Schweitzer Fachinformationen
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Fee schwitzte, und ihr Magen verkrampfte sich. Seit ihrer Ankunft in dem Brautmodengeschäft fühlte sie sich zwischen all den zukünftigen strahlenden Bräuten wie ein schwerer schwarzer Stein, der mitten im weißen Puderschnee lag. Dabei hatte sie sich heute Morgen fest vorgenommen, sich zusammenzureißen und wie jede normale Verlobte ein Brautkleid auszusuchen. Das konnte ja nicht so schwierig sein, hatte sie sich eingeredet, doch jetzt überkam sie die kalte Realität. Die Erinnerungen an Eva begannen sie erneut zu quälen. Damals hatte sie wenige Tage vor dem Überfall mit Eva ein Brautmodengeschäft besucht, und Eva hatte dort ihr absolutes Traumkleid gefunden. Ein schlichtes, damit sie mit buntem Schmuck noch Akzente setzen konnte. Nie würde Fee ihr glückliches Gesicht vergessen und ihre Worte, als sie in dem cremefarbenen Seidenkleid aus dem Umkleideraum getreten war. »Mädels, das ist es! Mein Kleid!«
Eine Woche später war sie tot.
Die Erinnerung traf Fee wie eine Faust in den Bauch, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie spürte eine Hand auf ihrem Rücken.
»Fee, alles okay?«, fragte ihre beste Freundin Jessy besorgt. »Wir können auch wieder gehen.«
Fee atmete tief durch. »Danke, es geht schon.« Bevor sie hierhergekommen waren, hatte sie Jessy und ihrer Mutter das zusammengeklebte Schreiben des Forums gezeigt. Während Jessy wie erwartet entsetzt gewesen war, hatte ihre Mutter nur die Augen verdreht und gemeint, Fee solle sich wegen so einer Lappalie - Lappalie! - nicht aufregen.
»Fee, Herzchen«, rief ihre Mutter nun und zeigte auf eine Kleiderpuppe in einem üppigen Tülldress mit rosafarbenen 3-D-Blüten. Das trägerlose Oberteil war mit unzähligen Glitzersteinchen verziert. »Das hier musst du anziehen. Darin siehst du bestimmt aus wie eine Märchenprinzessin.«
Oh nein, dachte Fee, darin sehe ich eher aus wie eine Hochzeitstorte!
Yvonne, ihre Schwiegermutter in spe, rümpfte die Nase und wandte sich kopfschüttelnd an Fees Mutter. »Dieses Kleid geht gar nicht. Als zukünftige Frau eines Politikers braucht Felicia etwas Royales. Elegant, modern, aber auf keinen Fall kitschig und aufreizend.« Sie marschierte durch den Laden wie ein General und musterte sämtliche Kleider abschätzig. Fees Mutter richtete sich vor einem Spiegel ihr rotes, stark toupiertes Haar, dann folgte sie Yvonne und verteidigte das Glitzerkleid.
»Hör nicht auf die beiden«, flüsterte Jessy. »Zu dir passt ohnehin ein Vintagekleid am besten. Zart und verträumt. Du bist ein Elfentyp.«
Fee verzog das Gesicht. Sie mochte den Vergleich nicht besonders, auch wenn er in Anbetracht ihres Namens und ihres Äußeren durchaus zutraf. Sie hatte langes, feines und hellblondes Haar, blasse Haut und himmelblaue Augen. Sogar ihre Ohren glichen denen einer Elfe: leicht abstehend und groß. Früher in der Schule war sie deswegen oft gehänselt worden. Dumbo hatte man sie genannt, wie den kleinen Elefanten aus dem Zeichentrickfilm. Sie hatte immer versucht, ihre Ohren zu kaschieren, aber wegen ihres dünnen Haares war es ihr nie gelungen. Durch die Freundschaft zu Eva hatte sie mit der Zeit an Selbstbewusstsein gewonnen, und inzwischen stand sie zu ihrem Schönheitsfehler. Ach, Eva, dachte Fee verzweifelt.
»Fee.« Jessy schien offenbar zu bemerken, dass sie nicht bei der Sache war, und sah sie bekümmert an. »Du musst diesen Brief vergessen, ja?«
Das kann ich nicht. Fee spürte, wie die Wut in ihr emporkroch. Wie konnte Evas Mörder es wagen, eine solche Bitte an sie zu stellen? Entschuldigen wollte er sich! Als könnte er dadurch alles wiedergutmachen. Aber Eva war tot! Eine Entschuldigung brachte sie nicht zurück. Verdammt!
»Komm, wir schauen uns die Kleider an«, fuhr Jessy bemüht fröhlich fort. »Guck mal, das hier ist doch ganz hübsch.« Sie zeigte auf einen Traum aus champagnerfarbener Spitze, doch im selben Moment stieß Yvonne dazu. »Das ist viel zu schlicht. Da kann sie ja gleich im Nachthemd gehen.«
»Schätzchen«, meldete sich ihre Mutter, »bitte zieh doch das Kleid mit den rosa Blüten mal an. Mir zuliebe. Oh, und ich habe noch eines mit einer Schleife in der Taille gesehen.«
»Das ist alles Kitsch!«, zischte Yvonne. »Komm mit, Felicia, ich habe dort drüben etwas Passendes entdeckt.«
In dem Moment stieß eine lächelnde Kundenberaterin zu ihnen und wandte sich an Fee. »So, nun bin ich bereit für Sie. Haben Sie schon ein paar Kleider gesehen, die Ihnen gefallen?«
»Ich . nein .«
»Das macht nichts, wir finden schon etwas. Was für Vorstellungen haben -« Sie konnte den Satz nicht mal beenden, schon begannen Yvonne und Fees Mutter auf sie einzureden.
Fees Nerven vibrierten, ihr Herz raste. »Jetzt reicht's!«, schrie sie. »Hört endlich auf! Wenn, dann suche ich mir ein Kleid aus, das mir gefällt. Nur mir!« Sie bemerkte, wie schrill sich ihre Stimme anhörte, und hielt inne. Ihre Mutter, Jessy und Yvonne schauten sie fassungslos an, genauso wie die Angestellte und ein paar Kundinnen. »Aber wisst ihr was, ich will kein Kleid. Und auch keine Hochzeit. Das war Evas Traum, nicht meiner.« Tränen füllten ihre Augen. »Ich kann das nicht.« Sie rannte aus dem Laden.
Schon seit fünf Minuten saß sie im Wagen und beobachtete die Schneeflocken, die sich auf der Windschutzscheibe sammelten. Where Is My Mind von den Pixies ertönte aus der Musikanlage und drang ihr unter die Haut.
Die Dämmerung begann einzusetzen, und Laternen erhellten den von Tannen gesäumten Weg zur Seniorenresidenz, in der immer mehr Fenster aufleuchteten. Fee rieb sich die Schläfen. Ihre Großmutter erwartete sie, aber sie wollte ihr in diesem aufgewühlten Zustand nicht unter die Augen treten. Zuerst musste sie sich beruhigen.
Ihr Handy klingelte, und nicht mal die durchdringenden Töne von Joey Santiagos E-Gitarre konnten es überstimmen. Erregt wühlte Fee in der Tasche und zog das Gerät zwischen Lippenstift, Bonbons, Geldbörse und Taschentüchern hervor. Schon auf der Fahrt hierher hatte es ununterbrochen geklingelt, und ein Blick auf das Display zeigte elf verpasste Anrufe. Sie schaltete es aus. Bei Jessy würde sie sich später melden, aber ihre Mutter und Yvonne konnten ihr gestohlen bleiben. Sie war sich bewusst, dass sie vorhin alle überrascht hatte mit ihrem plötzlichen Wutausbruch, schließlich passte so etwas nicht zu ihr. Aber es war ihr ernst gewesen. Sie wollte weder ein Kleid noch eine Hochzeit.
Sie starrte auf das Lenkrad, und der Mercedesstern verschwamm vor ihren Augen.
»Verdammte Scheiße!« Sie schlug mit der Faust gegen das Lenkrad und lehnte sich in ihrem Sitz zurück, schaute aus dem Fenster. Die vom Wind umhergewirbelten Schneeflocken bildeten kreisförmige Muster auf der Windschutzscheibe.
Sie tröstete sich mit der Tatsache, dass sie eigentlich nie hatte heiraten wollen. Doch dann hatte Christian ihr vor einem Jahr auf den Malediven einen Antrag gemacht - während eines Abendessens direkt am Meer bei Kerzenschein. Sie war aus allen Wolken gefallen, weil sie kurz vor dem Urlaub noch einen heftigen Streit gehabt hatten und sie die Beziehung damals ernsthaft infrage gestellt hatte. Sie vermutete deshalb insgeheim, dass ihn keine romantischen Absichten zu dem Antrag bewogen hatten. Vielmehr sah er in einer Ehe womöglich einen Vorteil für seine politische Laufbahn. Ein Familienmensch kam bei der Wählerschaft nun mal besser an.
Schlussendlich hatte Fee ihre Zweifel aber beiseitegeschoben und den Antrag angenommen. Sie schätzte Christian, ihren Fels in der Brandung. Neben ihren Großeltern und Jessy hatte er ihr damals vor acht Jahren, in der schlimmsten Zeit ihres Lebens, beigestanden und sie aus einer Phase geholt, in der sie niemanden mehr an sich heranließ und sich fast zerstört hätte. Christian hatte sie vor sich selbst gerettet und ihr neue Perspektiven aufgezeigt.
Um sich voll und ganz auf ein neues Leben einlassen zu können, hatte sie jedoch ihr altes zuerst abwerfen müssen und eine Veränderung durchgemacht. So wurde aus der Schmuckdesignerin mit Vorliebe für bunte Flatterkleidchen eine organisierte Finanzbuchhalterin im Businesskostüm. Ganz geformt nach Christians Idealbild, wie Jessy und ihre Großmutter, beide keine Anhänger von Christian, manchmal behaupteten. Fee war sich ihrer Verwandlung durchaus bewusst, und auch wenn diese Phase nicht immer leicht gewesen war - von alten Gewohnheiten verabschiedete man sich nur schwer -, so hatte sie es durchgezogen, weil sie wusste, dass nur ein kompletter Neuanfang sie retten würde. So hatte sie sich Hals über Kopf in eine Beziehung mit Christian gestürzt, die trotz zahlreicher Streitereien bis heute hielt. Christian mochte gelegentlich etwas zu perfektionistisch sein, aber genau diese Eigenschaft schätzte Fee an ihm. Er hatte immer alles unter Kontrolle, ob als Partner im Investmentunternehmen seiner Mutter, in seiner Partei oder privat. Griff man ihn an, kapitulierte er nicht, sondern kämpfte...
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