Schweitzer Fachinformationen
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Tagtäglich werden in Deutschland tausende Kundenberatungen durch Banken für Anlagen verschiedenster Art durchgeführt. Dabei spielt das Vertrauensverhältnis zwischen Bank und Kunde eine zentrale Rolle. Der Kunde vertraut auf einen Vorteil, den ihm die Beratung bringen soll, im Hinblick auf die "richtige" Wahl von Anlagen zur "richtigen" Zeit.
Normalerweise ist davon auszugehen, dass die Beratungskunden sich Hilfe und einen Vorteil durch die Beratung erhoffen. Regelmäßig haben also die Bank und ihre Berater ein Informations- und Kompetenzvorteil und der Kunde baut darauf, von der Bank adäquat und in seinem Sinne (im Hinblick auf seine Anlageziele und Wünsche) beraten zu werden bzw. eine entsprechende Umsetzung erfolgt. Insofern herrscht normalerweise eine deutliche Informationsasymmetrie zugunsten der Bank.23
Der Bankkunde ist sich umgekehrt in der Regel dieser Informationsasymmetrie bewusst und vertraut darauf, dass die Banken ihn mit ihrem Informations- und Kompetenzvorteil unterstützt und für seine Anlageziele und Bedürfnisse die am besten geeignetsten Anlagen empfiehlt.24 Dies mag auch in der weit überwiegenden Zahl der Beratungen funktionieren. Dennoch gibt es jährlich tausende Fälle25, in denen BaFin, Ombudsstellen der Banken26 oder gar Gerichte bemüht werden, um Fälle von fehlerhafter Beratung, Falschberatung, falscher Umsetzung von vereinbarten Geschäften u.v.a zu klären.27
Der Gesetzgeber hat aus Anlegerschutzaspekten den Banken und Finanzdienstleistern entsprechende Dokumentationspflichten (u.a. Geeignetheitserklärung, Taping .)28 auferlegt, damit die entsprechende Beratungsleistung die erbracht wurde nachvollziehbar wird. Dies kann einerseits in Form einer papiergestützten Dokumentation, oder wenn die Anlageberatung über einen elektronischen Kanal29 erfolgte über entsprechende elektronische Dokumentation bei Telefonberatung z.B. "Taping" - also ein Audiomitschnitt - erfolgen. "Telefongespräche oder elektronische Kommunikation, wie z. B. E-Mail oder Fax, aus im Handel auf eigene Rechnung getätigten Geschäften, aber auch bei Annahme, Übermittlung und Ausführung von Kundenaufträgen sind gemäß MiFID II durch die Wertpapierfirma aufzuzeichnen."30
Zur Klärung selbst werden regelmäßig die Dokumente, ggf. existierende Gesprächsmitschnitte von Telefonaten31 und Zeugenaussagen herangezogen. Dabei ist es häufig so, dass zwischen dem Beratungsgespräch bzw. der Umsetzungsanweisung und Problemen bzw. der notwendigen Klärung selbiger nicht nur Tage und Wochen, sondern eher Monate oder Jahre liegen können. Neben den zeitlichen Verzug ist, sofern es sich nicht um einen Mitschnitt handelt, insbesondere bei den Papierdokumenten die Frage zu stellen, ob diese einen Eindruck von der geführten Beratung vermitteln können. Regelmäßig ist davon auszugehen, dass dies nicht der Fall ist, da die Papierdokumentation nur einen Teil-Eindruck vermittelt mit durchaus viel Interpretationsspielraum. Zudem wird das tatsächlich Gesagte daraus nicht hervorgehen. Diese Reduktion stellt auf jeden Fall einen gravierenden Informationsverlust zum tatsächlich gesprochenen Wort dar. Insofern können Geeignetheitserklärungen32 etc. das Anlageberatungsgesprächs nie richtig wiedergeben. Wesentlich besser geeignet erscheinen diesbezüglich Mitschnitte (Taping).33
Noch verheerender sieht es a priori im Hinblick auf Zeugenaussagen der Bankmitarbeiter bzw. der Kunden aus. Man stelle sich einmal vor, dass Jahre später wiedergegeben werden soll, was in einem bestimmten Gespräch mit, welchen Umfang, konkreten Worten, in welcher Tonalität und mit welchem Ergebnis gesagt wurde. Meist - so zumindest die Hinweise aus Gesprächen mit Kunden - können sich die beteiligten Personen nur schwer an die Beratung im Einzelnen erinnern. Insofern stellt das eine große Herausforderung für die BaFin, Ombudsstellen/-leute34 aber auch für die Gerichte dar. Mitschnitte des Gesprächs (Taping) zum Beispiel bei der telefonischen Beratung stellen einen Schritt in die richtige Richtung dar.35
Im Hinblick auf die Entwicklung in den letzten Jahren lässt sich ein eindeutiger Trend zu immer mehr Beschwerden über Banken und Finanzdienstleister feststellen.36 Zwar liegen diese im Vergleich, zur Gesamtzahl der durchgeführten Beratungen, auf einem sehr geringen Niveau, allerdings sind einige tausend Fälle pro Jahr sicher zu viel. Wenn man davon ausgeht, dass nicht alle Fälle bei der BaFin, Ombudsstellen und Gerichten angezeigt werden, kann man ein deutlich größeres Problem unterstellen. Die BaFin selbst hat bei einer Pilotaktion des Mystery Shoppings 2001 und in einer größer angelegten Folgeaktion durch verdeckte Testkäufe bei 16 Instituten festgestellt, dass die Anlageberatung der Banken gravierende Mängel ("Auffällig hohe Fehlerquoten"37) aufweist.38
Insofern kann man durchaus ein sogenanntes "Eisbergphänomen" vermuten. D. h. mit anderen Worten die offizielle Statistik der Finanzaufsicht BaFin, Verfahren bei Ombudsstellen und Gerichten ist nur die Spitze des Eisbergs eines viel größer und tiefer liegenden Problems.39 Insofern herrscht Unklarheit über den Multiplikator, den man ansetzen müsste, um die tatsächliche Zahl schlechter oder falscher Beratung in Bezug auf Wertpapieranlagen zu schätzen. Da wie beschrieben die Informationsasymmetrie zwischen Bank und Kunden gegeben ist, besteht für den Kunden zudem a priori auch eine schwierigere Ausgangslage zur Beurteilung, ob er sehr gut, schlecht oder komplett falsch beraten wurde. Auch stellt die Anzeige einer Falschberatung40 bzw. Beschwerde bei der Finanzdienstleistungsaufsicht eine Hürde dar, die sicherlich nicht jeder bereit ist zu nehmen.
Kurzum es ist von einer deutlich höheren Fallzahl auszugehen als in offiziellen Statistiken aufgezeigt werden und nicht nur die Fallzahl, sondern auch die Schadenssumme als solche ist deutlich höher zu vermuten. Dies relativiert andererseits etwas die Aussagen der Banken und Finanzdienstleister, die lediglich von Einzelfällen sprechen. Dies ist natürlich für den Betroffenen kein Trost, wenn er versucht seine Ansprüche durchzusetzen.
Auch die erschreckenden Ergebnisse der 2021 und 2023 von der BaFin beauftragten Mystery Shoppings zeigte für die Anlageberatung am Markt eher als verheerend zu interpretierende Ergebnisse.41 "Mängel traten bei fast allen getesteten Banken und allen vorgegebenen Kundenprofilen auf."42 In einem Drittel der Fälle waren die Beanstandungen schon rein formal als schwerwiegend (Kosteninformation fehlte, Geeignetheitserklärung fehlte, oder beides) durch die BaFin eingestuft.43 2 Jahre später 2023 wurde die Anlageberatung ausgewählter Banken erneut untersucht, mit teils nochmals deutlich schlechteren Ergebnissen.44 Insbesondere bei der Aushändigung von gesetzlichen Pflichtinformationen wie Geeignetheitserklärung, Kosteninformationen etc. wurden massivste Unregelmäßigkeiten festgestellt.45
Da muss man sich ernsthaft die Frage stellen, wenn schon formale gesetzliche Vorgaben nicht erfüllt werden, ob die Empfehlungen derartiger Beratungen passen und vor allem nachvollzogen werden können, wenn dem Kunden die Angaben gar nicht ausgehändigt werden.46 A priori ist dies wohl eher zu verneinen und würde nicht nur ein gravierendes Problem bedeuten für das Vertrauen in den Finanzmarkt Banken und die Finanzaufsicht, sondern ein enormes Verbesserungspotential bedeuten, wenn man die Videoaufzeichnung verpflichtend einführen und Verstöße entsprechend Sanktionieren würde. Ein bisschen "Mystery Shopping"47 reicht da bei weitem nicht aus. Last but not least hat es der Kunde natürlich ohne ausgehändigte Unterlagen natürlich noch schwerer seine ggf. berechtigten Ansprüche durchzusetzen.
Die Videoaufzeichnung könnte diesbezüglich zum wahren "Gamechanger" in Sachen Qualität, Compliance48 und vor allem Transparenz49 und Anlegerschutz werden. Im Übrigen hätte man auch im Video den Beleg für die Aushändigung von Unterlagen und noch wichtiger für die geführte Beratung selbst.
23 Vgl. Rihaczek (2016).
24 Vgl. Rihaczek (2016).
25 Vgl. BaFin (2024c).
26 Vgl. BaFin (2018a); Ombudsmann der privaten Banken (2024).
27 Vgl. Günder (2024).
28 Vgl. Löhr/Rothe (2018); Volksbank Freiburg eG (2018); WertpapierDepot.net (2019); Mansen (2018); Mansfeld (2018).
29 Vgl. Mansen (2018), 235 ff.
30 Hobisch (2022), S. 450.
31 Vgl. Mansen (2018), 235 ff.
32 Vgl. Mansen...
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