Schweitzer Fachinformationen
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Als Marie klingelte, schnellte Frau Meiers Blutdruck auf ungemütliche 240 zu irgendwas.
»Hilf mir mal, die Koffer hochzutragen! Ich kann die Sachen nicht im Auto lassen, mir ist neulich eine ganze Kollektion geklaut worden!«, schrie es von unten.
»Ich kann nicht, ich darf nicht heben!«
»Stell dich nicht so an, ein Spitzenstring wiegt auch in Größe 56 nicht mehr als 25 Gramm!«
In diesem Moment kam Herr Krause, der Nachbar von schräg oben, die Treppe herunter. Herr Krause war der rüstige Ehemann einer langweiligen und einsilbigen Frau Krause, die sehr gerne Lockenwickler trug. Herr Krause schien schon immer ein wenig von seiner Frau vernachlässigt worden zu sein, und somit schaute er schon seit Jahren allem, was keinen Vollbart hatte, hinterher.
»Oh, die Frau Schwester ist zu Besuch, bitte warten Sie doch, ich helfe gerne.«
Herr Krause schnappte sich die beiden zartrosa Koffer und schien mit ihnen die Treppe förmlich nach oben zu schweben.
»Ich darf doch?«, hauchte er und trat mit Elan in Frau Meiers heiliges Dreizimmer-Reich.
Herr Krause war noch nie in Frau Meiers Wohnung gewesen. Nicht in den 35 Jahren, in denen sie nun schon gemeinsam im selben Mietshaus wohnten.
Noch immer stand Marie unten und rief erneut: »Hallooo, kann mir noch mal jeeeeemand heeeelfeeeen?«
Herr Krause stürzte, an der fassungslosen Frau Meier vorbei, erneut die Treppe hinunter. Marie schien seine Tonlage absolut getroffen zu haben. Seiner Frau schien das in der Regel eher selten zu gelingen.
Nun dauerte es länger, denn Herr Krause schleppte die schweren Koffer mit Maries kleiner Reiseausstattung. Allein die Aussicht jedoch, einen Blick in die verheißungsvollen rosafarbenen Koffer werfen zu können, veranlasste ihn, die betonschweren Teile nach oben zu wuchten. Dort angekommen war er puterrot und erklomm nur mit Mühe die letzte Stufe.
Marie war nun auch im ersten Stock angelangt. Sie zog die rechte Augenbraue nach oben und ging an Frau Meier vorbei in die Wohnung.
»Der hat ja nicht mal 'nen vernünftigen Hintern in der Hose«, zischte sie ihrer Schwester dabei verschwörerisch anstelle einer Begrüßung zu. Und dann zwinkerte sie auch noch. Keck wie ein Teenager. Frau Meier mochte Derartiges überhaupt nicht.
»Tja«, sagte Herr Krause.
»Tja«, sagte Frau Meier.
»Ganz herzlichen Dank, lieber Herr Krause«, flötete Marie.
Weil sie im vergangenen Monat eine neue Zahnprothese eingesetzt bekommen hatte, hörte sich das »herzlich« eher wie »herrsslich« an, aber das gab Herrn Krauses Ohren erst den richtigen Kick.
»Sagen Sie, werte Frau Marie, was verstecken Sie denn da in den rosa Köfferchen?«, fragte er neckisch, und man konnte hören und sehen, dass sein Speichelfluss sich auf mindestens das Doppelte gesteigert hatte.
»Unterwäsche, lieber Krause, Unterwäsche«, zwitscherte sie und es hörte sich dabei ganz reizend an. Unterwässe .
»Soso, ich habe schon davon gehört, dass Sie das Besondere lieben und verkaufen.«
»Ja, eine Frau sollte für sich immer nur das Beste wollen, Herr Krause, nur so kann sie auch das Beste bekommen, verstehen Sie?«
»Hört, hört«, räusperte sich Krause und verstand natürlich nicht.
In Gedanken war er jedoch schon einen Schritt weiter und fragte sich, wie er wohl einen Blick in die Koffer werfen könnte.
»Herr Krause«, Marie hatte ihn natürlich sofort durchschaut und witterte ein verlockendes Klingeln in der Kasse, »wollen Sie Ihrer Frau denn nicht ein nettes Ostergeschenk machen? Immer nur olle Schokoladenhasen vom Discounter, das ist doch langweilig. Und ich verspreche Ihnen, Sie selbst brauchen dann eh nichts mehr Anderes, das Sie anbeißen möchten!«
Frau Meier stockte bei diesem Geplänkel der Atem. Herr Krause, nach 35 Jahren erstmals in ihrem Wohnzimmer, ließ sich Höschen und Push-ups vorführen! Eigentlich fehlten ihr nie die passenden Worte. Nie. Aber das hier, das machte sie richtiggehend sprachlos.
»Sagen Sie, Frau Marie, führen Sie die Dessous denn auch selbst vor?«
»Aber nein, Sie können sich gerne etwas aussuchen, und Ihre Frau Gemahlin kann das dann in aller Ruhe zu Hause anprobieren. Und wenn mal was nicht passt, dann bringen Sie es mir einfach wieder. Ich bin jetzt noch eine ganze Woche hier bei meiner Schwester. Sie ist ja so alleine, und ich werde sie schon auf andere Gedanken bringen.«
Frau Meier erstarrte erneut. Was war nun schlimmer: der Krause und die Höschen oder sieben Tage Marie? Eine Woche, sieben mal 24 Stunden. Sieben Tage, sieben Nächte. Sie wollte doch einfach nur ihre Ruhe. Waren es nicht ursprünglich nur zwei angekündigte Tage gewesen? Warum gönnte ihr niemand diese Ruhe! Ein Scheißleben war das. Solche Worte hatte sie früher nicht mal gedacht. Bei dem Sch-Wort hatte Gina regelmäßig eine hinter die Ohren bekommen.
Sch.-Leben, eben!
Während ihre Gedanken um die Wette fluchten, war Marie schon völlig in ihrem Element. Mit kessen Blicken und eher fadenscheinigem Fachwissen über diese und jene Spitze wickelte sie Herrn Krause lässig um den kleinen Finger. Oder um den großen Tanga, denn Marie vertrieb Dessous in Übergrößen.
Nach etwa 25 Minuten hatte Herr Krause seine Strickjacke ausgezogen und sich den Schweiß mit einem gestreiften Taschentuch von der Stirn getupft. Und nach zehn weiteren, für Frau Meier absolut unerträglichen Minuten, hatte er ein rosa Tütchen mit der Aufschrift »Big« in der Hand und war um 250,- Euro, die er allerdings erst später vorbeibringen wollte, leichter.
Ebenfalls, jedoch in anderer Hinsicht, erleichtert, begleitete Frau Meier Herrn Krause zur Wohnungstür, während Marie im Kühlschrank von Frau Meier nach einer Flasche Sekt suchte.
»Puh, das fängt ja gut an. Ich sage dir ja, die Männer, die kaufen und kaufen, das sind nicht nur Spanner, wie du vielleicht denkst.«
»Mir war der biedere Krause lieber. Der war noch nie in meiner Wohnung.«
»Ich weiß gar nicht, was du eigentlich willst, das ist doch toll, wie der drauf ist. Und seine Frau freut sich bestimmt über das, was er ihr da ins Nest legen wird.«
»Das zieht die doch nie an. Die ist auch schon über 60.«
»Na und, ich bin auch schon 58 und ich sage dir, so ein String kann auch noch aus dem ältesten Gärtner einen Bock machen!«
»Marie!«
»Jaja.«
Nach zwei Gläsern Sekt wurde auch Frau Meier etwas lockerer, denn in einer Viertelstunde sollte es zum Italiener gehen. Sie hatte seit Tagen, so erzählte sie zumindest ihrer Schwester, nichts Richtiges mehr gegessen. Wo sie recht hatte, hatte sie recht, denn Chips und Pralinen waren nun wirklich nichts Richtiges. Zwar ärgerte sich Frau Meier noch immer über die Eigenmächtigkeit ihrer Schwester, sich einfach so an ihrem Kühlschrank zu vergreifen, aber letztlich war es doch gut gewesen und diente eindeutig der zwischenmenschlichen Entspannung.
Der Italiener freute sich sehr, die beiden Schwestern zu sehen.
»Ciao, Mädels«, hauchte er und küsste den beiden die Hand. Er wusste genau, er musste darauf achten, keiner Hand auch nur den Bruchteil einer Sekunde länger Aufmerksamkeit zu schenken, da sonst der Haussegen den gesamten Abend lang schief hängen würde.
Er führte die beiden zu ihrem Stammplatz am Fenster mit Blick auf den Dom und reichte ihnen die Karte, empfahl das teuerste Menü des Abends und hoffte auf ein mehr als großzügiges Trinkgeld.
Doch davor, das wusste er aus Erfahrung, würde er sich mächtig anstrengen müssen.
Meeresfrüchte auf Rucola, Spaghetti mit Seezunge, Lammfilet im Parmesanmantel und schließlich und endlich würde das Dessert vermutlich nur noch in flüssiger Form in den Magen passen. Fast konnte er es schon hören .
»Zwei Grappa noch, Mädels?«
»Wie immer.«
»Il conto.«
»Der Rest ist für Sie.«
Und was das immer für ein Rest war! Ein super Abend! Wobei, am Anfang sah es gar nicht so gut für ihn aus. Die beiden hatten offenbar miteinander zu reden, und er befürchtete, das Thema könnte den Signoras den Appetit verderben.
Marie hatte zwei erwachsene Kinder, die in ihrem ganzen Leben noch keinen einzigen Strich gearbeitet hatten. Beide studierten irgendetwas im soundsovielten Semester und hatten die Uni jedoch schon länger nicht mehr von innen gesehen.
Ihr Mann, der Horst, war ein Schatz, aber allerdings mit knapp zwei Metern etwas zu groß und leider auch etwas zu still für Marie geraten. Aber: ein Fels in der Brandung! Ein riesiger Fels zwar, aber wer hat schon jemals mit einem Fels um die Wette gelacht? Nun, lachen konnte Marie. Sie hatte die Gabe, sich über sich selbst am besten amüsieren zu können, und ihre unerschöpfliche Steh-auf-Mentalität sowie ihr bedingungsloser Optimismus hielten sie am Leben.
»Schwesterchen, ich muss mit dir reden«, begann sie ernst. »Sarah will, dass ich mich verbrennen lasse. Anschließend soll ich anonym verscharrt werden und der Horst auch.«
Frau Meier riss ungläubig die Augen auf.
»Wieso das denn?«
»Philipp ist mit Sarah einer Meinung. Die beiden sagen, sie wollen sich ums Verrecken nicht wegen eines Grabes an eine Stadt binden...
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