Flow und Überforderung: Wie entsteht Stress?
// Von Simone Janson
Sie kennen das: Wenn Sie richtig gut drauf sind, gelingt die Arbeit von ganz alleine. Wenn Sie aber überfordert sind, will Ihnen bald nichts mehr gelingen. Wie entstehen die Probleme und was können Sie dagegen tun?
Nur keinen Stress!
Als Perfektionist haben Sie vermutlich von einer Sache mehr als Ihnen lieb ist: nämlich Stress! Ein hochprozentiger Hormoncocktail, der auf Ihren Körper wirkt - Nebenwirkungen inklusive.
Für Ihren Körper spielt es dabei keine Rolle, ob Sie Ärger mit dem Chef haben oder auf dem Heimweg beinahe von einem Auto überfahren werden - jede dieser Situationen ist eine gefühlte Bedrohung und Ihr Organismus schüttet den Hormoncocktail aus. Am Arbeitsplatz entfalten die Stresshormone ihre Wirkung aber besonders stark
Stressfaktoren
Fluchen Sie nicht auch manchmal gewaltig, wenn wieder einmal ununterbrochen das Telefon klingelt? Und haben Sie nicht einen übervollen Terminplan, der eingehalten werden will? Und war da nicht noch Projekt X, das Sie unbedingt beim Chef durchboxen wollten?
Aber Hand aufs Herz: Solange Sie das Gefühl haben, Sie können Ihre Arbeitsabläufe selbst bestimmen, schaffen Sie auch Ihr Arbeitspensum und Ihre Arbeit wird geschätzt, beflügelt Sie der Hormoncocktail wahrscheinlich sogar - positiver Eustress eben.
Druck von außen
Wirklich stressig wird Ihre Arbeit aber, wenn Sie das Gefühl haben, Sie können selbst nicht bestimmen, was Sie tun oder Ihr Einsatz wird nicht anerkannt. Wenn der Chef Sie ständig kritisiert, statt Sie zu loben. Wenn Sie sich mit Ihren Kollegen nicht verstehen.
Oder wenn Sie merken, dass in der Firma grundsätzlich etwas schiefläuft und Ihre Verbesserungsvorschläge nicht gehört werden. Denn dann macht sich Distress breit und Ihre Motivation, die anfängliche Begeisterung für eine Sache, schwindet allmählich.
Verhaltensmediziner haben in europaweiten Studien sogar nachgewiesen, dass bei 30 Prozent der Beschäftigten Stresshormone und Blutdruck deutlich erhöht sind, wenn sie sich ohne Lob abstrampeln. Das beweist: Ein schlechter Chef, mobbende Kollegen und miserable Arbeitsbedingungen können erhebliche Stressfaktoren sein.
Die Gründe für Stress
Nicht immer liegen die Ursachen für den externen Stress direkt in der Firma. Gerade wenn die wirtschaftliche Situation insgesamt schlecht ist, wenn in den Medien immer wieder von Wirtschaftskrise und Rezession die Rede ist, dann erhöhen sich die Stressfaktoren. Ein zu niedriges Einkommen etwa, oder die Angst um den eigenen Arbeitsplatz treiben Perfektionisten dazu, alles noch besser machen zu wollen - schließlich will man ja seinen Job behalten.
Da wird aus dem produktiven Arbeiten schnell ein ständiges Getrieben-Sein und ein regelrechter Wettlauf um die Gunst des Chefs entbrennt. Manche Chefs und die eigenen, ebenfalls panischen Kollegen schüren diese Ängste noch zusätzlich. Eine Patentlösung für solche Situationen gibt es nicht. Und daran, dass Stress häufig von externen Faktoren verursacht wird, gibt es nichts zu beschönigen.
Stress - hausgemacht!
Aber Perfektionisten, die alles unter Kontrolle haben wollen, erhebliche Ansprüche an sich selbst stellen und zudem dazu neigen, Dinge vereinfacht zu sehen, sind besonders anfällig für solche Stressfaktoren. Da ist zunächst der Hang zu hohen Ansprüchen und übertriebener Selbstkritik. Wenn Sie keine Lösung für ein Problem finden oder der Aktenberg auf dem Schreibtisch nicht kleiner werden will, dann waren Sie vermutlich faul oder sind einfach unfähig - nicht wahr?
Wenn Sie Ihr Zeitbudget um fünf Minuten überschritten haben, weil der Computer Probleme gemacht hat, ist das eine Katastrophe - oder wie sehen Sie das? Und wenn der Chef einmal am Tag bei Ihnen im Büro vorbeischaut und sich, statt Sie zu loben, nach dem Fortgang des Projekts erkundigt und zudem noch eine Kritik an Ihrer Arbeit vorbringt - denken Sie möglicherweise, dass der Chef Ihnen einfach nichts zutraut und Sie nächste Woche bestimmt entlassen werden?
Machen Sie die Sache nicht schlimmer als sie ist
Vor allem können Sie als Perfektionist mit Ihrem Hang zum Pessimismus und Katastrophieren aber eines besonders gut: Sich eine schon vorhanden Situation noch schlimmer reden, als Sie eigentlich ist. Und sie auf diese Weise noch stressiger machen!
Manche Perfektionisten machen auf diese Weise aus jeder Mücke einen Elefanten, der ihren Stresshormonspiegel erheblich in die Höhe treibt. Ein ganz normaler Arbeitstag wird dann schnell zu einer einzigen Aneinanderreihung von Stresssituationen. "Moment mal", sagen Sie vielleicht, "mir geht es gut dabei und ich brauche das sogar!" Dass Eustress durchaus positiv sein kann und warum das so ist, haben Sie ja bereits erfahren. Daher sollten Sie stressige Situationen auf keinen Fall meiden; viel wichtiger ist aber, wie Sie mit dem Stress umgehen. Auch hier gilt: Alles im richtigen Maß.
Stress hausgemacht
Christina, Koordinatorin für Auslandseinsätze in einer internationalen Organisation, hat daran nicht gedacht. Ihr vollgepfropfter Terminkalender lässt kaum noch Raum für spontane Aufgaben. So gerät sie völlig außer sich, als der Chef ihr an der Essensausgabe kurz mitteilt: "Morgen im Meeting werden Sie über den erfolgreichen Einsatz letzte Woche berichten. Es soll nur ein kurzer Bericht werden, keine Sorge." Aber Christina ist schlagartig der Appetit auf das Mittagessen vergangen, und sie verzichtet auf die wichtige Energiezufuhr.
"Natürlich muss der Bericht absolut perfekt sein, schließlich hängt von der Zufriedenheit des Chefs auch ab, ob ich ein neues Projekt bekomme", spornt sie sich mit ihren hohen Ansprüchen selbst an und macht sich an das Abfassen eines Skriptes und die Ausgestaltung einer Präsentation. Als sie endlich fertig ist, muss sie noch ihre liegen gebliebenen Arbeiten erledigen. Viel zu spät macht sie Feierabend. Doch auch zu Hause kann sie nicht abschalten. Ihre Gedanken kreisen immer wieder um die morgige Präsentation und die Frage, ob auch ja alles perfekt ist. In der Nacht findet sie keinen Schlaf.
Dabei sind Abbauen von Stress und Entspannung lebensnotwendig. Eine einfache, aber effektive Möglichkeit das zu schaffen: nichts tun oder wegfahren. Es funktioniert, aber nicht immer ist das möglich. Kommt Ihnen diese Situation bekannt vor? Sie sitzen auf dem Sofa, ein kühles Bierchen in der Hand, im Fernsehen läuft ein spannender Krimi - und Sie denken an Ihr aktuelles Projekt? Dann geht es Ihnen wahrscheinlich wie vielen anderen Menschen, denen es auch nicht immer gelingt, den Arbeitsstress in der Freizeit auch gedanklich hinter sich zu lassen. Gerade Perfektionisten, die ständig hohe Anforderungen an sich stellen und einen gewissen Hang zum Grübeln haben, sind davon betroffen.
Entspannung üben hilft
Da hilft nur eines: Den Stress aktiv und tatkräftig bekämpfen, um damit die perfektionistischen Denkmuster zu durchbrechen. Eine Möglichkeit: Konsequentes Ausdauertraining, das Ihrem Körper hilft, das Herz-Kreislauf-System zu aktivieren. Hat der Körper im Stresszustand zu viel Energie, kann sich der Organismus durch die körperliche Anstrengung abreagieren. Außerdem wird das vegetative Nervensystem ausgeglichen und Sie finden eher zur inneren Ruhe. Zudem werden beim Ausdauertraining Glückshormone wie Endorphine ausgeschüttet. Deshalb sorgt das Training für eine bessere Stimmung und macht den Organismus widerstandsfähiger gegen Stress. Auf diese Weise stärkt Bewegung auch das Immunsystem und Sie werden seltener krank. Schließlich hat regelmäßiges Training auch Auswirkungen auf den Blutdruck, der bei stressgeplagten Perfektionisten häufig recht hoch ist. Es sorgt für eine bessere Durchblutung und eine verbesserte Versorgung mit Sauerstoff. Außerdem werden die Blutgefäße gestärkt; dadurch wird das Risiko eines Herzinfarktes deutlich vermindert.
Eine gute Übung gegen Druck und Stress: Humor und Lachen. Denn Humor hilft, auch in scheinbar aussichtslosen Situationen nicht zu resignieren, sondern den psychischen Druck abzubauen und die Dinge aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten, Einstellungen zu korrigieren und neue Ressourcen zu entdecken. Das hat ganz einfache biologische Gründe: Lachen lockert das Zwerchfell, unseren wichtigsten Atemmuskel. Und richtiges Atmen entspannt Körper und Geist. Probieren Sie es aus!
Was können Sie tun?
Für Sie als Perfektionisten sind vor allem Ausdauersportarten gut, die Sie selbstbestimmt und ohne Druck von außen durchführen können. Das sind beispielsweise Joggen, Walken, Nordic Walking, Radfahren, Inline Skaten, Rudern, Langlauf - aber auch aktive Fitnesskurse wie Aerobic oder Tae Bo. Doch Achtung: Gerade perfektionistische Naturen mit hohen Ansprüchen geraten auch beim Sport schnell unter Leistungsdruck. Natürlich ist es wichtig, dass Sie sich überhaupt zum Sport aufraffen; setzen Sie sich aber keine zu ehrgeizigen Trainingsziele, denn wichtig ist in erster Linie, dass die Bewegung Ihnen Spaß macht und Ihnen guttut. Daher sind auch Ballsportarten wie Fußball, Basketball oder Handball eher ungeeignet für Sie, da diese Spiele oft eine aggressive Spielweise verlangen und ein gewisser Konkurrenzdruck herrscht.
Suchen Sie keine Ausreden wie: "Ich habe keine Zeit zum Sport, weil ich so viel arbeiten muss!" Spätestens beim Lesen dieses Textes sollte Ihnen klar geworden sein, wie wichtig Entspannungsphasen für Ihre Leistungsfähigkeit sind. Wenn nicht, sollten Sie noch den Abschnitt zum "Planen und Organisieren" lesen. Schrauben Sie Ihre perfektionistischen Ansprüche bei der Arbeit herunter und reservieren Sie etwas freie Zeit für...