Schweitzer Fachinformationen
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»Mein Tüdelbräu hat euch wohl den Verstand vernebelt.«
Die Friesenbrauerin Gesine Felber nahm das leere Glas von ihrem alten Freund Joris Harms entgegen und reichte Hinnerk Gravenhorst ein frisch gezapftes Bier. Der Tischler saß an diesem Abend neben dem ehemaligen Kapitän an der Theke im Sünnumer Kroog auf einem Barhocker, der unter seinem hünenhaften Körper wie das Möbelstück aus einem Kindergarten wirkte.
Die hintere Wand der Gaststube wurde von einem deckenhohen Regal dominiert, das bis zum Rand mit verschiedenen Flaschen, Gläsern und Strandgut gefüllt war.
Die anderen Wände des kleinen Schankraums verzierten handgemalte Ölbilder mit maritimen Motiven in alten und teilweise verkratzten Holzrahmen. Auf einem der Gemälde prangte seit Jahren ein geheimnisvoller Fingerabdruck. Über der Theke hing eine ausrangierte Schiffsglocke aus Messing, die nur zu besonderen Anlässen geläutet wurde. In der Mitte des Raums standen drei Stehtische, an denen die Dorfbewohner miteinander schnackten.
Aus den Lautsprechern erklang das Lied An der Nordseeküste, das die meisten Gäste textsicher - und lauthals - mitsangen. Trotz der Geräuschkulisse war der Donner, der den zuckenden Blitzen des Gewitters folgte, deutlich zu hören.
Hinnerk trank ordentlich ab und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Dein Bier ist viel besser als die Plörre vom Dünenhopfen.«
Joris Harms gönnte sich ebenfalls einen großen Schluck und leckte sich danach über die Lippen, als wäre er ein Biersommelier, der gerade einen besonders guten Tropfen verkostet hatte, und drehte sich zu den Sünnumern an den Stehtischen hinter ihm um. »Das neue Schützenfestbier hat ein malzaromatisches Mundgefühl, was meint ihr?«
Die meisten Dorfbewohner ließen ein zustimmendes Murmeln hören. Der beleibte Wattführer Sören Gebhard, der mit seiner Frau Leefke, Tammo Friese und Hauke Peters an einem Tisch stand, hob den rechten Daumen.
»Im Nachtrunk ist zudem ein zarter Karamellgeschmack erkennbar.« Hinnerk fuhr sich mit der linken Hand über seinen mächtigen Bart, den er an diesem Abend zu einem Zopf geflochten hatte.
»Tiefgold in der Farbe mit einer leichten Trübung.« Joris drehte sein halbvolles Glas im Licht einer Deckenlampe.
»Das Tüdelbräu ist auch für eine Frau nicht zu herb. Die Fruchtaromen sorgen für eine wahre Geschmacksexplosion auf der Zunge.« Gesines Tochter Wiebke, die neben ihrer Mutter hinter der Theke stand, trank ebenfalls einen Schluck und verdrehte genießerisch die Augen.
»Aromen von Haselnuss und Honig kitzeln meinen Gaumen.«
»Nee, das sind dunkle Schokolade und Kaffee.«
»Hinnerk, was bist du nur für ein Vollpfosten. Der Geschmack kommt von den Beerenfrüchten, ist doch klar«, wandte Joris ein.
»Ein alter Seemann wie du schmeckt doch nicht einmal den Unterschied zwischen Tee und Salzwasser. Das Bier hat ein leichtes Grapefruitaroma. Tüdelbüdel hat bestimmt Cascade-Hopfen verwendet.«
»Super, bei dem ganzen Obst brauche ich keinen Vitaminsaft mehr und trinke ab sofort nur noch Tüdelbräu.« Wiebke grinste wie ein Honigkuchenpferd.
»Ihr habt doch nicht mehr alle Latten am Zaun.«
Die Friesenbrauerin stemmte die Hände in die Seiten und musterte die Dorfbewohner wie eine Lehrerin ihre Klasse mit unartigen Schülern. »Bisher habt ihr jedes neue Tüdelbräu lediglich mit einem Kopfnicken zur Kenntnis genommen und jetzt lobt ihr mein Bier über den grünen Klee. Warum macht ihr das? Raus mit der Sprache.«
»Dein Bier ist einfach super. Schon der erste Schluck begeistert mit einem Bouquet von Kaffee und einigen vom Malz stammenden .«
»Wiebke, halt den Sabbel und erzähl mir endlich, was hier los ist«, unterbrach Gesine ihre Tochter.
»Mama, du musst unbedingt an dem Watthumpen-Festival teilnehmen und diesem Schnösel Neunaber zeigen, wer in der Küstenregion das beste Bier braut. Der Kerl hält sich für einen großartigen Brauer, dabei ist er nur ein armseliger Stümper.«
»Neunabers Gesöff schmeckt im Vergleich zu deinem Tüdelbräu wie Spülwasser«, ließ sich Joris vernehmen.
»Ich braue mein Bier nur für die Sünnumer, das solltet ihr eigentlich wissen.«
»Willst du dir etwa die zehntausend Euro Siegesprämie entgehen lassen?«
»Zehntausend Euro?« Gesine sah Hinnerk mit weit aufgerissenen Augen an.
»Jo.« Joris trank einen Schluck.
»Mama, das Geld können wir für die Reparatur des Reetdachs gut brauchen.«
Wiebke zog einen Flyer aus der hinteren Hosentasche und reichte ihn ihrer Mutter. Diese blätterte die Werbung für das diesjährige Watthumpen-Festival durch, dessen Höhepunkt die jährliche Preisverleihung des Watthumpens war, bei dem es sich um ein Trinkgefäß in Form eines Seehundes handelte.
»Um überhaupt an dem Festival teilnehmen zu können, brauchen wir einen Bierwagen oder einen Stand, an dem wir mein Tüdelbräu vor dem Wettbewerb verkaufen können. So etwas habe ich nicht. Zudem kann ich die tausend Euro Anmeldegebühr nicht aufbringen. Da der Anmeldeschluss vor drei Tagen abgelaufen ist, hat sich das Thema ohnehin erledigt.« Tüdelbüdel deutete auf das Datum.
»Ähm .« Joris nahm seine Seemannsmütze ab und knetete sie zwischen den Händen. Im Licht der Wandbeleuchtung wirkten seine stoppelkurzen Haare wie ein Heiligenschein.
»Was habt ihr Bagaluten denn diesmal ausgeheckt?«
Gesine Felber ließ den Blick langsam durch den Raum schweifen, wobei sie jeden einzelnen Gast ins Visier nahm. Die Dorfbewohner waren plötzlich mucksmäuschenstill und sahen betreten zu Boden. Sogar Hinnerk Gravenhorst, der nichts und niemanden fürchtete, betrachtete verstohlen seine Schuhe.
Da das alte Lied zu Ende war und das neue noch nicht begonnen hatte, herrschte für einen Moment eine solche Stille im Kroog, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können.
»Wir haben dich bereits angemeldet.« Wiebke zog einen Papierbogen aus der hinteren Hosentasche und reichte ihn ihrer Mutter.
»Wer ist wir?« Die Friesenbrauerin nahm das Schriftstück entgegen.
»Ich.«
Einer nach dem anderen hob langsam die Hand.
»Joris, du etwa auch?« Gesine blickte ihrem alten Freund in die Augen.
»Jo. Ich habe sogar bei deiner Unterschrift geholfen. Siehst du diesen Bogen hier? Der kommt von mir.« Er beugte sich über die Theke und deutete auf eine schwungvoll durchgezogene Linie.
»Dat kunn je wull nich angahn.« Die Friesenbrauerin betrachtete das Gekrakel, das mit viel Fantasie Gesine Felber heißen konnte.
»Tüdelbüdel, obwohl wir bei dem malzaromatischen Mundgefühl und den Fruchtaromen vielleicht etwas übertrieben haben, wirst du den Watthumpen mit Sicherheit gewinnen. Wir begleiten dich auch alle in die Krummhörn. Hinnerk hat bereits einen mobilen Verkaufsstand gezimmert, den wir auf dem Festival aufbauen werden.« Joris setzte seine Seemannsmütze wieder auf.
»Warum habt ihr mich nicht einfach gefragt, ob ich mitmachen möchte?« Die Friesenbrauerin blickte in die Runde.
»Weil du abgelehnt hättest, da du dein Bier nicht außerhalb des Dorfes verkaufen willst. Aber keiner von uns kann Neunabers Beleidigung, dass du eine lausige Panscherin bist, die vom Bierbrauen so viel versteht wie eine Kuh vom Fliegen, auf sich sitzen lassen.«
»Joris, wann hat er das denn gesagt?« Gesine hob die Brauen.
»In einem Interview mit Robert Sternberg in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Deichkieker.«
»Das wusste ich nicht.«
»Wir finden, dass du den Gröölbüdel in aller Öffentlichkeit in seine Schranken weisen solltest. Dein Tüdelbräu ist das beste Bier im Norden«, grummelte Joris.
»Neunaber kennt die Mitglieder der Jury. Die werden ihn sicherlich wieder gewinnen lassen, wie in den letzten sieben Jahren auch«, wandte Gesine ein.
»Keine Sorge. Wir werden uns schon um eine faire Abstimmung kümmern«, versicherte Hinnerk Gravenhorst grinsend...
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