Schweitzer Fachinformationen
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»WIE? NACH NÜRNBERCH?«, lautete Checkos entsetzte Frage, als er in einem grünen Sweatshirt verschwitzt am Bahnhof auftauchte. Ich hatte schon eine Weile am Fahrkartenautomaten gestanden mit einer bauchigen Sporttasche, in der ich die Requisiten für Arnes Junggesellenabend aufbewahrte. Vor einer Woche waren wir noch fast zwanzig Mann gewesen und alle fanden die Idee »dodal subber«, mit Arne mal so richtig einen draufzumachen, bevor die Ente ihm den Auslauf verbietet. Leider legte sich die Begeisterung der Freunde und Kollegen in dem Maße, in dem der Junggesellenabend näher kam, und nun standen wir nur noch zu sechst hier und warteten auf den Regionalzug, der uns nach Nürnberg bringen sollte: Checko, Jason, Arne sowie Arnes Redaktionskollegen bei Deutschlands viertkleinster Jagdzeitschrift. Sie hießen beide Klaus und waren nicht wirklich leicht auseinander zu halten, aber das war nicht schlimm, weil der einzige Unterschied zwischen Klaus und Klaus darin besteht, dass der eine Klaus zwei Kinder hat und der andere eins. Beide wohnen in einer Doppelhaushälfte in Strullendorf, beide fahren einen grünen Range Rover, beide sind knapp unter 40 und tragen einen Schnurrbart.
Alles hatte ich präzise vorbereitet: die Kneipentour, peinliche Junggesellenspiele und einen finalen Besuch in einer Tabledance-Bar, deren Inhaber ich schon vorgewarnt hatte.
Erst jetzt, fünf Minuten vor Abfahrt des Zuges, kam mir der Gedanke, dass ich vielleicht auch meine Freunde in die Planung dieses denkwürdigen Abends hätte einbeziehen sollen. Um ganz genau zu sein, kam mir der Gedanke in der Sekunde, als Checko »Wie? Nach Nürnberch?« fragte.
Jason, unser franko-amerikanischer Ex-GI, blickte ebenfalls recht ängstlich auf die Anzeigetafel für die Abfahrt der Züge und der kleinere von Arnes Kollegen aus der Wald & Wild-Redaktion zündete sich nervös einen Tankstellen-Zigarillo an. Auch der Rest meiner Gruppe verstand unter einem Abend in Nürnberg offenbar eher eine Bedrohung als eine Party.
»Jetzt kommt schon, das gibt einen Riesenspaß!«, versuchte ich die anderen zu begeistern und wenigstens Arne nickte in einer Mischung aus unsicherer Vorfreude und versteckter Anerkennung.
»Wird schon lustig!«
»Wir sollen jetzt echt alle nach Nürnberg fahren?«, bombardierte nun auch Jason meine Abendplanung.
»Ja, Jason. Nur Nürnberg. Nicht Bagdad. Du bist also heute Nacht noch zurück!«
»Okay, aber es ist ja jetzt schon NACH acht!«, ergänzte er.
Ich fand das reichlich kleinkariert für jemanden, der erst vor drei Jahren von Chicago nach Bamberg gezogen war, und gab zu bedenken, dass es keinem von uns schaden würde, mal woanders zu feiern. Auf Gleis zwei fuhr inzwischen quietschend unser Regionalexpress nach Nürnberg ein.
»Das ist ja auch 'ne klasse Idee von dir und so«, versuchte Jason mich zu beruhigen, »aber ich glaub, wir müssen morgen alle ziemlich früh raus!«
Das war der Punkt, an dem ich ein ganz kleines bisschen sauer wurde.
»Hallo? Wir feiern Arnes Junggesellenabschied. Da werden wir doch ausnahmsweise mal bis nach der Tagesschau aufbleiben können, oder?«
»Also ganz ehrlich, Nürnberg ist mir jetzt a weng zu weit!«, gab nun auch Arnes zweiter Redaktionskollege zu.
»Zu weit von was?«, hakte ich nach.
»Na, von hier!«
Es hatte keinen Zweck. Ich wusste es. Der Einzige, der mitgefahren wäre, da war ich mir sicher, war Arne. Doch alleine feiern wollten wir natürlich auch nicht. Behutsam zog er mich einen Schritt beiseite.
»Du, Pitschi, können wir den Abend nicht auch hier machen? Die Kneipentour und so? Ich meine, wir können doch zu zweit irgendwann anders nach Nürnberg, oder?«
»Irgendwann anders? Du meinst, wenn uns zwei ungeduschte Zivis zum Tabledance rollen müssen!«
Ein wenig hilflos zuckte Arne mit den Schultern.
»Ja, wenn keiner mitwill, bringt's ja auch nix!«
Ich gab auf.
»Schon gut«, sagte ich, »wir bleiben hier!«
Es brach Jubel aus und ich sah regungslos zu, wie sich die Türen des Zuges nach Nürnberg wieder schlossen. Und natürlich wusste ich, welche Frage man mir jetzt stellen würde - die gleiche Frage, die wir uns seit den Achtzigern fast täglich stellten:
»Und Pitschi, wohin? Mahr's Bräu oder Seppelpeter's?«
Weil ich für Seppelpeter's arbeitete, wussten sie, was ich sagen würde. Wir gingen also ins Mahr's Bräu, eine rustikale Brauereigaststätte mit einem äußerst süffigen Bier, das von großen Eichenholzfässern direkt in Steinkrüge gezapft wurde. Donnerstag war Schnitzeltag im Mahr's Bräu und das seit Jahrhunderten. Nur 1945, als die US Airforce die gastronomische Landschaft Bambergs geringfügig umstrukturierte, fiel der Schnitzeltag zweimal aus. Für viele Bamberger ist bis zum heutigen Tage unverständlich, wie die Bomberpiloten zurückfliegen konnten, ohne auch nur einen Bissen der fränkischen Bratwürste, a Schäuferla oder ein Riesenschnitzel probiert zu haben. Schnitzel, die noch immer weit über den Tellerrand schauen, ganz im Gegensatz zu den Leuten, die sie Woche für Woche dort bestellen. Unsere Gruppe vergrößerte sich, denn im Hof des Mahr's Bräu saß Arnes Kumpel Erich an einem großen Holztisch und las bei einem Seidla Lagerbier im Fränkischen Tag. Erich war Deutschlands größter Sportjournalist. Mit seinen 1,97 durfte er beim Fränkischen Tag an einem maßgefertigten Tisch Hetzartikel über den FC Bayern verfassen. Für den größten Bayern-Hasser Oberfrankens ein Traumjob.
»Und? Was steht drin?«, fragte ich zur Begrüßung.
»Die Feuerwehr in Forchheim hat jetzt endlich ihr neues Löschgerät!«, grinste Erich. »Ach . und Bayern hat verloren!«
»Freut mich für dich!«, sagte ich und setzte mich zu ihm. Arnes zweitwichtigster Tag im Leben fand also ausgerechnet in der Kneipe statt, in der wir ohnehin die meisten Abende verbrachten. Was sollte ich machen? Es war nicht mein Abend, sondern Arnes. Also bestellte auch ich mir einen halben Liter Bier und ein LKW-Felgen-großes Schnitzel.
»Subber Schnitzel!«, schmatzte Checko anerkennend und ich nickte. Arne hingegen interessierte sich eher für meine Sporttasche als für die panierten Schweinelappen.
»Aber jetzt sag doch mal, Pitschi, was hast du dir denn ausgedacht für heute?«
»Genau«, fragte auch Erich, »was ist da drin?«
Da war viel drin, denn ich hatte mir so einiges ausgedacht und ich wollte es eigentlich auch gerade erklären, als das Unfassbare geschah: Jasons Frau Miriam kam strahlend in den Gastraum, sagte allen brav hallo und setzte sich zu uns, als sei das die normalste Sache der Welt.
»Na ihr?«, war das Erste und Letzte, was sie sagte.
Eine Frau! Am Junggesellenabend! Ich musste etwas tun.
Ich tat etwas.
Fünf Minuten später stand »Miri« beleidigt auf und ich war der Depp.
»Des kannste net machen, Pitschi!«, ermahnte mich der kleinere der beiden Wald & Wild-Kläuse kopfschüttelnd, »die Miri is' extra wegen dem Arne gekommen!«
»Doch, kann ich«, sagte ich, »weil wir nämlich einen Junggesellenabend feiern und keine Hausfrauen-Tupperparty und weil ich noch nie was davon gehört habe, dass man da seine Partner mitbringt! Und weil ich finde, dass man der Miri das auch sagen kann!«
Konnte man offenbar nicht, denn vor lauter Kopfschütteln wurden inzwischen die ersten Riesenschnitzel kalt, mal abgesehen davon, dass wir jetzt nur noch zu sechst waren, weil Jason vor der Gastwirtschaft mit seiner Frau diskutieren musste.
Dann zog der größere der Kläuse sein Handy aus der Tasche und schrieb eine SMS. Als er merkte, dass ihn alle anguckten, sagte er kleinlaut: »Ich schreib meiner Maus. Dass sie net mehr kommen braucht.«
Arne lachte laut auf, und wenn Arne einmal richtig lachte, dann war das so laut, dass selbst der Feuerwehr in Forchheim ihr neues Löschgerät vor Schreck umfallen konnte.
Jason kam nicht mehr zurück ins Mahr's Bräu. Wie ich am nächsten Tag erfahren sollte, hatte er einen heftigen Streit mit seiner Miriam. Auch meine lustigen Junggesellenspielchen entpuppten sich als Fiasko. Ich hatte Umschläge mit Aufgaben für alle vorbereitet, für deren Erledigung es Punkte gab. Zwei Würfel entschieden, wer einen Umschlag ziehen und die Aufgabe lösen musste. Wer sich weigerte, musste eine Runde Bier zahlen. Was ich in der Tat nicht bedacht hatte, war, die schwierigen Aufgaben an das Ende des Abends zu packen. Und natürlich erwischte es als allerersten Checko. Mit knallrotem Kopf saß er da und verlas die Aufgabe, wie ein pubertierender Viertklässer seine heimlich verfasste Liebeserklärung an die Klassenschönste. »Blase Sandy auf und bestell ihr eine Brezel ohne zu lachen.«
Checko blickte mich an.
»Wer is'n Sandy?«
Schweigend reichte ich Checko eine verschweißte Packung, aus der uns eine billige Plastik-Sexpuppe mit deformierten Augen und geöffnetem Mund anstarrte.
»Heilicher«, stöhnte Checko. »Was is'n mit der bassiert?«
»Ganz einfach«, lachte Arne, »die hat gerade erfahren, wer sie auspackt!«
Und während Erich fast sein Bier ausspuckte vor Lachen, hielt der arme Checko das halb durchsichtige Päckchen noch immer in seinen Händen wie eine Zeitbombe.
»Und? Was soll ich'n jetzt machen?«
»Aufblasen und Brezel bestellen ohne zu lachen«, schmunzelte ich.
»Des kannst net machen!«, protestierte der kleinere Klaus und sein größerer Kollege gab ihm Recht: »Stimmt, des kannste net bringen!«
Checko ließ das Plastikpaket...
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