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Jedes Spiel hat seinen Preis. Und Carrie Soto ist bereit, alles zu geben
Carrie Sotos eiserner Wille und unbarmherziger Ehrgeiz haben sie zur größten Tennisspielerin aller Zeiten gemacht. Sie hält unzählige Weltrekorde und hat zwanzig Grand Slam Titel geholt. Doch nach sechs Jahren im Ruhestand muss sie ohnmächtig dabei zusehen, wie ihre Rekorde von einer jungen Britin gebrochen werden. Mit 37 entscheidet sie sich, auf den Platz zurückzukehren. Sie will nichts mehr als ewigen Ruhm und beschließt: Ein finales Jahr als Tennisspielerin soll sie für immer unbesiegbar machen. Denn wer ist sie, wenn sie nicht die Beste ist? Um ihr Ziel zu erreichen, ist sie sogar bereit, ihren Stolz beiseitezuschieben und mit Bowe Huntley zu trainieren, dem Tennisstar, der ihr einst das Herz gebrochen hat .
US Open September 1994
Mein gesamtes Lebenswerk hängt vom Ausgang dieses Matches ab.
Mein Vater Javier und ich sitzen in Flushing Meadows in der Mitte der ersten Reihe, die Seitenlinie ist zum Greifen nah. Die Linienrichter stehen mit hinter dem Rücken verschränkten Armen auf beiden Seiten des Spielfelds. Direkt vor uns wacht der Schiedsrichter auf seinem Stuhl hoch über der Menge. Die Ballmädchen kauern in der Hocke, bereit, jeden Moment loszusprinten.
Dies ist der dritte Satz. Nicki Chan hat den ersten gewonnen, Ingrid Cortéz knapp den zweiten. Dieser letzte Satz entscheidet über den Sieg.
Mein Vater und ich sehen zu - zusammen mit den zwanzigtausend anderen im Stadion -, als Nicki Chan sich der Grundlinie nähert. Sie beugt die Knie und stabilisiert sich. Dann geht sie auf die Zehenspitzen, wirft den Ball in die Luft und schickt mit einer schnellen Bewegung aus dem Handgelenk mit zweihundert Stundenkilometern einen rasanten Aufschlag auf die Rückhand von Ingrid Cortéz.
Cortéz schlägt ihn erstaunlich kraftvoll zurück, und der Ball landet gerade noch auf der Linie. Nicki kann ihn nicht erreichen. Punkt für Cortéz.
Ich schließe die Augen und atme aus.
»Cuidado. Die Kameras beobachten unsere Reaktionen«, sagt mein Vater durch zusammengebissene Zähne. Er trägt einen seiner vielen Panamahüte, das silbergelockte Haar lugt im Nacken hervor.
»Dad, alle beobachten unsere Reaktionen.«
Nicki Chan hat in diesem Jahr bereits zwei Grand-Slam-Titel gewonnen - die Australian Open und die French Open. Wenn sie dieses Match gewinnt, wird sie meinen bestehenden Rekord von zwanzig Grand-Slam-Titeln im Einzel egalisieren. Den habe ich 1987 aufgestellt, als ich zum neunten Mal Wimbledon gewann und mich als größte Tennisspielerin aller Zeiten etablierte.
Mit Nickis besonderer Spielweise - forsch und laut, fast ausschließlich von der Grundlinie gespielt, mit unglaublich brutalen Auf- und Grundschlägen - ist es ihr in den letzten fünf Jahren gelungen, das Damentennis zu dominieren. Doch als sie in den späten 80er-Jahren auf der WTA-Tour anfing, hielt ich sie für eine unscheinbare Gegnerin. Auf Sand mochte sie gut sein, aber auf ihrem Rasenplatz in London konnte ich sie mühelos schlagen.
Nachdem ich mich 1989 zurückgezogen hatte, änderte sich die Lage. Nicki gewann in alarmierendem Tempo Grand-Slam-Turniere. Jetzt ist sie mir auf den Fersen.
Ich beobachte sie mit zusammengebissenen Zähnen.
Mein Vater sieht mich an, die Miene gelassen. »Ich meine, dass die Fotografen versuchen, ein Bild von dir zu bekommen, auf dem du wütend aussiehst oder gegen sie hetzt.«
Ich trage eine schwarze, ärmellose Bluse und Jeans. Eine Oliver-Peoples-Sonnenbrille in Schildpatt. Mein Haar ist offen. Ich finde, mit fast siebenunddreißig sehe ich so gut aus wie nie zuvor. Sollen sie doch so viele Fotos machen, wie sie wollen.
»Was habe ich dir bei den Juniors immer gesagt?«
»Lass es dir nicht ansehen.«
»Exacto, hija.«
Ingrid Cortéz ist eine siebzehnjährige spanische Spielerin, die mit ihrem schnellen Aufstieg in der Weltrangliste fast jeden überrascht hat. Ihr Stil ähnelt ein bisschen dem von Nicki - kraftvoll, laut -, aber sie nutzt häufiger ihre Winkel. Auf dem Platz ist sie erstaunlich emotional. Als sie ein knallhartes Ass an Nicki vorbeischlägt, brüllt sie vor Freude.
»Weißt du, vielleicht hält Cortéz sie auf«, sage ich.
Mein Vater schüttelt den Kopf. »Lo dudo.« Er bewegt kaum die Lippen beim Sprechen, und sein Blick meidet bewusst die Kamera. Zweifellos wird er morgen früh die Zeitung aufschlagen und die Sportseiten nach seinem Foto absuchen. Und wenn er feststellt, dass er wirklich gut aussieht, wird er in sich hineinlächeln. Obwohl er Anfang des Jahres durch die Chemotherapie Gewicht verloren hat, ist er jetzt krebsfrei. Sein Körper hat sich wieder erholt, und auch sein Gesicht hat wieder Farbe.
Da die Sonne brennt, reiche ich ihm eine Tube Sonnencreme. Er kneift die Augen zusammen und schüttelt den Kopf, als wäre das eine Beleidigung für uns beide.
»Cortéz hat einen guten Treffer gelandet«, sagt mein Vater. »Aber Nicki spart ihre Kraft für den dritten Satz.«
Mein Puls beschleunigt sich.
Nicki landet drei Punkte hintereinander und holt sich das Spiel. Jetzt steht es 3:3 im dritten Satz.
Mein Vater sieht mich an und nimmt die Brille ab, sodass ich seine Augen sehen kann. »Entonces, was hast du vor?«, fragt er.
Ich wende den Blick ab. »Ich weiß es nicht.«
Er setzt die Brille wieder auf, blickt auf den Platz und nickt mir kurz zu.
»Nun, wenn du nichts tust, dann tust du genau das. Nichts.«
»Sí, papá, verstanden.«
Nicki schlägt weit auf. Cortéz rennt und kämpft, um den Ball zu bekommen, aber er geht ins Netz.
Ich sehe meinen Vater an. Er wirkt leicht besorgt.
Auf der Spielertribüne beugt sich der Trainer von Cortéz auf seinem Platz nach vorn und schlägt die Hände vors Gesicht.
Nicki hat keinen Trainer. Den letzten hat sie vor fast drei Jahren verlassen und seitdem sechs Slams gewonnen, ohne dass jemand sie angeleitet hätte.
Mein Vater macht sich oft über Spieler lustig, die keinen Trainer haben, aber bei Nicki scheint er sich mit Urteilen zurückzuhalten.
Cortéz beugt sich vor, eine Hand in die Hüfte gestützt, und versucht, zu Atem zu kommen. Nicki lässt nicht locker. Sie feuert einen weiteren Aufschlag über den Platz. Cortéz rennt los, verfehlt ihn jedoch.
Nicki lächelt.
Ich kenne dieses Lächeln. Ich war selbst schon in dieser Situation.
Beim nächsten Punkt übernimmt Nicki das Spiel.
»Verdammt«, sage ich beim Seitenwechsel.
Mein Vater zieht die Augenbrauen hoch. »Cortéz bricht zusammen, sobald sie das Spielfeld nicht mehr kontrolliert. Und Nicki weiß das.«
»Nicki ist stark«, sage ich. »Aber sie ist auch eine sehr anpassungsfähige Gegnerin, die ihr Spiel auf deine spezifische Schwäche abstimmt.«
Mein Vater nickt.
»Jeder Spieler hat eine Schwachstelle«, sage ich. »Und Nicki ist gut darin, sie zu finden.«
»Genau.«
»Und was ist ihre?«
Jetzt unterdrückt mein Vater ein Lächeln. Er hebt sein Glas und trinkt einen Schluck.
»Was ist?«, frage ich.
»Nichts«, sagt mein Vater.
»Ich bin mir noch nicht sicher.«
»Alles klar.«
Beide Spielerinnen gehen zurück auf den Platz.
»Nicki ist nur etwas langsam«, sage ich und beobachte, wie sie zur Grundlinie geht. »Sie hat viel Kraft, aber sie ist nicht schnell - weder ihre Beinarbeit noch ihre Schläge. Sie ist nicht so schnell wie Cortéz, selbst heute nicht. Aber vor allem nicht so schnell wie Moretti, Antonovich oder sogar Perez.«
»Oder du«, sagt mein Vater. »Es gibt im Moment niemanden, der so schnell ist, wie du es warst. Nicht nur mit den Füßen, sondern im Kopf, también.«
Ich nicke.
Er fährt fort. »Ich spreche davon, sich in Position zu bringen, den Ball früh aus der Luft zu nehmen und ihn abzubremsen, damit Nicki ihn nicht mit dieser Kraft zurückschlagen kann. Niemand im Turnier macht das. Nicht so wie du früher.«
»Ich müsste allerdings so stark sein wie sie«, erwidere ich. »Und trotzdem irgendwie die Geschwindigkeit halten.«
»Was nicht einfach ist.«
»Nicht in meinem Alter und nicht mit meinem Knie«, sage ich. »Ich habe nicht mehr die Sprungkraft von früher.«
»Es verdad«, bestätigt mein Vater. »Es wird dich alles kosten, was du hast.«
»Falls ich es täte«, sage ich.
Mein Vater rollt mit den Augen, setzt dann aber schnell wieder ein falsches Lächeln auf.
Ich lache. »Ganz ehrlich, wen kümmert es schon, wenn sie ein Bild von dir mit gerunzelter Stirn bekommen?«
»Ich lasse dich in Ruhe«, sagt mein Vater. »Und du mich. ¿Lo entendés, hija?«
Wieder lache ich. »Sí, lo entiendo, papá.«
Nicki gewinnt auch das nächste Spiel. Noch eins, und es ist vorbei. Sie wird meinen Rekord einstellen.
Als ich mir vorstelle, wie das abläuft, fangen meine Schläfen an zu pochen. Cortéz wird Nicki Chan nicht aufhalten können, nicht heute. Und ich sitze hier auf der Tribüne fest und muss zusehen, wie Nicki mir alles wegnimmt, wofür ich je gearbeitet habe.
»Wer wird mich trainieren?«, frage ich. »Du?«
Mein Vater sieht mich nicht an, aber ich merke, wie er die Schultern anspannt. Er atmet tief durch und wählt seine Worte mit Bedacht.
»Sag du es mir«, antwortet er schließlich. »Das ist nicht meine Entscheidung.«
»Also, was? Soll ich Lars anrufen?«
»Du tust, was immer du tun willst, pichona«, sagt mein Vater. »So ist das mit dem...
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