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Das Hauptwerk des großen Soziologen zur Globalgeschichte von Religion und politischer Macht | Platz 1 der Sachbuchbestenliste von WELT, RBB, Neue Zürcher Zeitung und ORF
Das Wohl aller Menschen bei moralischen und politischen Entscheidungen zu berücksichtigen - das ist heute für viele zumindest als Ideal gerechtfertigt. Aber schon immer gegeben und universell verbreitet ist ein solches Menschheitsethos nicht. Wann und wo ist es also entstanden - und warum eigentlich? Ist es eine Besonderheit der jüdisch-christlichen oder der westlich-aufklärerischen Tradition? Und wie hängt seine Entstehung mit der Geschichte imperialer Weltherrschaft zusammen? In seinem faszinierenden Buch folgt Hans Joas diesem Menschheitsethos in globaler Perspektive.
Von der sogenannten »Achsenzeit« ausgehend, zeichnet er dessen Entstehung in der griechischen Antike, in Judentum und Christentum, in Indien und China nach und betrachtet es im Zusammenhang mit imperialen Reichsbildungen bis hin zum Kolonialismus, Faschismus und Kommunismus. Kann es einen Universalismus ohne Imperialismus überhaupt geben? Und wie steht der Islam zu den achsenzeitlichen Entwürfen eines Menschheitsethos? Joas' Antworten auf diese großen Fragen fügen sich zu einem Opus Magnum, mit dem er seine vielbeachteten Arbeiten zur Geschichte von Religion und politischer Macht krönt.
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Vorwort
Mit diesem Buch zur Geschichte des moralischen Universalismus bringe ich ein Arbeitsvorhaben zum Abschluß, das mich über einen Zeitraum von zehn Jahren hinweg nicht ausschließlich, aber doch vorrangig beschäftigt hat. Diese Bemerkung zielt nicht einfach auf den vorliegenden Band, sondern auf eine Sequenz von drei Büchern, die man - obwohl sie gewiß auch einzeln lesbar sind - als die Bände einer Trilogie betrachten sollte. Ihre Veröffentlichung begann mit Die Macht des Heiligen im Jahr 2017 und wurde mit Im Bannkreis der Freiheit von 2020 fortgesetzt. Obwohl ich bei manchen Anlässen den Zusammenhang der drei Bände durchaus öffentlich erwähnte, ist in den ersten beiden Bänden nicht ausdrücklich von ihm die Rede. Der Grund dafür lag einfach in meiner Scheu, Ankündigungen gedruckt zu sehen, an deren Verwirklichung einen das Leben hindern könnte. Der Preis für diese Zurückhaltung war allerdings, daß die einzelnen Teile manchmal in ihrem kompositorischen Sinn mißverstanden wurden. Deshalb ist es angebracht, an dieser Stelle ganz knapp den Zusammenhang zu erläutern.
Die ersten beiden Bände hatten den Zweck, die beiden einflußreichsten Erzählmuster zur Geschichte des Verhältnisses von »Religion« und »Macht« in Frage zu stellen. Im ersten Fall ging es um Max Webers Behauptungen über einen welthistorischen Prozeß fortschreitender Entzauberung, der bei den alttestamentlichen Propheten begonnen und die moderne europäische Säkularisierung ermöglicht, ja unausweichlich gemacht habe. Im zweiten Fall ging es um das von Hegel in klassischer Weise durchdachte 14Muster, dem zufolge Religionen im allgemeinen in einem Spannungsverhältnis zur politischen Freiheit stünden - allerdings mit einer großen Ausnahme, nämlich dem Christentum. Hegel schrieb dem protestantischen Christentum, und nur diesem, im Gegensatz zu den allgemeinen Tendenzen sogar eine spezifische Affinität zur politischen Freiheit zu, ja eine konstitutive Rolle für ihre Institutionalisierung. Meine Einwände gegen beide Geschichtserzählungen sollen hier nicht wiederholt werden. Es ging mir jeweils neben der Kritik immer auch schon um die Andeutung einer Alternative. Im Schlußkapitel des ersten Bands war deshalb ausführlich von den historischen Ansätzen zur Überwindung »kollektiver Selbstsakralisierung« die Rede, im zweiten Band von der notwendig werdenden Verschiebung der Fragestellung in Richtung einer Globalgeschichte des moralischen Universalismus. Ebendiese ist jetzt das Thema des vorliegenden Buches, das den Anspruch erhebt, diese Alternative ausführlich zu präsentieren.
Die Gewichte von Kritik und Alternative waren in den ersten beiden Bänden unterschiedlich gelagert. Im ersten Band wurden durch die Kontrastierung von Weber mit dem Werk von Ernst Troeltsch und durch die Relativierung seiner Behauptungen im Kontext der Forschungen über eine »Achsenzeit« in der Weltgeschichte zwar die Grundlagen einer Alternative angedeutet, aber nicht ausgeführt. Im zweiten Band galt die ganze Rekonstruktion einer Geschichte der Religionstheorie im zwanzigsten Jahrhundert der Grundlegung einer Alternative zu Hegel und Nietzsche, aber die Argumente fanden sich verteilt auf die Interpretation von Religionsdenkern und nicht in einer fortlaufenden historisch-analytischen Darstellung zusammengeführt.
Was meine eigene Entwicklung betrifft, gehen die Ursprünge dieses Vorhabens weit zurück. Mein Buch Die Sakralität der Person von 2011 ist in vielerlei Hinsicht schon eine methodische Vorbereitung des vorliegenden Buches. Auch damals ging es mir darum, neben unbestreitbaren Tendenzen der Säkularisierung neue Sakralisierungen nicht aus dem Auge zu verlieren und da15bei besonders auf die politisch relevanten wie die der »Nation« oder der »Person« zu achten. Historisch aber war die Argumentation damals auf die Geschichte der Menschenrechte vom späten achtzehnten bis zur Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts beschränkt. Das neue Buch setzt tiefer an, insofern es auf den »moralischen Universalismus« zielt und nicht einfach auf die »Menschenrechte«. Die Notwendigkeit dieser Erweiterung habe ich schon 2014 am Ende des Vorworts zur Taschenbuchausgabe hervorgehoben. Gewiß sind die Menschenrechte nämlich eine moderne Artikulationsform des moralischen Universalismus, aber eben eine historisch spezifische, durchaus von politischem Mißbrauch gefährdete.
Auch noch in einer anderen Hinsicht hat dieses Buch Ursprünge, die weiter zurückliegen. Die Stoffaneignung und Forschung hätte nicht im Zeitraum weniger Jahre stattfinden können, etwa dem seit Abschluß des zweiten Bands. Ich könnte zu jedem Kapitel Angaben machen, aus welcher Lebensphase mein Interesse stammt. Für die Geschichte des Christentums in seiner Tiefe und Breite habe ich mich interessiert, seit ich überhaupt in dieser Weise denken kann. Die Geschichte der USA (Kap. 9) und besonders die der Schwarzen dort beschäftigt mich seit meinem ersten Aufenthalt im Land als Doktorand 1975/76, die Indiens seit Reisen in den 1980er Jahren (Kap. 2.5, 5.6, 10), die Chinas (Kap. 2.4, 11) erst seit bald nach der Jahrtausendwende, seither aber durch Aufenthalte im Land zu Vorträgen und Buchvorstellungen besonders intensiv. Auch für alle anderen Themenkomplexe ließen sich solche Angaben machen - was umgekehrt bedeutet, daß auch mögliche blinde Flecken aus biographischen Konstellationen herrühren dürften.
Das Buch liegt, was seine disziplinäre Zuordnung betrifft, auf dem Gebiet der historischen Soziologie. So erklärt sich auch, daß sein Aufbau den konventionellen Vorstellungen von Geistesgeschichte nicht entspricht. Man erwartet von einer Geschichte des moralischen Universalismus vielleicht Kapitel zur Reformation und zur Aufklärung und möglicherweise sogar separat zur 16Philosophie von Immanuel Kant. All dies wird hier nicht geboten, da der Leitfaden ein anderer ist. Aus Gründen, die im Buch erläutert werden, liegt er in der Geschichte der Imperien, der Ansprüche auf Weltherrschaft, und nicht dort, wo von der Selbstentfaltung eines Menschheitsethos die Rede sein könnte. Das heißt aber nicht, daß nicht zahlreiche Bezüge zu Philosophie und Theologie in die historisch-soziologische Darstellung eingebaut würden. Auch auf literarische Texte wird immer wieder verwiesen, wenn diese für meinen eigenen Denkfortschritt wichtig waren.
Den Schwung zur schriftlichen Ausarbeitung habe ich immer wieder auch durch ehrenvolle Einladungen zu Vorträgen und Vortragsreihen erhalten. Besonders wichtig war in diesem Fall die Einladung der Klassik Stiftung Weimar, im Jahr 2018 als Distinguished Fellow des Kollegs Friedrich Nietzsche Vorträge über »Religion und Imperium« zu halten. Dem damaligen Präsidenten Hellmut Seemann möchte ich meine anhaltende Dankbarkeit dafür ausdrücken. Ebenfalls förderlich war die Einladung auf die Internationale Gastdozentur am Jacob-Fugger-Zentrum der Universität Augsburg im Juli 2022, bei der ich einige Kapitel in Vortragsform vorstellen konnte. Hier gilt mein besonderer Dank der wissenschaftlichen Geschäftsführerin Dr. Andrea Rehling. Im Jahr 2023 schließlich durfte ich als Fellow der Kollegforschungsgruppe »Universalismus und Partikularismus in der Zeitgeschichte« während dreier Monate an der Universität München Gedanken aus meiner Arbeit zur Diskussion stellen und vielfältige Anregungen aufnehmen. Mein Dank gilt den drei Leitern Martin Schulze Wessel, Kiran Patel und Andreas Wirsching. Als anregend empfand ich immer auch die Fragen und Stellungnahmen von Studierenden, die meine Vorlesungen zu Teilen des Buches an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität gehört haben.
Ohne den Rat von Freunden und Kollegen würden Bücher schlechter ausfallen. Ich danke denjenigen, die einzelne Kapitel oder Unterkapitel hilfreich kommentiert haben, an den entsprechenden Stellen im Buch. Besonders herausheben aber muß und 17möchte ich Wolfgang Huber, den Berliner Theologen und ehemaligen evangelischen Bischof. Seinem eigenen Denken ist ein ganzes Kapitel im Bannkreis der Freiheit gewidmet. Nur er hat alle drei Bände vor der Veröffentlichung vollständig gelesen und mit größter Sorgfalt und imponierendem Scharfsinn auf korrekturbedürftige Stellen aufmerksam gemacht sowie Verbesserungen vorgeschlagen. Huber ist ein Mann vieler Talente, woran niemand zweifelt, der ihm einmal begegnet ist. Vielleicht ist aber nicht allen klar, daß an ihm auch ein erstklassiger Lektor...
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