Schweitzer Fachinformationen
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»Am ersten Tage des Maien 1158. Der Kaiser ist auf dem Weg hierher. Er sammelt seine Getreuen für einen Feldzug gegen Mailand. Auch Vater wird mit ihm ziehen. Ich bin furchtbar ungeduldig, doch die Zeit will nicht vergehen. Endlich werde ich Silas wiedersehen. Beim Gedanken daran schlägt mein Herz so wild, dass ich selbst mein schwierigster Patient bin und mir Baldrian verordnen müsste. Nur hat die rote Katze der Köchin mir erneut die frischen Triebe des Krautes verdorben. Sollte sie nicht Mäuse fangen, statt sich im Kräuterbeet zu wälzen? Doch bin ich so glücklich, dass ich ihr nicht böse sein kann.«
»Wenn du mit deiner Schreiberei fertig bist, könntest du mit hinauskommen und einen Blick über die Mauer werfen.« Isabellas Lockenkopf hatte sich durch eine Spaltbreit geöffnete Tür geschoben. Ihre Augen blitzten schelmisch.
»Was ist? Etwa .?« Judith erhob sich rasch.
»Sieh selbst!« Die Tür schlug zu.
Hastig schloss sie das Tintenfässchen und schob das zur Hälfte beschriebene Blatt in eine Lade unter dem Tisch. Mit einem Griff raffte sie ihr Gewand und stürmte hinaus. Gerade noch sah sie Isabellas rotes Kleid hinter der hölzernen Brüstung des nördlichen Wehrgangs verschwinden. Sie musste einigen Knechten ausweichen, die große Ballen Schafwolle in die Spinnstube schleppten. Dabei riss sie einer erschrockenen Magd fast die Schüssel mit Brotteig aus den Händen und scheuchte eine Handvoll Hühner auf, die im Schatten der Mauer nach Würmern scharrten. Das Schimpfen und Gackern ignorierend, hangelte sie sich geschwind die Holzleiter hinauf. Was, wenn Isabella sie nur zum Narren hielt? Sie wurde leicht ungehalten, wenn sie sie in ihr »zweites Gedächtnis« vertieft sah.
Oben auf dem hölzernen Gang fand sie Ludwig, Isabella und zwei Soldaten der Wache über die Mauerkrone gelehnt. Ihr Bruder wies gen Norden und rief: »Jetzt sehe ich es auch!«
Sie schob sich neben ihn. »Was siehst du?«
Ein übermütiger Blick streifte sie, bevor er sich wieder auf die weite Ebene zwischen Harzgebirge und Wippertal richtete. »Siehst du dort hinten die Rauchsäule einer Köhlerhütte? Dicht vor dem kleinen Bruder des Blocksbergs?«
»Ja. Und?«
»Dort ist es nicht!« Er prustete laut los, Isabella lachte, und auch die Wachsoldaten fielen ein.
»Du bist gemein!« Sie versetzte ihm eine halbherzige Ohrfeige, die ihn jedoch nicht aus der Stimmung brachte. Wütend über ihre Dummheit, folgte sie einfach den Blicken der anderen und konzentrierte sich. Unverhofft kam ihr die Sonne zu Hilfe, die gerade hinter einer Wolke hervortrat und weit vor den Harzbergen Metall blinken ließ. Eine dünne Schlange aus hellen Tupfern wand sich über eine kleine Anhöhe. Ihr Kopf steckte offenbar bereits in dem Waldgebiet zwischen Wipper und Vorharz, ihr Ende zog sich gerade aus dem Gebirge. Zwischen den größeren Flecken, die sich als Planwagen herausstellten, konnte sie Pferde erahnen, von deren Rücken es immer öfter hell aufblitzte.
»Ein Heerzug«, murmelte sie.
»Nicht irgendein Heerzug«, korrigierte Isabella ungeduldig. »Es ist der Heerzug, auf den wir alle warten. Es ist der Kaiser!«
»Aber wieso kommt er denn von Norden?« Sie starrte verblüfft auf den sich durch die Landschaft windenden Wurm aus Leibern und Karren, über dem eine Staubfahne wie ein Schleier hing.
»Hörst du nie zu, wenn dein Vater erzählt? Er kommt aus Braunschweig, bringt Heinrich den Löwen mit.«
Hinter ihr begann Ludwig über den Hof zu schreien: »Der Kaiser! Hört ihr? Der Kaiser zieht heran! Am Abend ist er da!«
Das geschäftige Wirtschaften auf dem Hof hielt einen Moment inne. Dann erhoben sich Stimmen, wie ein Hagel Pfeile sauste die Neuigkeit durch Wirtschaftsräume, Küche und Ställe.
Das Geschehen auf dem Hof bekam plötzlich Flügel. Die Magd, die eben noch die Brotlaibe in den Backofen geschoben hatte, rannte mit der leeren Schüssel zurück zur Küche. Jetzt musste noch einmal Teig angesetzt werden. Aus der Spinnstube liefen die Frauen hinüber zum Saal, wo sie dringender gebraucht wurden. Eine Gruppe dienstfreier Wachsoldaten, die sich beim Würfeln in der Sonne den Rücken gewärmt hatte, sprang eilig auf und strebte zum Tor. Der Verwalter scheuchte ein paar halbwüchsige Jungknechte mit Reisigbesen auf den Hof. Der Gehilfe des Kochs lief zum Brennholzstapel neben dem Küchenhaus. Eine Küchenmagd eilte mit einem Eierkorb unter dem Arm zum Hühnerstall, und der Mundschenk verschwand im Vorratskeller.
Und doch rannen die Stunden so zäh wie der Saft aus einer Kerbe im Birkenstamm. Isabella und Judith halfen beim Herrichten der Tafeln im Saal. Als die ersten Fanfarentöne zart wie das Piepsen eines gerade geschlüpften Kükens über den Hof drangen, ließ Judith den Blumenschmuck fallen und rannte los. Außer Atem schob sie sich oben auf dem Wehrgang neben den Wachsoldaten, der mit einer Fanfare hantierte, um das Signal zu beantworten.
Der Weg zum Pass über die Hainleite führte am Fuß des Bergsporns vorbei, auf dem ihr Urgroßvater Beringar die steinernen Mauern der Burg hatte errichten lassen. Von dort aus war es noch eine knappe halbe Stunde bis zum Haupttor, denn der Höhenunterschied verlangte eine langgezogene Kurve als Wegstrecke, die an ihrer steilsten Stelle trotzdem noch zusätzliche Gespanne für schwere Fuhrwerke erforderte. Die ersten Reiter waren also für die Burgleute schon zu sehen, obwohl sie nur vorbeizogen und noch ein gutes Stück Weg vor sich hatten.
Judith jauchzte auf, als sie an der Spitze des Zuges die goldgelbe Fahne mit dem schwarzen Adler des Kaisers neben Heinrichs Löwenbanner erkannte. Die schwer gepanzerte Vorhut ritt direkt dahinter, drei Pferde nebeneinander, mehr ließ die Breite der Straße nicht zu. Der Wachsoldat blies erneut die Begrüßungsfanfare mit den Signalen für sicheren Einzug in die Burg. Sie winkte mit beiden Armen. Einer der Fahnenträger schwenkte sein Banner als Antwort.
Hinter ihr knarrte die Leiter. Ludwig sprang neben sie. In seinen Haaren hing Stroh. Offensichtlich war er im Pferdestall gewesen. »Ist der Kaiser schon in Sicht?«
»Nein . Doch, da! Jetzt kommt er um die Biegung! Das muss er sein!«
Ludwig nickte. »Unter den Helmen sehen alle Männer gleich aus. Doch das ist sein Pferd.«
»Und dieser rote Mantel! Obwohl, der Reiter neben ihm, sieh nur! Ein leuchtend weißer Mantel auf dem schwarzen Pferd. Wie vornehm .«
»Das muss Heinrich der Löwe sein.«
Jetzt erweckte ein anderes Pferd ihre Aufmerksamkeit, das selbst von der Höhe der Mauern aus edler aussah als die derben Schlachtrosse der Kaiserlichen. Es tänzelte mit wehendem Schweif und schien keineswegs müde nach der langen Reise.
»Nawar«, flüsterte Judith.
Sie sah, wie der Reiter sein Gesicht nach oben wandte, das sie allerdings nur als hellen Fleck ausmachen konnte. Immerhin trug er keinen Helm. Sie wollte winken, doch da erkannte sie eine Frau auf dem Pferd vor ihm. Ihr gelbes Kleid leuchtete in der späten Frühlingssonne wie eine Löwenzahnblüte. Beatrix! Gleich neben ihr, das musste Konrad sein.
Sie drehte sich um und stieg die Leiter hinab. Ihr Vater stand vor dem Palas, neben ihm Isabella in Reitkleidung. Zu ihren Füßen saß Sida in erwartungsvoller Haltung. »Judith, wo ist Ludwig?« Er schien ungehalten. »Wir wollen dem Kaiser entgegenreiten!«
»Auf dem Wehrgang. Ich komme auch mit!«
»Dann sei in kürzester Zeit bei den Ställen, ich lasse dein Pferd satteln.«
Er rief nach seinem Sohn und winkte einen Stallknecht heran. Judith rannte in die Kemenate und zerrte in aller Eile ihr Reitkleid aus der Truhe. Das Umziehen dauerte viel zu lange, weil keine Dienerin in der Nähe war, die ihr die Verschnürung auf dem Rücken festzurren konnte. Als sie endlich über den Hof lief, kam ihr bereits ein Knecht mit ihrer Fuchsstute entgegen.
»Der Herr Graf wartet auf der Vorburg«, verkündete er und half ihr beim Aufsteigen.
Mehrere Soldaten, ein Fahnenträger mit dem Lare'schen Löwen und der Vogt Eckardt begleiteten sie. Im scharfen Galopp ging es den ebenen Weg entlang gen Westen, bis zur Kreuzung, wo die alte Handelsstraße von Nordhusen nach Mülhusen aus dem Hochwald trat.
Schon bald drang erregtes Wiehern aus der Schlucht, die Hengste der Vorhut witterten die fremden Pferde. Der Fahnenträger blies ein Signal, das freundliches Willkommen verhieß. Schnaubend und mit schaumigen Mäulern trabten die ersten Rösser aus dem Wald, und ihre Reiter wurden von den Wachsoldaten empfangen. Männer und Pferde waren mit Staub bedeckt, die Tiere ließen die Köpfe hängen. Dann blitzte das gelbe Banner durch das frische Grün der Buchen, und der Graf saß ab, um den Kaiser und dessen Vetter Heinrich zu begrüßen. Judith und Isabella stiegen ebenfalls aus dem Sattel und gingen vor dem Pferd der Königin in die Knie. Isabella trug eine halbherzige Begrüßungsformel vor, während Judith vergeblich nach Nawar Ausschau hielt. Offenbar hatte Silas sich zurückfallen lassen. Lediglich Bischof Konrad, der in blauen Samt gekleidet war, lächelte ihr gönnerhaft zu.
Auf dem Weg zur Burg führte der Kaiser das Gespräch, wobei es ausschließlich um den bevorstehenden Italienfeldzug ging. »Habt Ihr von Rainalds neuestem Glanzstück gehört, Graf?«
»Nein, ich weiß nur, dass er mit dem Wittelsbacher bereits in Italien ist, um Euren Feldzug vorzubereiten.«
Friedrich lachte genüsslich und streckte seinen Rücken im Sattel. »Er hat doch tatsächlich mit zehn Rittern eine Übermacht von dreihundert Reitern aus Ravenna in die Flucht geschlagen.«
»Gott schütze den Teufel, wenn Euer Kanzler in die Hölle kommt!«
»Und so kam der Wagen...
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