Schweitzer Fachinformationen
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Zwei
Das erstaunte, mitleidige Tuscheln der Besucher und Patienten verrät mir, dass ich genauso schrecklich aussehe, wie ich mich fühle. Aber ich kann ihnen den Anblick nicht ersparen. Nachdem ich aufgehört hatte, mich auf mein jetzt ruiniertes Kleid zu übergeben, habe ich das dringende Bedürfnis, Sam zu sehen, und nichts, nicht einmal der Teufel in Person, hätte mich davon abhalten können, ins Krankenhaus zu stürmen.
Meine Absätze hämmern im Takt meines Herzschlags auf den Boden des langen Flurs, den ich hektisch hinunterlaufe, um meinen Verlobten zu finden. Piper und meine Eltern folgen mir und versuchen, mich zu beruhigen, aber nichts kann die Ängste, die mich treiben, zerstreuen.
Eine hübsche blonde Krankenschwester, die hinter einem großen Tresen sitzt, hebt den Kopf, als sie meine Stöckelschuhe auf das Linoleum einschlagen hört. Ihre entsetzte Reaktion bestätigt, dass ich mit meinem verschmierten Make-up, dem befleckten Kleid und dem schiefen Knoten so aussehe, als käme ich direkt aus der Hölle. Aber nichts interessiert mich weniger als mein Aussehen. An jedem anderen Tag hätte ich sie freundlich begrüßt und sie gefragt, wie es ihr geht. Aber nicht heute. Ich schniefe und bemühe mich, die Tränen zurückzuhalten. »K-können Sie mir b-bitte sagen, wo S-Samuel Stone liegt?« Meine atemlose Stimme ist schrill und ganz anders als sonst, deshalb versteht sie mich wohl auch nicht.
»Wie bitte?«, sagt sie und weicht zurück, als ich alle Anstandsregeln missachte und sie bedränge, indem ich mich über den Tresen lehne.
»Samuel Stone«, wiederhole ich und zerre an der Perlenkette um meinen Hals, weil sie mir plötzlich die Luft abschnürt.
Als die Krankenschwester mich weiter nur anstarrt und zweifellos denkt, dass ich völlig verrückt bin, haue ich mit Tränen in den Augen auf den Tresen. »Samuel Stone! Wo ist er?« Diese Frau vergeudet kostbare Zeit.
Gerade als ich, sehr untypisch für mich, über den Tresen springen will, um sie zu erwürgen, legt sich eine warme, vertraute Hand auf meinen Arm und erinnert mich an meine Kinderstube. »Ich mach das schon, Schätzchen. Geh zu deiner Mutter.« Ich streite nicht mit meinem Vater und verabschiede mich mit einem kurzen, entschuldigenden Nicken von der verwirrten Krankenschwester. Mein Benehmen tut mir leid. Das alles ist nicht ihre Schuld.
Ich warte etwas abseits und sehe zu, wie mein Vater ruhig die Einzelheiten in Erfahrung bringt. Als er blass wird, presse ich eine Hand auf den Mund und drücke mich an meine Mutter. Es sieht schlimm aus, die Reaktion meines Vaters hat es mir verraten. »Alles wird gut, Schätzchen.« Meine Mutter weiß nicht, wovon sie redet, die falsche Beteuerung ist nur ihre Art, mir zu sagen, dass es immer Hoffnung gibt. Aber das glaube ich nicht. Ich weiß, dass nichts jemals wieder so sein wird wie früher.
Als mein Vater mit ernstem Gesicht langsam zu uns kommt, halte ich den Atem an und zähle innerlich bis fünf, ehe ich frage: »Wie geht's ihm?«
»Er .« Die Pause sagt alles. »Lass uns einfach zu ihm gehen, ja? Kellie und Greg sind bei ihm.« Ich nicke, mein dummer Schleier lässt mich nicht vergessen, was in Reichweite war, aber nie mehr geschehen wird.
Die Krankenschwester, die höchstwahrscheinlich froh ist, uns von hinten zu sehen, öffnet uns die Tür zu einer separaten Station auf der linken Seite. Als wir schnell hindurchgehen, steigt mir der stechende Geruch der Desinfektionsmittel in die Nase, aber ich bemerke es kaum. Die Stöckelschuhe tun weh und halten mich auf, deshalb bleibe ich stehen, lehne mich an die Wand und reiße sie mir von den Füßen. Dann laufe ich hinter meinem Dad her. Er schaut auf die Schilder an der Decke, damit wir den richtigen Weg einschlagen. In dem Moment, in dem wir Gregory Stone vor der letzten Tür auf der linken Seite stehen sehen, wissen wir, dass wir am Ziel sind. Sein gesenkter Kopf, die gelockerte Krawatte und das zerzauste grau melierte Haar deuten darauf hin, dass hinter der Tür nichts Gutes auf uns wartet.
»Greg!«, ruft mein Vater, während wir uns eilig nähern.
Als Sams Vater den Kopf hebt und ich sein grimmiges Gesicht sehe, kommen mir wieder die Tränen. Seine graugrünen Augen - die denen seines Sohnes so ähnlich sind - schauen in meine, und er sagt mit zitternder Unterlippe. »Es tut mir furchtbar leid, Lucy.«
Ich kann die Tränen nicht mehr zurückhalten. Werde ich jemals wieder aufhören zu weinen? »Wie geht es ihm?«, stoße ich mühsam hervor.
Greg seufzt und steckt die Hände in die Taschen seines teuren Anzugs. »Wir wissen nicht, wie schwer seine Verletzungen sind. Er liegt im Koma. Die Ärzte sagen, die Schwellung in seinem Hirn ist .« Er zögert und schüttelt den Kopf. Dann räuspert er sich und kämpft mit den Tränen. »Es ist noch zu früh, um etwas zu sagen.«
Warum hat er sich unterbrochen? Was wollte er sagen?
Doch ich habe keine Zeit, ihn zu fragen, denn Kellie kommt aus Sams Zimmer. Sie trägt noch das marineblaue Chanelkleid, aber ihr langes, blondes Haar ist zerzaust. Als sie uns sieht, bricht sie in Tränen aus, was mich noch heftiger weinen lässt.
»Können wir ihn sehen?«, fragt meine Mutter für mich.
Kellie tupft sich die blauen Augen mit einem Taschentuch trocken. »Natürlich, aber es dürfen immer nur zwei Besucher gleichzeitig zu ihm. Hat der Arzt gesagt.«
Mein Vater nickt und wirft uns einen Schulterblick zu. »Dann geht ihr Mädels rein. Ich warte mit Piper draußen.« Das muss man mir nicht zweimal sagen. Hastig raffe ich mein Kleid zusammen, denn die elend lange Schleppe ist so hinderlich, dass man fast darüberfällt.
Nachdem wir unsere Hände desinfiziert haben, macht meine Mutter die Tür auf, und ich atme dreimal tief durch.
Eins .
Zwei .
Drei.
Ich setze einen Fuß vor den anderen und betrete das Zimmer, das diesen schrecklichen Albtraum wahr werden lässt. In dem Bett dort liegt der Mann, den ich heiraten wollte. Aber dieser Mann, nein, das kann nicht Samuel sein. Dieser Mann ist mehr Maschine als Mensch.
Ein lautes Piepen erfüllt das ansonsten stille Zimmer, in dem mein Herz bricht. Es ist ein unbeschreiblicher Anblick, meinen Verlobten an so vielen Maschinen hängen zu sehen. Schläuche und Kabel kommen aus seiner Nase, seinem Mund, seinem Kopf und unter seinem Kittel hervor, und in seinem Handrücken steckt eine Kanüle für den Tropf.
Wenn diese Apparate nicht wären, könnte man meinen, Sam schliefe nur. Er liegt entspannt auf dem Bett, die Arme an den Seiten, und seine Beine sind mit einem blütenweißen Laken bedeckt. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte. Vielleicht Schrammen und Prellungen? Aber es ist so, wie mit den unsichtbaren Eisbergen, die für arglose Schiffe am gefährlichsten sind, das, was man nicht sieht, richtet den größten Schaden an.
»Schätzchen?«
Die besorgte Stimme meiner Mutter holt mich in die Gegenwart zurück. Ich merke, dass ich an der Wand lehne und ungläubig auf meinen Verlobten starre. Ich mache mir nicht die Mühe, meine Tränen wegzuwischen, denn ich weiß, dass sie dann nur von neuen ersetzt werden. »I-ich will mit seinem A-arzt sprechen.«
Mit einem Nicken geht meine Mom an mir vorbei aus dem Zimmer und lässt mich mit Samuel allein. Ich brauche eine Minute, bis ich mich stark genug fühle, ohne Stütze zu stehen, barfuß in meinem Hochzeitskleid, damit ich die Liebe meines Lebens bitten kann aufzuwachen.
Sam so reglos zu sehen, macht mich körperlich krank. Normalerweise ist er sehr zupackend und lebhaft - eine Eigenschaft, die ich bewundere. Man würde ihn nie dabei ertappen, dass er herumlungert oder ein Buch liest oder sich eine DVD anschaut. Er ist lieber draußen, arbeitet auf der Ranch, geht mit unserem geliebten Border Collie Thunder spazieren oder spielt Basketball. Er sitzt höchstens so lange still, wie es dauert, die Zeitung zu lesen. Aber im Moment weiß ich nicht einmal, ob er jemals imstande sein wird, irgendetwas davon wieder zu tun.
Ich muss ihn anfassen, mich vergewissern, dass er es wirklich ist. Schwankend gehe ich zu ihm und zögere, ehe ich mit dem Handrücken über sein glatt rasiertes Kinn streiche. Er fühlt sich warm an. Sein kurzes, dunkelblondes Haar ist verwuschelt, und ich fahre sanft mit den Fingern hindurch, um es zu glätten.
»Bitte komm zu mir zurück, Sam«, flehe ich, während ich über seine leicht geöffneten Lippen streiche und erschauere, als ich den durchsichtigen Schlauch darin berühre. »Unser gemeinsames Leben hat gerade erst angefangen. Ich kann nicht ohne dich sein. Ich brauche dich. Du darfst mich nicht verlassen. Du musst bei mir bleiben.« Jedes Wort macht das Loch in meiner Brust größer, und ich habe Angst, dass mir gleich das zerbrochene Herz herausfällt.
Vorsichtig schiebe ich meine Hand in seine und denke daran, wie es sich anfühlt, wenn er sie mir drückt. Aber nichts passiert. Schnell schließe ich die Augen, lege meine andere Hand auf unsere verschränkten Hände, drücke zu und rede mir ein, das wäre von Sam gekommen. Aber ich kann mir nicht ewig etwas vormachen.
Die Tür geht auf, und im Rahmen steht ein weiß bekittelter Arzt in mittleren Jahren mit einem Klemmbrett in der Hand, der leise mit meinen Eltern spricht. Als er mich in meinem schmutzigen Hochzeitskleid an Sams Bett Wache halten sieht, verzieht er mitfühlend den Mund. »Ms. Tucker nehme ich an?«
Ich nicke und hasse mich für den Gedanken, dass ich, wenn das Leben fair wäre, inzwischen Mrs. Samuel Stone wäre.
»Ich bin Dr. Kepler. Was mit Samuel passiert ist, ist sehr traurig. Wir...
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