche und ging (nein, ich »schlenderte« nicht wirklich, auch wenn ich wünschte, ich hätte es getan) durch die Tür. Leise schloss ich sie. Kein Türzuschlagen à la Nora, das wäre zu erwartbar gewesen. Ciao, Kolner. Im Aufzug hätte ich eine Sekunde lang fast geheult.
Kaum hatte ich jedoch zwei Querstraßen der Madison Avenue hinter mir gelassen, frohlockte ich. Keine Acht-Uhr-Sitzungen mehr! Kein Bringt-es-überhaupt-irgendwas-Rätseln mehr beim Ausfüllen des gigantischen monatlichen Schecks! Nie wieder mit Kolner diskutieren, als wäre ich Anführerin einer Bewegung! Ich war frei! Und so viel Geld, das ich nicht ausgeben musste! Ich verdrückte mich in einen Schuhladen und gab erst mal vierzig Dollar für ein Paar weißer Sandalen mit Goldkettchen aus. Sie gaben mir ein besseres Gefühl, als fünfzig Minuten mit Kolner es jemals vermocht hatten. O. k., wirklich frei war ich also nicht (ich musste mich immer noch mit Shoppen trösten), aber zumindest war ich frei von Kolner. Das war ein Anfang.
Die Sandalen trug ich auf dem Flug nach Wien. Als wir im Gänsemarsch wieder ins Flugzeug stiegen, unterzog ich sie eingehenden Blicken. Musste ich die Maschine zuerst mit dem rechten oder mit dem linken Fuß betreten, um sie am Absturz zu hindern? Wie konnte ich die Maschine am Absturz hindern, wenn mir nicht einmal das einfiel? »Mutter«, murmelte ich. Ich murmele immer »Mutter«,...
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