Schweitzer Fachinformationen
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Vergiss mein nicht!
1984: Ein Landwirt macht eine schreckliche Entdeckung. Er ist gerade dabei mit seinem Pflug das Feld für die Wintergerste vorbereiten, als er auf seinem Acker eine kleine Fläche entdeckt, auf der jemand kunstvoll Blumen gepflanzt hat. Der Landwirt steigt von seinem Traktor, um die Pflanzen herausziehen, damit er weiterarbeiten kann. Doch dazu kommt es nicht: Unter den Wurzelballen der Blumen entdeckt er die Leiche eines jungen Mädchens.
Einunddreißig Jahre später - Erneut ein Grab in Emskirchen. Wieder ist es am Rande eines Ackers angelegt worden, abermals wurden dort Blumen drapiert. Doch dieses Mal sind sie nicht kunstvoll eingepflanzt, sondern liegen lose auf dem Grab. Sie stammen vom Selbstpflückerfeld in der Nachbarschaft.
Johanna Eckstein kann sich gut an den Fall vor einunddreißig Jahren erinnern. Inzwischen hat sie Karriere bei der Kripo gemacht. Nun muss sie in ihrer Heimatgemeinde Emsfeld und in ihrer eigenen Vergangenheit ermitteln: Hat wieder derselbe Täter zugeschlagen - und was haben die beiden Morde miteinander gemein?
Die geschaffene Atmosphäre in diesem Krimi sorgt für zahlreiche Gänsehautmomente. Fritzi Jäger überzeugt mit nahbaren Charakteren, cleveren Verstrickungen und Spannung bis zur letzten Seite.
Er war früh aufgestanden an diesem Dienstag im August 1984. Agnes hatte sich wie jeden Morgen noch einmal umgedreht. Morgens trank er immer nur einen schwarzen Kaffee und blätterte kurz durch die Lokalzeitung, die er aus dem Briefkasten an der Einfahrt zu ihrem Hof holte. Das Wetter war stabil, es würde wieder warm werden. Als die Sonne um kurz vor 6 Uhr aufging, hängte Ludger Schulze schon den Pflug an den Traktor. Heute würde er sich erst die Fläche im Wiewelhooker Esch vornehmen, dann das Feld am Rabeneck.
Er lag gut in der Zeit. Es war erst halb acht, als er seinen Pflug am Rande des Rabenecks in die Erde sinken ließ, um den Boden für die Aussaat der Wintergerste vorzubereiten. Der Acker war nicht besonders groß. Wahrscheinlich könnte er schon um 10 Uhr zum richtigen Frühstück zu Hause sein, vielleicht würde er sich ein paar Spiegeleier braten. Er schaute auf die Uhr, gähnte und richtete seinen Blick nach vorne, um in der Spur zu bleiben. In der Ferne sah er etwas, das ihn blinzeln ließ. Was war das? Er erahnte etwas Rotes und Weißes, ganz hinten, am Rand des Feldes. Als er näher kam, erkannte er die Rosen und den Zauberschnee. Jemand musste sie auf seinem Acker gepflanzt haben. Er wusste nicht, woran ihn das schöne Blumenarrangement erinnerte. Auch wenn es nicht auf seinen Acker gehörte, er konnte doch nicht einfach darüber hinwegpflügen. Er stoppte den Traktor, legte den Leerlauf ein und stieg aus. Wenigstens ein paar der Rosen könnte er seiner Frau doch gleich zum Frühstück mitbringen, dachte er und näherte sich der rätselhaften Fläche, die höchsten zwei mal ein Meter groß war. Ein leichter Wind wehte den leicht fauligen Duft frisch gepflügter Erde zu ihm. Es war warm draußen, bestimmt schon an die 20 Grad. Doch Ludger fror, als ihm klar wurde, woran ihn der aufgeworfene Erdhügel mit den hübschen Blumen darauf erinnerte.
Am Tag, an dem Johanna Eckstein ahnte, dass sie anders war als der Rest ihrer Familie, hatte sie die ersten beiden Stunden frei. Es war kurz nach den Sommerferien, sie war jetzt schon ein paar Tage lang eine Untertertianerin. Was im Klartext bedeutete: Sie war eine Neuntklässlerin. Doch die Lehrer und auch viele ihrer Mitschüler des katholischen St.-Anna-Gymnasiums legten großen Wert darauf, die hochtrabende lateinische Bezeichnung für ihre Jahrgangsstufe zu benutzen. Ihr war das egal, Hauptsache, sie kam klar in der Schule - und das tat sie. Jetzt saß sie mit ihrer Mutter am Frühstückstisch. Gerade beschmierte sie ihr zweites Toastbrot mit Nussenia - der kostengünstigeren und süßeren Nutella-Alternative -, als ihr kleiner Bruder Tobias Sturm klingelte. Er war erst vor fünf Minuten Richtung Grundschule losgeradelt. Johannas Mutter schaute sich nach einem vergessenen Turnbeutel oder dem Schulbrot um, doch es war schnell klar, dass Tobi nicht deshalb zurückgekommen war. Er fiel fast ins Haus, als seine Mutter die Tür öffnete. Sein Gesicht hatte dieselbe Farbe angenommen wie die gerade erst wieder weiß überstrichene Raufasertapete im Flur, gleichzeitig bildeten sich rote Flecken auf seinen Wangen. Atemlos brachte er nur einzelne Worte heraus. »Polizei. Anrufen. Eine Tote. Schnell. Schnell.«
Seine Stimmt kippte ins Weinen. Während seine Mutter den Jungen in den Arm nahm, ließ Johanna ihren Toast links liegen, ging zu den beiden und fasste kurz die Sachlage zusammen: »Wir sollen die Polizei rufen, richtig?«
Tobias nickte.
»Hast du einen Unfall beobachtet? Ist jemand überfahren worden?«
Er schüttelte den Kopf. »Der Bauer hat's gesagt.«
Johanna ging ein bisschen in die Knie und schaute ihrem Bruder tief in die Augen. »Was hat der Bauer dir gesagt, Tobi?«
»Dass ich ganz schnell nach Hause fahren und die Polizei anrufen soll. Weil da, weil da .« Er schluchzte. »Weil da eine Tote liegt.«
Johanna blieb ganz ruhig. »Wo, Tobi. Wo liegt sie?«
»Auf dem Acker, am Rand.«
»Welchen Acker meinst du?«
Tobias zitterte, umklammerte seine Mutter noch ein bisschen fester. »Ich meine den Acker, wo wir mal mit meinem Drachen waren.«
Johanna nickte. »Und was hast du da gesehen?«
»Da stand der Bauer, und der brüllte. Er brüllte mich ganz laut an«, brachte Tobias weinend hervor.
Johanna überließ das Trösten der Mutter und rief die Polizei an. Sie erklärte der Frau am anderen Ende der Leitung den Weg zum Rabeneck. So hieß der Acker von Bauer Schulze. Im Herbst hatten sie dort Tobis kleinen Drachen steigen lassen. Oder besser, sie hatten es vergeblich versucht. Der Wind reichte einfach nicht für das billige Plastikteil.
Als sie draußen vor der Tür auf ihr Fahrrad stieg, um sich dorthin aufzumachen, kam ihr Vater ihr auf dem Vorhof seines Landmaschinenhandels entgegen. »Zur Schule geht's aber in die andere Richtung, Fräulein.«
Johanna ignorierte ihn. Sie hatte keine Zeit zu antworten. Sie musste zum Rabeneck. Dass ihre Mutter sie nicht gehen lassen wollte, war ihr egal, dass ihr Vater sie maßregeln wollte, auch. Es ging hier um etwas Wichtiges. Idiotische Elternsorgen, eine Doppelstunde Chemie, und überhaupt alles andere war da gerade wirklich nebensächlich.
+++
Ludger Schulze war kein kleiner Mann. Er war mindestens ein Meter fünfundachtzig groß und wog um die hundertzehn Kilo. Der Motor seines Fendt-Traktors lief noch im Leerlauf. Der Pflug war in der lehmigen Erde versunken, und auch Ludger Schulze schien dort zu stecken. Er kniete auf dem Boden, mit krummem Rücken. Als Johanna neben ihn trat, überragte sie ihn, obwohl sie doch sonst immer nur die kleine Jojo war.
»Ludger?«, sie sprach sehr ruhig und leise; wollte ihn nicht erschrecken, denn er hatte sie noch nicht wahrgenommen. Es war für Vierzehnjährige in Emsfeld eigentlich nicht üblich, Erwachsene mit ihrem Vornamen anzusprechen, aber in dieser Situation hätte ein »Herr Schulze« noch weniger gepasst. Außerdem nannte jeder im Ort ihn Ludger. Nun also auch sie.
»Die Polizei kommt gleich. Wir haben dort angerufen«, sagte Johanna. Dann schaute sie auf seine große Hand, die von der Ackererde verdreckt war und mit der er eine andere, kleinere Hand festhielt. Sie ragte aus einer Art flachem Erdhügel heraus, der lilafarbene Lack an den kurzen Nägeln war an einigen Stellen abgeplatzt. Die Erde um die Hand herum war mit weißen Blumen und roten Rosen bepflanzt. Johanna dachte an das Grab ihrer Großmutter - das war nicht so schön. Immergrüne Bodendecker und ein Naturstein, das war's. Dass dies hier ein liebevoll hergerichtetes Grab war, daran bestand für Johanna kein Zweifel. Ein paar Rosen samt Pflanzballen lagen neben der freigelegten Mädchenhand.
»Ich wollte nur pflügen, den Boden fertig machen, für die Wintergerste«, sagte Ludger. »Dann waren da plötzlich diese schönen Blumen. Verrückt sah das aus. Ich habe angehalten, ich wollte sie doch nicht kaputt fahren.« Er sprach weiter wie zu sich selbst. »Die müssen gerade erst eingepflanzt worden sein, war kein Problem, sie mit Ballen herauszuziehen. Ich dachte, Agnes würde sich freuen, für unseren Garten.« Er streichelte die starre Hand. »Und dann. Das hier.« Er rieb sich mit der dreckigen Hand über sein Gesicht, Erdkrümel blieben in seinen Augenbrauen hängen. Dann fasste er sich, sein Oberkörper bekam wieder Spannung. »Wir müssen sie rausholen«, sagte er mit fester Stimme und begann damit, die anderen Blumen herauszureißen, um die Tote freizulegen.
Johanna hatte schon viele Krimis im Fernsehen gesehen, und sie liebte Agatha Christies Romane. Auch wenn in SOKO 5113 sicher nicht alles realistisch dargestellt wurde, sie wusste, dass es keine gute Idee war, Spuren zu vernichten, bevor die Ermittler sie sichern konnten. Sie stoppte ihn, indem sie vorsichtig seinen Arm berührte. »Wir gehen besser ein paar Meter zur Straße dort drüben.« Sie zog den großen Mann an seinem Hemdsärmel mit. »Hier sollte nur noch die Polizei graben.«
Juli 2015
Der Mann, der jetzt vor Johanna stand, war von ähnlicher Statur wie Bauer Schulze. Warum sie ausgerechnet in diesem Moment an den armen Tropf aus ihrem Heimatdorf denken musste, war mit Logik nicht zu beantworten. Nichts erinnerte hier, unter den Bögen der Berliner U-Bahn-Station Warschauer Straße, an die menschenleeren Feldwege und Ackerränder des Münsterlandes oder an die Leute dort. Obwohl. Sie hatte schon oft alte Bekannte, Freunde der Eltern oder Schulkameraden aus ihrer Kindheit auf U-Bahn-Fahrten, im Kaufhaus oder beim Joggen übers Tempelhofer Feld wiedererkannt - sich aber bei genauerem Hinsehen eingestehen müssen, dass sie sich eindeutig getäuscht hatte. Vielleicht sollte sie doch mal den psychologischen Dienst aufsuchen, dachte sie für den Bruchteil einer Sekunde. Sie konnte sich mit solchem Quatsch nicht aufhalten.
Hier und jetzt hatte sie Jason Mupoto festzunehmen, der im Verdacht stand, einen befreundeten Dealer halb totgeschlagen zu haben.
Und trotzdem würde es nichts nutzen. Mupoto würde bald zurückkehren und weiter seinen Mist verkaufen. Johanna dachte an einen Spruch ihres Vaters, der gerne fiel, wenn ihre beiden Brüder sich früher mal wieder beharkt hatten und in einem seltsamen Ringkampf ohne Regeln über den frisch gemähten Rasen getaumelt und gerollt waren. »Pack schlägt sich, Pack verträgt sich«, hatte er dann immer gesagt. Und auch wenn sie ihre Brüder nicht als Pack bezeichnen würde,...
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