Schweitzer Fachinformationen
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Unglückstag in der Vergangenheit
Ich werde das Geheimnis aus dir herauskitzeln!«, rief Eva mit hoher, verstellter Stimme. »Und dann werde ich den gestohlenen Schatz zurückholen und ihn an all die Wesen im Wald verteilen, die du betrogen hast!«
Durch den schmalen Spalt am Bühnenvorhang des selbst gebauten Marionettentheaters warf Eva einen Blick auf ihre Tochter Alisa. Die Fünfjährige saß auf einem Kissen am Boden und verfolgte mit weit aufgerissenen Augen, wie die dunkelblaue Fee den verhexten Wassermann aus seinem Versteck locken wollte. Aufgeregt zwirbelte die Kleine mit den Fingern in ihren goldbraunen Locken.
»Niemals werde ich dir etwas verraten!«, schwor der Wassermann, der sich hinter einem Felsen verbarg. »Außerdem musst du mich erst einmal finden. Und das wird dir nicht gelingen!«
Eva bewegte das Holzkreuz mit den Fäden und ließ die Figur der Fee suchend herumhuschen. Schließlich ging die Marionette zum Rand der Bühne und wandte sich an das Kind.
»Der Wassermann hat sich so gut versteckt. Kannst du mir vielleicht sagen, wo er ist, Alisa?«, fragte die dunkelblaue Fee verschwörerisch leise.
Alisa stand auf und ging ganz nah zur Bühne.
»Er ist hinter dem großen Stein«, flüsterte das zierliche Mädchen mit den tiefblauen Augen, die denen ihrer Mutter so ähnlich waren.
Eva ließ die Fee sich vor dem Mädchen verbeugen.
»Ich danke dir von Herzen, liebe Alisa. Jetzt kann ich ihn finden.«
Evas Tochter kicherte vergnügt, als die Fee endlich den Wassermann entdeckte und so lange kitzelte, bis er um Gnade flehte und ihr das Geheimnis verriet.
»Entschuldigt, wenn ich euch störe«, unterbrach Johannes die Vorstellung. »Valerie ist am Telefon.«
Eva steckte den Kopf durch den Vorhang. Dass ihre Agentin auch an einem Samstag anrief, war nicht ungewöhnlich. Für die alleinstehende Valerie Beck gab es kein Wochenende.
»Bitte sag ihr, dass ich sie gleich zurückrufe«, bat Eva ihren Mann, der mit dem Telefon in der Hand im Kinderzimmer stand.
»Die dunkelblaue Fee muss doch erst noch den Schatz holen«, protestierte Alisa mit vor Aufregung geröteten Wangen.
Johannes lächelte bedauernd.
»Es tut mir wirklich leid, aber sie meinte, es wäre sehr dringend.«
»Dann lassen wir die Fee und den Wassermann jetzt ein Nickerchen machen«, schlug Eva vor. »Nach dem Kitzeln ist man ganz besonders müde.«
Eva befestigte die beiden Marionetten an einem der speziellen Haken an der Wand neben mehr als einem Dutzend weiterer Puppen. Die meisten stammten noch von Evas Vater Robert, der die Marionetten mit viel Liebe zum Detail selbst angefertigt hatte. Stundenlang hatte Eva ihm als Kind dabei zugesehen und sich Geschichten über die Figuren ausgedacht, die ihr Vater gerade zum Leben erweckte.
»Aber Mama, so müde sind die doch gar nicht!«, warf Alisa enttäuscht ein.
Natürlich wusste das Kind ganz genau, dass es nur Puppen waren, die in Wirklichkeit gar nicht schlafen konnten. Aber in ihrer Fantasie ging das Spiel der Marionetten auch über das Ende eines Stückes hinaus.
»Ich fürchte doch, meine Süße. Aber später, nach deiner Reitstunde, geht es ganz bestimmt weiter, ja?«, versprach Eva.
Alisa schien einen Moment zu überlegen. Dann nickte sie seufzend.
»Na gut.«
»Komm, Schätzchen, wir beide gehen ein wenig in den Garten. Dann kann Mami in Ruhe telefonieren«, sagte Johannes und reichte Eva das Telefon.
»Danke«, flüsterte Eva mit der Andeutung eines Kusses, dann nahm sie das Gespräch an.
»Hallo, Valerie«, begrüßte sie ihre Agentin, während sie ihrem Mann und Alisa noch lächelnd hinterhersah, die Hand in Hand das Zimmer verließen.
»Eva, meine Liebe, es gibt Neuigkeiten«, legte Valerie gleich ohne Begrüßung los.
»Hat es etwa mit der Rolle geklappt?«, fragte Eva hoffnungsvoll.
Nach der Geburt ihrer Tochter hatte sie sich für eine Weile ganz aus ihrem Beruf als Schauspielerin zurückgezogen. Erst vor einem Dreivierteljahr war sie, durch intensives Coaching gut vorbereitet, auf ihre Agentin zugegangen, um sie zu bitten, sie bei den Filmleuten wieder ins Gespräch zu bringen. Seither hatte sie zwei kleine Jobs in TV-Produktionen ergattern können. Nicht viel, aber immerhin ein Neuanfang.
»Die Produzentin hat mich gerade angerufen. Die Rolle wurde mit einer anderen Schauspielerin besetzt«, informierte Valerie ihre Klientin.
»Ach, wie schade«, sagte Eva enttäuscht. »Ich hatte diesmal echt ein gutes Gefühl.«
Vor drei Tagen war sie beim Casting gewesen. Die Rolle für eine neu entwickelte Serie wäre zwar nicht sonderlich groß, aber als wiederkehrende Figur in mehreren Folgen im Einsatz gewesen.
Für einen Moment herrschte Stille am anderen Ende der Leitung, und Eva dachte schon, die Verbindung wäre abgebrochen, bis die Agentin sich übertrieben räusperte.
»Ja . es ist schade. Allerdings vor allem für die Schauspielerin, die ursprünglich für die Hauptrolle vorgesehen war«, sagte sie schließlich mit ihrer unverwechselbar rauchigen Stimme.
»Hat es für sie auch nicht geklappt?«, fragte Eva überrascht.
»Für sie nicht, nein«, bestätigte Valerie bedeutungsschwanger.
Was deutete ihre Agentin da an? Eva spürte plötzlich ein eigenartiges Gefühl im Magen.
»Meine liebe Eva. Bitte setz dich doch mal hin, falls du es noch nicht tust.«
»Warum?«
»Mach es einfach.«
Inzwischen doch etwas nervös, ließ Eva sich auf das kunterbunte Kindersofa sinken.
»Bitte spann mich nicht so auf die Folter!«, bat sie mit klopfendem Herzen.
»Hach . das macht aber so viel Spaß!«, meinte die Agentin vergnügt.
»Valerie!«
»Schon gut. Also . stell dir vor: Gleich nach deinem Casting haben die Redakteurin und der Regisseur angefragt, ob es noch mehr Demomaterial von dir gibt. Alle finden, du bist perfekt und genau das, was sie sich vorgestellt haben. Sie sind begeistert. So begeistert, dass die Produzentin auf keinen Fall mehr bis Montag warten wollte, um .«, sie legte eine kurze Pause ein, um die Spannung zu erhöhen, ». um dir die Hauptrolle anzubieten!«
»Die . die Hauptrolle?«, stotterte Eva perplex. »Aber dafür habe ich mich doch gar nicht beworben. Und die Figur sollte doch auch ein paar Jahre jünger sein.«
»Das passen sie in den Drehbüchern noch ein wenig an. Außerdem siehst du sowieso viel jünger aus als deine vierunddreißig. Sie brauchen jedenfalls eine rasche Antwort. Die Dreharbeiten sollen bereits im Juni beginnen und dauern bis Ende Oktober.«
Langsam wurde ihr die Tragweite dieser Nachricht bewusst. Sie, Eva Rosenberg, sollte die vielschichtige Hauptrolle in einer neuen Primetime-Serie spielen. Genau das, was sie sich früher immer erträumt hatte.
»Hast du den Ton abgestellt, oder warum höre ich dich nicht jubeln?«, fragte Valerie.
»Das . das kommt einfach so total überraschend. Ich kann es noch gar nicht fassen! Damit hätte ich niemals gerechnet.«
»Ich dafür umso mehr. Es war nur eine Frage der Zeit. Eine sehr gute Schauspielerin warst du schon, bevor du deine Tochter bekommen hast. Aber jetzt gibt es da neben deinem großen Talent einen eigentümlichen Zauber, eine Art Charisma, das man vorher noch nicht so ausgeprägt wahrgenommen hat. Das waren übrigens auch ziemlich genau die Worte des Regisseurs, der sich fast überschlagen hat vor Begeisterung. Und du hast sicher mitbekommen, dass das normalerweise so gar nicht sein Art ist.«
Eva schluckte.
»Ich weiß gar nicht so recht, was ich sagen soll«, murmelte sie überwältigt. »Hoffentlich kann ich die Erwartungen überhaupt erfüllen.«
»Darüber mache ich mir überhaupt keine Gedanken, meine Liebe. Du wirst großartig sein! Also weg mit den Selbstzweifeln! Ich schlage vor, du lässt das alles jetzt in Ruhe sacken und freust dich einfach. Und gleich am Montagfrüh kommst du zu mir in die Agentur, damit wir alles Weitere besprechen können.«
»Ja . ja, so machen wir es«, sagte Eva.
»Wunderbar. Du wirst mit den Ohren schlackern, wenn du siehst, was für einen Vertrag ich für dich aushandeln werde.«
Eva sah bildlich vor sich, wie ihre Agentin am anderen Ende der Leitung zufrieden grinste.
»Ich danke dir sehr, Valerie, dass du mir nach der langen Auszeit wieder dein Vertrauen geschenkt hast.«
»Du hast es mir sehr leicht gemacht, meine Liebe. Ich kann mich noch so gut an den Tag erinnern, als du vor elf Jahren in mein Büro kamst, um deine Bewerbungsmappe persönlich abzugeben. Weißt du, im Lauf der Zeit haben sich Hunderte Schauspielerinnen und Schauspieler bei mir vorgestellt. Und nur bei einigen wenigen spürte ich dieses besondere Kribbeln im Nacken. Bei dir hatte ich es sofort. Ich bin mir sicher, dass deine Reise mit dieser Serienrolle erst so richtig beginnt. Man wird noch viel von dir hören, Eva. Bis bald.«
Bevor Eva noch etwas darauf erwidern konnte, hatte Valerie bereits aufgelegt.
Eva starrte auf den Telefonhörer und atmete tief durch. Ihr schwirrte der Kopf. Eine Weile saß sie einfach nur da und ließ die Neuigkeit auf sich wirken.
»Schlechte Nachrichten?«, fragte Johannes besorgt.
Eva hatte weder bemerkt, dass ihr Mann wieder ins Zimmer gekommen war, noch dass es draußen inzwischen heftig regnete.
Sie schüttelt den Kopf und lächelte.
»Nein. Im Gegenteil . Wo ist Alisa?«
»Sie hört im Wohnzimmer eine Märchen-CD . Also, können wir heute darauf...
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