Schweitzer Fachinformationen
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Sie schlief. Neben ihr lag ihr kleiner Sohn. Sie ließ ihn bei sich im Bett an der Wand schlafen, wenn ihr Mann auf See war. Sie liebte es, den ruhigen Atem des Jungen im Schlaf an ihrer Wange zu spüren.
Sie erwachte von einem leichten Picken an die durchscheinende Tierhaut, die über den Fens terrahmen gespannt war. Pick-pick. Pick.
Der Laut drang in ihren Schlaf, ohne dass sie sagen konnte, woher er kam. Sie setzte sich halb im Bett auf und blickte forschend zum Fenster, doch da war der Laut verstummt. Draußen regte sich nichts. Aber noch während sie sich wieder auf das Kissen zurücksinken ließ, begann das Picken von neuem. Sie stand jetzt auf und legte ihr Gesicht dicht an die dünne Haut, durch die ein fahler Schein der hellen Sommernacht hereindrang. Ein erstauntes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, als sie die Umrisse eines kleinen schwarzen Schnabels erkannte. War das möglich? Ein kleiner Papageitaucher? Tatsächlich. Bei ihr hatte das erste Papageitaucherjunge dieses Sommers Zuflucht gesucht. Das war ungewöhnlich früh. Gewöhnlich verirrten sie sich nicht vor Anfang August zu den Häusern herab. Aber die Fangzeit hatte begonnen, und vielleicht hatte das kleine Ding seine Eltern verloren. Natürlich würde sie diesem verfrühten Nestflüchter helfen, wie unzähligen, kaum flügge gewordenen Papageitauchern jeden Sommer. Sie hatte als Kind gelernt, dass es Glück bringt, Papageitaucherjunge zu retten. Sie hatte nur keine Lust, sofort hinauszugehen, und legte sich zurück zu ihrem Sohn ins Bett und versuchte wieder einzuschlafen. Aber der kleine Vogel ließ ihr keine Ruhe. Zu guter Letzt sprang die Frau auf, warf sich einen weiten Rock über, schlüpfte in Jacke und Schuhe und ging hinaus.
Auf dem Dach des Grassodenhauses bewegte sich kein Halm. Aber das Gras war feucht vom Tau und strich ihr kühl um die nackten Knöchel. Sie fand den Papageitaucher auf dem breiten Sims unter dem Stubenfenster, wo er immer noch an die straff gespannte Haut pickte. Sie schloss das kleine, warme Leben in ihre Hand. Der Vogel piepste schwach, und seine schwarzen Augen blickten die Frau ängstlich an. Er zitterte am ganzen Körper.
«Hab keine Angst, Dummerchen», flüsterte sie. «Ich will dir helfen.»
Es war ein kurzes Stück, das sie mit dem Vogel bis zum Meer hinuntergehen musste, und auf dem Weg dorthin lag er ganz still in ihren Händen. Nur die daunenweichen Federn auf der Brust bebten leicht über dem pochenden Herzen. Es kitzelte auf der Hand. Sie wollte lachen, gab aber keinen Laut von sich. Es war nichts zu hören als das Rauschen des Meeres, das wie ein gutmütiges Murren in der dämmrigen Nacht klang. Sie hielt an einer kleinen Bucht inne und blickte über die Sandbank auf das Meer hinaus. Obwohl die Sonne kurz nach Mitternacht unter dem Horizont verschwunden war, überzog sie den Himmel immer noch mit einem rötlichen Schein, färbte die Wellenkämme rot. Sie hörte, wie die Wellen an den Steinen leckten. Rosa Schaumspuren leuchteten auf, wo sie im Sand verliefen. Draußen brach sich die Dünung leise an einer Schäre. In ihren dünnen Sachen hatte sie auf dem Weg keine Kälte verspürt, aber hier wehte eine kühle Brise. Sie hob die Arme hoch und öffnete die Hände. Der kleine schwarze Knäuel auf ihren Handflächen hob sich dunkel vor den leuchtend gelben Wolken ab.
«Flieg jetzt», flüsterte sie. «Flieg!»
Der kleine Papageitaucher verharrte einen Augenblick lang still, als könnte er nicht an die Freiheit glauben. Dann spürte die Frau, wie die kurzen Flügel flatternd um sich schlugen, und der Vogel flog davon.
Gudrid schreckte aus einem Traum hoch: Zum zweiten Mal in dieser Nacht wurde sie geweckt. Diesmal von einem Kuss. Sie spürte im Halbschlaf einen kühlen Salzgeschmack und riss die Augen auf. Im Traum war der Mann dunkel, riesenhaft gewesen. Ihr Herz hämmerte in der Brust. Aber es gab keinen Grund zur Angst. Es war natürlich Eyjólf, der nach Hause gekommen war. Sie stand auf, ließ ihn sich setzen und zog ihm schlaftrunken die schweren Fischerstiefel von den Füßen. Er lehnte sich zurück und betrachtete ihr Gesicht im matten Licht des milchig gelben Fensters. Sie spürte, wie seine Augen jeder Bewegung ihres Körpers folgten, während sie ihm aus der nassen Seemannskleidung half. Sie gähnte. Dann nahm sie einen seiner Füße zwischen ihre Hände und massierte die kalten Zehen. «Morgen gibt es frischen Fisch», flüsterte er, während er den anderen Fuß unter den Saum ihres Unterrocks schob. Sie wusste, was er gern hatte, und hob den Rock. Ein kurzes Zucken durchlief sie, als er seinen eisigen Fuß zwischen ihre schlafheißen Schenkel bohrte. Dann schob er ihn langsam hinauf und ließ seine Zehen mit ihrem Schamhaar spielen. Ihr Atem ging rascher, und sie öffnete die Beine. Als er mit seinen Hände ihre Hüften umschloss und sie an sich zog, flüsterte sie, dass sie das Kind nicht wecken dürften.
«Er wacht nicht auf», sagte der Mann und vergrub sein bärtiges Gesicht an der Brust der Frau. Sein windzerzaustes Haar duftete nach Salz. Sie kannte kaum einen besseren Geruch als diesen, den er im Sommer vom Meer mit nach Hause brachte. Er füllte ihr dunkles Haus, in dem sich das ganze Jahr über ein feuchter, säuerlicher Muff in den Torfwänden hielt, mit Meer und Sonnenschein. Sie wühlte ihre Nase in den blonden Schopf des Mannes. Dann zog sie ihm die Hose herunter und setzte sich auf ihn.
Der Junge bewegte sich unruhig im Bett, während seine Eltern ihr Verlangen stillten, drehte sich dann aber herum und schlief weiter. Als sein Atem wieder ruhig und gleichmäßig ging, ergriff Eyjólf die Hand seiner Frau und sagte: «Komm!»
«Sollten wir nicht schlafen?», flüsterte sie.
«Es ist Sommer», antwortete er.
«Aber wenn Sölmund aufwacht?»
«Wir sind bald wieder zurück.»
Er führte sie an der Hand durch den dunklen Flur in die stille, ruhige Nacht hinaus. Der Himmel glühte. Über dem Gletscher schwebten goldgesäumte Wolken, und die Schneefläche darunter war in ein zauberhaftes Licht getaucht. Hinter dem Felsen Heimaklettur am Hafen kündigte die Sonne ihr Kommen an. In einer Stunde würde sie sich im Felsspalt bei Ystiklettur zeigen. In Nächten wie diesen hatte Gudrid das Gefühl, am Tor zum Paradies zu leben.
Auf der Steinplatte am Hauseingang lagen zu einem Bündel gebundene Schellfische. Das Wasser lief ihr im Mund zusammen. Seit drei Wochen hatte sie keinen frischen Fisch bekommen - und das zur Hauptfangzeit! Nach der Mittsommernacht hatten die Boote zuerst lange Zeit wegen schlechten Wetters nicht auslaufen können. Und als die See sich wieder beruhigt hatte, war ein Boot vom Festland gekommen, mit Schrecken erregenden Nachrichten: Seeräuber waren an der Südküste, in Grindavik, an Land gegangen und hatten ein Massaker angerichtet. Sie hatten Verletzte und Verstümmelte am Strand zurückgelassen und andere gefangen genommen und auf ihr Schiff geschleppt. Außerdem, so erzählte man, hätten sie ein dänisches Handelsschiff gekapert, das zu den Westfjorden unterwegs gewesen war. Danach hätten die Freibeuter versucht, beim Sitz des dänischen Landvogts in Bessastadir an Land zu gehen, aber abdrehen müssen, weil das Seeräuberschiff vor der flachen Küste auf Grund gelaufen wäre.
Diese Nachrichten verbreiteten auf den Westmänner-Inseln Angst und Schrecken, und die Obrigkeit erklärte den Belagerungszustand, auch wenn keine fremden Schiffe zu sehen waren. Selbst den tüchtigsten Seemännern wurde verboten, auf Fischfang zu gehen, stattdessen befahl man ihnen, beim Bau der Schanze an der Hafeneinfahrt mitzuhelfen. Die Befestigungsanlage dort war halb verfallen. Nun sollten wieder Kanonen aufgestellt werden. Wachen wurden auf dem Berg Helgafell postiert. Alle, die irgendwie zur Arbeit taugten, mussten ihren Teil zur Verteidigung der Inseln beitragen. Angst und Sorgen befielen die Menschen, die eben erst begonnen hatten, sich an dem kurzen Sommer zu erfreuen. Die Priester predigten in den Kirchen vom bevorstehenden Zorn Gottes, der, ehe man sich's versah, über die sündige Gemeinde herabkommen würde. Sie drohten allen, die durch Unkeuschheit, Habgier oder auf andere Weise die Gebote Gottes missachteten, mit ewiger Verdammnis und warnten jene, die, in ihrer maßlosen Gier, Fische an Land zu ziehen, den Tag des Herrn nicht heiligten. Dann baten sie Gott im Himmel, die Einwohner der Inseln vor der schrecklichen Tyrannei des Türken zu bewahren. Denn am heiteren Sommerhimmel ballten sich erneut schwere Unwetterwolken zusammen, diesmal jedoch unsichtbar für menschliche Augen.
Gudrids Mann, Eyjólf, hatte nach anfänglichem Zögern der Versuchung nicht länger widerstehen können. Sobald sich die Sonne des Sonntags hinter dem Berg Dalfjall gesenkt hatte, begannen er und Jón Oddsson, mit dem er gemeinsam den Hof Stakkagerdi bewirtschaftete, ihre Schnüre und Angelhaken bereitzumachen. Sie warteten noch, bis das Abendrot endgültig den Sonnenuntergang verkündete, dann schoben sie ihr Ruderboot ins Wasser.
«Gleich an der Faxi-Schäre bissen schon die Ersten an», sagte Eyjólf. «Jetzt bekommen wir wieder Fisch auf den Teller, und unten auf dem Trockenplatz wartet ein schönes Fass voll Dorsch auf dich.» Dann verschwand er kurz im Schuppen, kam mit einem zusammengerollten Seil um die Schulter wieder heraus und ging in Richtung Fiskhellaberg davon. Sie eilte ihm nach, halb angezogen, die Jacke noch in der Hand und klebrig zwischen den Beinen. Sein Samen sickerte ihr beim Laufen an den Schenkeln hinab. Plötzlich überkam sie das Verlangen, sich im Tau zu säubern.
«Ich will mich waschen.»
Er sah ihr zu, wie sie ihren Rock hochschlug, sich auf die Fersen hockte und mit dem Tau die Scham...
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