Schweitzer Fachinformationen
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Der Frühling löste langsam den Winter ab. Pastellfarbene Sonnenaufgänge verkündeten mildere Tage, und das gelbe Wattenmeerhaus am Hafen, so schien es Wiebke, strahlte dem Sommer schon entgegen. Wiebke liebte die Insel bei Wind und Wetter, aber in diesem Jahr freute sie sich besonders über die ersten Boten der wärmeren Jahreszeit.
Sie hatte Maxi verabschiedet, die zur Schule geradelt war, und sich auf den Weg zu Tammes Haus gemacht. Dienstag war sein freier Tag. Die beiden nahmen sich üblicherweise Zeit für ein ausgiebiges gemeinsames Frühstück, ehe Wiebke in die Praxis musste. Da Tamme am Vorabend allerdings eine Sitzecke hatte zerlegen wollen, die sie ins neue Haus mitnehmen wollten, hatte er ausnahmsweise nicht bei Wiebke übernachtet.
»Sag bloß, du hast deinen grünen Daumen entdeckt.« Wiebke staunte nicht schlecht, dass sie Tamme ausgerechnet im Garten antraf. »Das ist ja ein ganzes Blütenmeer!«
Tatsächlich hatten sich besonders viele Schneeglöckchen und Krokusse direkt vor seiner Terrasse angesiedelt. Eigentlich zählte Tammes Grundstück eher zur Kategorie Naturwiese. Beete mit Blumen oder akkurat gestutzten Sträuchern suchte man vergeblich.
»Ich habe sie nicht eingeladen. Aber wo sie schon mal da sind .« Tamme versuchte, mit einem Rasenkantenschneider dem Löwenzahn und den Grasbüscheln den Garaus zu machen, die in allen Fugen der Waschbetonplatten prächtig wucherten. »Falls sich jemand mein Häuschen angucken kommt, soll es schließlich nicht aussehen wie bei Hempels unterm Sofa.« Wann immer ein Verkauf im Gespräch war, verwandelte sich Tammes positive Miene in Bedauern und Zweifel.
»Du musst es nicht verkaufen, Tamme«, erinnerte Wiebke ihn sanft. »Du kannst es erst mal vermieten.«
»Wozu soll das gut sein?« Er stützte sich auf den Handgriff. »Ich brauche keine Eherücktrittsversicherung.«
»Ich auch nicht. Ich dachte nur, weil du immer so trübe aus der Wäsche guckst, wenn du vom Verkauf deines Hauses sprichst.«
»Ganz leicht fällt es mir nicht«, gab er zu. Dann war das Strahlen in seinen Augen wieder da. »Es spielt übrigens keine Rolle, ob Käufer oder Mieter, beeindrucken will ich die auf jeden Fall.« Die Logik hatte etwas Bestechendes. »Außerdem profitierst du auch davon, wenn ich jetzt schon mal ein paar Handgriffe übe. Das Schwimmbad kommt ab und an mal ohne mich aus, seitdem sich Linus überraschenderweise doch noch eingearbeitet hat.«
»Hat er sich etwa von Schnecken- zu Faultier-Tempo gesteigert?«
»Mindestens! Auf jeden Fall hält er allein ganz ordentlich die Stellung. Das heißt, mir bleibt mehr Zeit, um in unserem kleinen Paradies in der Liebesallee meine Fähigkeiten als Gärtner auszuprobieren.«
»Du meinst, wir hätten vielleicht sogar das ganze Jahr etwas Blühendes?« Wiebke sah ihn mit staunenden Augen an.
»Nicht nur! Wir werden uns außerdem nur noch von Obst und Gemüse aus eigenem Anbau ernähren.«
»Und vermutlich dramatisch abnehmen .« Wiebke musste lachen. »Ich sehe dich direkt vor mir, mit Latzhose, Schlapphut und Rauschebart wie der Fernsehgärtner aus Husum. Eine gute Assistentin hast du auf jeden Fall schon.«
»Bisher stehst du nur rum und hältst mich von der Arbeit ab. Ich fürchte, so kann ich dir die Assistentenstelle nicht geben.«
»Wer spricht denn von mir? Maxi hat sich doch sofort ein kleines Kräuterbeet angelegt, als wir damals in den Feldweg gezogen sind. Hm, die Frage ist allerdings, wer wessen Assistent wäre.«
»Und was ist mit dir? Du wolltest doch eigentlich auch kürzertreten. In der Praxis, meine ich. Hast du inzwischen mal wieder eine Anzeige geschaltet?«
Treffer! Wiebke wollte sich tatsächlich längst intensiver darum gekümmert haben, eine junge Kollegin oder einen Kollegen zu finden, mit der oder dem sie eine Praxisgemeinschaft bilden konnte. Solange sich nichts änderte, hatte Wiebke täglich Bereitschaft. Wenn ihr Pieper Alarm meldete, musste sie los. Einen Versuch hatte Wiebke unternommen, nur hatte sich auf das Inserat kein geeigneter Kandidat gemeldet. Seitdem war das Thema erst einmal in Vergessenheit geraten. Wirklich blöd. Nicht nur, dass sie die Großstadt unter anderem verlassen hatte, um mehr Zeit für Maxi zu haben, nun hatte sie auch noch einen Mann, mit dem sie mehr als immer nur wenige Stunden zwischen Einsätzen verbringen wollte. Wiebke fiel siedend heiß ein, dass ihr Pieper selbst bei ihrer eigenen Hochzeit Alarm schlagen konnte. Sie musste sich dringend wenigstens um eine vorübergehende Vertretung kümmern.
»Apropos Praxis, hast du nicht Lust, nachher vorbeizukommen und eine Lampe in der Küche anzubringen? Die von der Decke baumelnden Kabel sind nicht gerade attraktiv und geben obendrein kein Licht.«
»Glaub bloß nicht, dass ich dein Ablenkungsmanöver nicht durchschaut habe.« Er verdrehte die Augen. »Ich komme trotzdem vorbei und erledige das.« Sie küsste ihn. »Ich kann dir aber nicht sagen, wann das sein wird. Nele will mich am Nachmittag anrufen. Sie hat so viel um die Ohren, dass sie noch immer nicht weiß, wann sie zu unserer Hochzeit nach Hause kommen kann. Lange bleiben kann sie sowieso nicht, es werden kaum mehr als zwei Tage sein.«
Rührend, wie Tamme immer noch von »nach Hause« kommen sprach. Seine Tochter Nele wohnte seit Jahren auf dem Festland bei ihrer Mutter, nach Pellworm kam sie nur zu Besuch. Selbst das war selten geworden, seit sie in Verona war. Ein Schuljahr in Italien, bevor sie anschließend in Deutschland ihr Abitur machen würde. Ein bisschen beneidete Wiebke sie um diese Erfahrung. Was sie Tamme bei ihren Anrufen erzählte, klang wunderbar, Nele war jedes Mal geradezu euphorisch. Hoffentlich überlegte sie es sich nicht anders, machte auch ihren Abschluss dort und blieb für immer. Tamme vermisste sie jetzt schon schrecklich. Wiebke wollte sich nicht ausmalen, wie es einmal sein würde, wenn Maxi flügge wurde und sie sich längere Zeit nicht sehen konnten. Glücklicherweise waren es noch viele Jahre bis dahin.
»Immerhin kommt sie«, munterte Tamme sich selbst auf. »Die Verwandten aus Griechenland hat sie ewig nicht gesehen, Cousine Nike sogar noch nie.«
»Im Hochzeitstrubel habt ihr ohnehin nicht viel voneinander. Wer weiß, vielleicht kann Nele nach dem Schuljahr in Italien etwas länger bei uns bleiben. Kann doch sein, dass sie sowieso wieder bei Fenja und Fiete auf Süderoog aushelfen will.«
Wiebke sah auf die Uhr. Es wurde allmählich Zeit. Dann fiel ihr doch noch etwas ein: »Was deine große dramatische Familie aus Griechenland angeht, musst du mir übrigens demnächst mal einen Stammbaum aufzeichnen. Ich habe versucht, Corinna zu erklären, wer wie mit wem verwandt ist.« Sie pustete eine Strähne aus der Stirn. »Das ist echt mal eine Aufgabe!«
»Dann zeichne ich dir am besten gleich noch eine Landkarte dazu. Die kommen nämlich nicht alle aus Drama, nur meine Mutter, Onkel Apollon und Efgenia wohnen dort.«
»Weiß ich doch!« Drama - da war Pellworm ja noch ein staubtrockener Ortsname. Vermutlich hielt es jeder Deutsche für einen schlechten Scherz, wenn man ihn erwähnte. »Und eine Landkarte brauche ich nicht, denn ich weiß sehr wohl, dass Drama im Norden Griechenlands liegt und berühmt für sein weltklasse Skigebiet ist.«
»Das ist jetzt eher übertrieben.«
»Das war ein Witz, Tamme.« Wiebke schnitt eine Grimasse. In dem Moment klingelte sein Dienst-Handy.
»Halb zehn! Ich habe heute frei, und das Bad ist geschlossen«, sagte er sehr bestimmt. Wiebke wollte ihn gerade bewundern, dass er so konsequent war, da ging er ran.
»Herr Scheewe, Moin, wie ist die Lage auf Hooge, ernst, aber nicht hoffnungslos?« Durch den Lautsprecher war ein meckerndes Lachen zu hören.
Der Bürgermeister der Hallig war noch nicht mal ein Jahr im Amt, und er kam vom Kontinent. Sein Credo »Wir machen alles neu: größer, schneller, besser« kam nicht bei jedem gut an.
»Klar ist ein Schwimmbad eine tolle Sache. Hm, ja . sicher . Finde ich auch, deshalb arbeite ich in einem.« Tamme hörte zu, holte tief Luft, kam nicht zu Wort, hörte weiter zu. Bemerkenswert, für gewöhnlich hatte er kein Problem damit, auch mal zum Zug zu kommen. Jetzt schüttelte er den Kopf.
Wiebke gestikulierte. Sie musste wirklich los. Aber Tamme ignorierte sie beharrlich.
»Mit Außenbereich, ah ja. Und Jacuzzi draußen. Klingt super, wo haben Sie das gesehen?« Er schnaufte erschöpft. »Ja, auf Island kann man so was natürlich gut machen. Da kommt das Wasser schließlich ganz natürlich aus heißen Quellen.« Tamme verdrehte die Augen und tat so, als würde er sich in den Unterarm beißen. »Hm, ja . Herr Scheewe, nehmen Sie es mir bitte nicht übel, aber ich muss mich jetzt um jemanden kümmern.« Wiebke grinste. »Ein anderes Mal können Sie mir gerne Ihre Bilder von Island zeigen.«
Wiebke schlug die Hände vors Gesicht und schüttelte...
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