Schweitzer Fachinformationen
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2. Kapitel
Ich setze mich an einen der Tische und trinke einen Schluck aus der Flasche. Den Cider hat unser Freund Scrumpy Joe gebraut, der sich beruflich auf das Brauen dieses Getränks spezialisiert hat. Im Garten des Cafés steht alles kunterbunt durcheinander, und der Boden ist uneben, was es zu einem Balanceakt macht, etwas sicher auf den Tischen abzustellen. Ich liebe es, von Zeit zu Zeit hier zu sitzen und darauf zu warten, dass die Milchshakes der Leute langsam ins Rutschen geraten.
Das Café liegt ganz oben auf einer Klippe auf dem Dach der Welt. Oder zumindest fühlt es sich so an, vor allem an einem Tag wie diesem, wo der Frühlingshimmel klar und strahlend blau ist und das Meer sich unendlich auszudehnen scheint.
Die Hunde geben ein halbherziges Wuff von sich, als sie mich sehen, und ich hebe als Antwort die Flasche, während ich laut zähle. Ich bin neugierig darauf, wie lange Willow brauchen wird, mir ihre Daumenschrauben anzulegen, und mich auszufragen. Ich schließe eine Wette mit mir selbst, die ich auf jeden Fall gewinne, weil es weniger als dreißig Sekunden sein werden, bis die Fragerei beginnt.
Ich muss dann doch bis hundertachtzig zählen, bis Willow aus dem Café auftaucht. Ihr rosa Haar flattert in der Brise, als sie in ihren silberbesprühten Doc Martens auf mich zustapft. Sie hat die Hände in die Hüften gestemmt, was mir sagt, dass sie es ernst meint.
»Wieso hast du so lange gebraucht?«, frage ich und klopfe auf eine imaginäre Uhr an meinem Handgelenk. »Was glaubst du, wie spät es ist?«
»Ich musste mir noch Edies Geschichte anhören«, sagt sie und boxt mich gegen die Schulter. Sie ist das Baby der Familie und war, wenn ich ehrlich bin, immer die Zielscheibe unseres Spotts und unserer Hänseleien, als wir noch jünger waren. Jetzt nutzt sie jede Gelegenheit, sich zu beweisen, dass sie nicht mehr die Schwächste des Wurfs ist.
Der Rest von uns - ich, Van und unser Bruder Angel - hat schon in jungen Jahren das Elternhaus verlassen. Willow ist mit einer immer dementer werdenden Lynnie zu Hause hängen geblieben und hat sich allein um sie gekümmert, bis sie uns endlich informiert hat, was Sache ist. Daraufhin sind zwei von uns zurückgekommen - und ich habe den Verdacht, dass ein Teil von ihr denkt, dass das Leben ohne uns einfacher war.
»Und wie war sie?«, frage ich und blinzle in die Sonne. Edies Verlobter ist im Zweiten Weltkrieg gefallen, und sie hat nie geheiratet. Sie ist davon überzeugt, dass er noch lebt, redet von ihm in der Gegenwart und bringt ihm sogar Essen aus dem Café mit nach Hause. Mir steht es nicht zu, etwas dazu zu sagen - wir sind alle ein bisschen verrückt, wenn man unter die Oberfläche schaut, nicht wahr?
»Eine Swing-Band, der Gemeindesaal und Nylonstrümpfe, die sie von einem amerikanischen Piloten geschenkt bekommen hat, haben eine Rolle dabei gespielt. Aber das ist jetzt egal . du bist verheiratet?«
Sie hat das Gesicht verzogen, und ich sehe, dass sie fasziniert und wütend zugleich ist.
»Ja. Du willst jetzt >Sonnenblume< sagen, oder? Nur dass du für so was zu alt bist, deshalb willst du >Scheiße< sagen. Ich sehe, wie der Kampf in dir tobt.«
»Bei dem Kampf, der in mir tobt, geht es nicht darum >Scheiße< zu sagen, Auburn - das sage ich gerne. Verdammt noch mal Scheiße, Scheiße!«
Ich lache laut, weil jedes Wort, das du immer wieder wiederholst, irgendwann albern klingt. Vor allem dieses.
Sie versucht, ernst zu bleiben, doch das passt nicht zu ihr, und schließlich knickt sie ein. Sie seufzt, setzt sich neben mich und klaut mir meine Cider-Flasche. Normalerweise wäre das ein guter Grund, sie zu Boden zu zwingen, sodass ihr meine Spucke ins Gesicht tropft, doch ich schätze, sie hat einen Schock, und ich benehme mich anständig.
»Warum hast du mir das nicht gesagt?«, fragt sie leise und klingt dabei ein bisschen verletzt. Ich schaue sie flüchtig an, wobei ich die Augen vor der Sonne abschirme und sehe, dass sie wirklich verletzt ist. Der Gedanke ist mir nie gekommen. Als wir Kinder waren, haben wir uns nicht sehr nahegestanden - wir waren genau genommen eingeschworene Feinde, die gezwungen waren, sich ein Zimmer zu teilen, in dem wir trotz unserer Hippiemama, die uns zu Frieden, Liebe und Verständnis verpflichtet hat, jeden Tag globale Konflikte ausgetragen haben.
Jetzt als Erwachsene stehen wir uns näher - durch Lynnie und die Tatsache, dass heute jede unser eigenes Zimmer hat, haben wir ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt. Wir sind sogar fast so etwas wie Freundinnen geworden. Es hat ihre Gefühle verletzt, dass ich das vor ihr verheimlicht habe, was mir leidtut.
»Es tut mir leid«, sage ich und tätschle ihr Knie. »Es war keine Absicht, ich denke, ich habe irgendwie . beschlossen, es zu vergessen. Ich weiß, dass das verrückt klingt, aber das war in einer anderen Zeit. In einem anderen Leben. Das ist lange her, in einer Galaxie . na ja, die mindestens ein paar Hundert Meilen weit weg liegt.«
»Okay, aber jetzt, wo du dich daran erinnert hast, will ich alles wissen. Ich kann nicht glauben, dass du verheiratet bist! Weiß Van das? Und was ist mit Finn?«
»Niemand hier weiß das. Wie gesagt, ich habe es vorgezogen, das zu vergessen. Ich weiß es selbst kaum mehr. Ohne Becca und ihre Groucho-Brille hätte ich vielleicht entschieden, es für immer zu vergessen. Aber . okay. Ich bin also eine alte, verheiratete Frau und du meine unverheiratete Schwester. Wir sitzen in der Sonne und teilen uns fair und gerecht eine Flasche Cider.«
Ich strecke die Hand nach der Flasche aus, doch sie ist schneller und hält sie weit von sich weg, sodass ich nicht darankomme, ohne vom Tisch zu fallen. Ich zucke mit den Schultern und hole stattdessen meine Zigaretten aus der Tasche meiner Jeans. Sie rümpft schon einmal im Voraus die Nase, was mich dazu veranlasst zu sagen, »Wenn du die Geschichte hören willst, musst du das Nikotin schon ertragen, okay?«
Ich habe versucht, mit dem Rauchen aufzuhören, seit ich zurück nach Budbury gekommen bin. Ich habe es mit E-Zigaretten versucht und mit Pflastern und Sport, scheine die Gewohnheit aber nicht ganz ablegen zu können. Ich schaffe es eine Zeit lang, doch sobald etwas ansatzweise stressig ist - wie z.B. dass ich erfahre, dass meine Mutter Krebs hat -, fange ich wieder mit dem Rauchen an. Ich bin ein kleines bisschen kaputt, und die Zigaretten sind ein äußeres Zeichen dafür, schätze ich mal.
Ich gebe mir Feuer und lasse mich von dem ersten wundervollen Zug beruhigen. Ich ziehe zweimal, dann drücke ich die Zigarette auf der kleinen Blechdose aus, die ich als kombinierten Aschenbecher und Kippensammler mit mir herumschleppe. Niemand mag Umweltschweine.
»Das ging aber schnell«, murmelt Willow und blinzelt überrascht.
»Das ist mein neuester Gesundheitstrick«, antworte ich und stecke die Dose wieder ein. »Ich rauche nur ein Drittel der Zigarette. Zugegebenermaßen teuer - aber Gesundheit kannst du nun mal nicht in Geld aufwiegen, oder?«
Willow verdreht auf eine Weise die Augen, weil sie weiß, dass ich sie hinhalte, und verschränkt die Arme vor der Brust.
»Okay, okay .«, sage ich, als mir klar wird, dass sie ihre Hände wegsteckt, damit sie mich nicht erwürgt. »Na ja, es ist echt lange her. Acht Jahre, um genau zu sein, als ich noch jung und sorglos und sehr oft high war. Es war in meiner Zeit in Barcelona, bevor ich nach London gekommen bin, um zu studieren und ein nutzbringendes Mitglied dieser Gesellschaft zu werden.«
»Ist er Spanier?«, fragt sie, was nicht abwegig ist.
»Seine Mutter. Sein Vater ist Engländer. Er heißt Seb - Sebastian, was auf Spanisch fast genauso klingt. Say-bass-ti-ann, irgendwie so in der Art.
»Say-bass-ti-ann«, wiederholt Willow und zieht den Namen in die Länge. »Jetzt weiß ich seinen Namen und wie er sich ausspricht. Das ist schon mal ein Anfang. Wie wäre es mit dem Rest - wie hast du ihn kennengelernt? Warum hast du ihn geheiratet? Warum hat es nicht funktioniert?«
Ich nehme Bewegung im Café wahr und habe das Gefühl, dass alle versuchen, uns alles von den Lippen abzulesen, ohne dabei neugierig zu wirken. Die Kehrseite unserer gemütlichen und zusammengeschweißten Gemeinschaft ist die, dass jeder sich extrem für das Leben des anderen interessiert. Es ist wie eine interaktive Seifenoper - mit vielen Scones, Erdbeermarmelade und Sahne.
»Äh . ja, hör zu, Willow, es ist kompliziert. Ich war jünger und viel wilder, du erinnerst dich? Ich bin früh von zu Hause weggegangen. Ich war jahrelang in Südamerika und Asien unterwegs. Und das hat Konsequenzen gehabt - es mag dich vielleicht überraschen, aber ich bin in gewisser Weise suchtanfällig .«
Sie schnaubt belustigt, und ich sehe sie gespielt wütend an. Weil ich gerade eine Zigarette geraucht und ungefähr siebzehn Martinis und eine halbe Flasche Cider getrunken habe. Normal ist das nicht.
»Und weiter?«, ermuntert sie mich und reicht mir den Cider. Braves Mädchen.
»Und . ich schätze, ich bin auch von Seb abhängig geworden. Ich habe in einer kleinen Wohnung über einem Restaurant im Gothic-Viertel gewohnt, in einer Bar gearbeitet und nie das Tageslicht gesehen. Wenn ich nicht arbeiten war, habe ich getrunken. Und wenn ich nicht getrunken habe, bin ich in Clubs gegangen. Und wenn ich nicht in Clubs gegangen bin, habe ich auf dem...
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