Schweitzer Fachinformationen
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Die junge Witwe Kristin, Mutter von drei Kindern und Briefträgerin in Jämtland, hat ein großes Herz. Als sie erfährt, dass die kranke Alma sich sehnsüchtig wünscht, ihren Enkel Jerik nach Jahrzehnten wiederzusehen, schreibt Kristin ihr in seinem Namen liebevolle Briefe. Kurz vor Weihnachten engagiert sie sogar einen Schauspieler, der den Verschollenen für Alma spielen soll. Die Ereignisse überschlagen sich, als plötzlich der echte Jerik auftaucht, der übrigens ausgesprochen attraktiv ist ...
»In diesem Jahr kommt der Winter früh.« Johan Svärd rieb sich die vor Kälte geröteten Hände. »Ich spüre ihn schon in den Knochen.«
»Ja.« Kristin nickte freundlich, verschwieg aber, dass sie sich auf den Winter freute. Auf kuschelige Abende vor dem Kamin, während draußen der Schnee fiel. Auf Schneeballschlachten mit ihren Kindern und den anschließenden Kakao zum Aufwärmen. Sogar ihre Arbeit bereitete ihr im Winter Freude, auch wenn das bedeutete, dass sie das Postfahrrad durch den Schnee schieben musste und ihr oftmals ordentlich kalt wurde auf ihrer Route.
Am Ende stand immer die Rückkehr in die Wärme ihres Zuhauses.
Diese Wärme kannte Johan schon lange nicht mehr. Früher war er zur See gefahren, bis ihm nach einem Arbeitsunfall der rechte Unterschenkel amputiert werden musste. Im Anschluss verlor er seinen Job, danach verließ ihn seine Frau, und jetzt fristete er ein einsames Leben in dem alten Häuschen am Rande des Dorfes.
Es war allgemein bekannt, dass er kaum finanzielle Mittel hatte. Arbeit gab es in dem kleinen Dorf für ihn nicht, und Johan war zu stolz, Almosen anzunehmen. Im Sommer hatte er wenigstens hin und wieder einen Aushilfsjob bei einem der Bauern in der Umgebung. Im Winter aber war er auf das bisschen Rente angewiesen, das er bekam.
Jetzt fiel es Kristin schwer, ihm den Brief zu überreichen. Sie hatte am Absender erkannt, dass es sich um ein Schreiben des Energieversorgers handelte, und wusste, dass er erst vor zwei Wochen eine Mahnung erhalten hatte.
Johan wurde blass. »Die schon wieder«, murmelte er.
»Tut mir leid, Johan«, sagte Kristin bedrückt.
Er winkte ab. »Von mir aus sollen sie den Strom abstellen. Ich habe mich inzwischen an die Kälte gewöhnt.«
»Ich könnte dir .«, begann Kristin, doch Johan fiel ihr grob ins Wort.
»Ich will das nicht, Kristin! Ich komme klar.«
Sie wussten beide, dass das nicht stimmte, aber Kristin verzichtete auf einen weiteren Versuch, ihn umzustimmen. Sie hatte ihm schon einmal angeboten, ihm Geld zu leihen, aber Johan wollte davon nichts wissen.
»Mir kann alles genommen werden«, sagte er mit finsterer Miene, »aber nicht mein Stolz.«
Kristin nickte. Sie wusste nur zu gut, was er meinte.
Johan betrachtete sie abschätzend, ein bitteres Lächeln umspielte seine Lippen. »Stolz muss man sich leisten können, nicht wahr?«
»Glaubst du wirklich, dass ich so denke?«, fragte Kristin betroffen.
Beschämt schüttelte Johan den Kopf. »Tut mir leid, Kristin«, murmelte er. »Ich wollte dich nicht verletzen.«
»Das weiß ich.« Kristin strich sanft über seinen Arm. »Eigentlich bin ich es, die sich entschuldigen muss. Ich kenne deine Einstellung und hätte einfach den Mund halten sollen.« Sie betrachtete ihn ernst. »Aber ich finde den Gedanken unerträglich, dass du frierend in der Dunkelheit sitzt, weil dir der Strom abgestellt wurde«, fügte sie leise hinzu.
»Kerzenlicht kann sehr romantisch sein.« Johan zwinkerte ihr zu und wedelte mit dem Brief in seiner Hand. »Und noch ist es nicht so weit. Erst kommt noch eine letzte Mahnung, bevor sie mir wirklich den Saft abdrehen.«
Er sagte es leichthin, aber Kristin ahnte, wie es wirklich in ihm aussah. Sie hätte ihm nur zu gerne einmal erfreuliche Post gebracht.
»Wir sehen uns«, sagte Johan und hob noch einmal den Brief in seiner Hand. »Wenn du mir die letzte Mahnung bringst.«
Kristin verabschiedete sich bedrückt und setzte ihre Postrunde fort.
Der nächste Besuch war erfreulicher. Offensichtlich hatte Alma bereits auf sie gewartet und sie durch das Fenster gesehen, denn sie riss die Tür auf, kaum dass Kristin vom Rad gestiegen war, blieb aber auf ihrem Stock gestützt an der Tür stehen.
»Post aus Stockholm?«, rief sie ihr entgegen und strahlte, als Kristin nickte. Sie nahm den Brief an sich und presste ihn ans Herz.
Kristin stellte die Entscheidung, die sie in jener Nacht vor einem Jahr getroffen hatte, immer wieder infrage, kam jedoch jedes Mal zu dem Schluss, dass sie genauso wieder handeln würde. Denn der Brief, der angeblich von Jerik stammte, hatte Alma das Leben gerettet.
Bereits wenige Stunden nachdem Kristin ihr das Schreiben damals vorgelesen hatte, hatte die alte Frau sich aufgerichtet und nach einer heißen Suppe verlangt.
Zwei Wochen später war sie das erste Mal aufgestanden und hatte Dr. Bjurström, der sie ermahnte, im Bett zu bleiben, einen alten Quacksalber geschimpft. Ihr Befinden hatte sich stetig verbessert, und so hatte sie schließlich in ihr Haus zurückkehren können. Doch die Krankheit hatte Spuren hinterlassen. Alma war recht kurzatmig und musste sich schon nach leichten Anstrengungen hinsetzen. Außerdem hatte sich die Arthrose in ihren Knien so verschlimmert, dass Alma sich nun beim Gehen auf einen Stock stützte.
»Kommst du auf einen Kaffee ins Haus?«, fragte Alma jetzt sichtlich glücklich. »Dann kannst du mit mir zusammen Jeriks Brief lesen.«
»Ich bin spät dran«, log Kristin. Sie wollte den Brief nicht lesen, den sie selber geschrieben hatte. Denn seit Alma glaubte, dass ihr Enkel sie wiedergefunden hatte, musste Kristin immer weiter Briefe in Jeriks Namen verfassen, weil sie auf keinen Fall wollte, dass Alma ihn ein zweites Mal verlor, was unweigerlich zu einem Rückfall führen würde.
»Dann komme ich heute Nachmittag zu dir zum Kaffee«, lud Alma sich selbst ein. »Ich bringe Zimtschnecken mit.«
»Aber das ist doch viel zu anstrengend für dich«, wandte Kristin ein.
Alma wischte ihre Bedenken mit einer Handbewegung beiseite. »Backen ist für mich ein Vergnügen, keine Anstrengung.«
»Dann hole ich dich mit dem Auto ab«, sagte Kristin, aber auch davon wollte Alma nichts hören.
»Gustav fährt mich nachher in Helens Laden. Anschließend kann er mich zu dir bringen.«
Gustav, der Dorfschreiner, war eng mit Almas Mann befreundet gewesen und ebenso wie Kristin und Helen immer für sie da, wenn sie Hilfe benötigte. Früher hatte Alma Kristin regelmäßig besucht, aber nun fiel ihr selbst die kurze Strecke zu Kristins Haus schwer.
»Dann erzähle ich dir, wie es Jerik geht. Ich bin so gespannt, ob er und Lena inzwischen ein Paar sind, ich wünsche es ihm so sehr.« Alma strahlte. »Wenn er sie heiratet und die beiden ein Kind bekommen, werde ich Urgroßmutter!«
In Anbetracht von Almas Begeisterung gelang es Kristin nur mit Mühe, einen Seufzer zu unterdrücken. Sie hatte so manches Mal mit dem Gedanken gespielt, Alma die Wahrheit zu sagen. Doch wenn sie so wie jetzt den Glanz in Almas Augen sah, wenn sie miterlebte, dass ihr Leben im Alter wieder lebenswert war, wusste sie, dass die Wahrheit zwar ihr eigenes Gewissen erleichtern, Alma aber nur schaden konnte. Alma durfte niemals erfahren, dass es nicht ihr Enkel war, der ihr regelmäßig schrieb. Dass es keine Lena gab, kein elegantes Apartment in Stockholm mit Blick auf den Nybroviken und auch keinen Flugplan, der Jerik daran hinderte, seine Großmutter zu besuchen. Denn Kristin hatte Jerik kurzerhand zum Piloten gemacht, als Alma ihn in ihren Antwortbriefen immer wieder bat, bald nach Norråker zu kommen. Natürlich flog er ausschließlich Langstrecke, hatte ständig Stand-by-Einsätze, was bedeutete, dass er jederzeit für die Fluggesellschaft erreichbar und es ihm möglich sein musste, innerhalb von sechzig Minuten am Flughafen Arlanda einzutreffen.
Einmal hatte Alma sogar überlegt, selbst zu ihrem Neffen nach Stockholm zu fahren. Glücklicherweise hatte sie auf Dr. Bjurström gehört, der ihr dringend von der anstrengenden Reise abgeraten hatte. Doch für Kristin wurde es auf Dauer immer schwieriger, Ausreden zu erfinden. Die Stewardess Lena, Jeriks angebliche Freundin, gab es seit zwei Monaten. Lena flog ebenfalls Langstrecke, aber meist mit einer anderen Crew. Und so bat Kristin in Jeriks Namen um Verständnis, dass er immer noch keine Zeit für einen Besuch aufbrachte, weil er seine knappe Freizeit mit der Frau seines Herzens verbringen wollte.
Irgendwann, hatte Kristin ihn schreiben lassen, komme ich ganz bestimmt. Ein fatales Versprechen, das niemals gehalten werden konnte.
»Bis heute Nachmittag«, verabschiedete sich Alma jetzt und ging auf ihren Stock gestützt ins Haus.
Kristin blickte ihr nachdenklich hinterher. Sie freute sich auf Almas Besuch und die gemeinsame Kaffeestunde, auch wenn ihr die Heuchelei zunehmend schwerfiel.
Niemand außer Kristins bester Freundin Ingela kannte die ganze Geschichte.
Die beiden Frauen waren zusammen aufgewachsen, sie kannten sich seit ihrer gemeinsamen Kindergartenzeit in Stockholm, und es gab nichts, was sie einander nicht anvertrauen konnten. Ingela lebte mit ihrem Mann Bengt, einem bekannten Fotografen, noch immer in Stockholm.
Als Anders vor fünf Jahren gestorben war, war Ingela sofort nach Norråker gekommen, um Kristin beizustehen. Lotta war da gerade erst zwei Tage auf der Welt gewesen.
Kristin war dankbar, dass es ihrem Mann noch vergönnt gewesen war, seine kleine Tochter zu sehen. Er hatte so gekämpft, um diesen Tag zu erleben, hatte noch genau zwei Tage überlebt, bevor ihn die Kräfte verließen.
Noch heute sprach Ingela davon, wie sehr sie der Zusammenhalt der Menschen in Norråker berührt hatte. Alle waren für Kristin da gewesen, hatten ihr zur Seite gestanden und sie unterstützt. Und wenn Kristin auch manchmal das Gefühl gehabt hatte, die Situation nicht aushalten zu können, so fühlte sie sich mit ihrer Trauer um Anders nie alleingelassen.
Heute war Ingela ihr eine große...
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