Schweitzer Fachinformationen
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Die zwei Wochen Urlaub waren wie im Fluge vergangen und fielen weniger ergiebig aus als erhofft. Frank Reuter hatte sich diesen zeitlichen Vorlauf gegönnt, um vor Antritt seiner neuen Dienststelle alle privaten Angelegenheiten zu regeln. Er kannte sich mittlerweile in Flensburg und Umgebung einigermaßen gut aus und hatte auch seine dänischen Sprachkenntnisse nochmals verbessert, was aber weiterhin fehlte, war eine Wohnung. Von seinem Hotel aus konnte Frank den Weg zur Polizeidirektion im Norderhofenden leicht zu Fuß zurücklegen. Auf dem Holm, der Einkaufsmeile, lauschte er der Vielfalt an Sprachen. Deutch und Dänisch überwogen eindeutig. Es faszinierte Frank immer wieder, wie formlos die Skandinavier miteinander verkehrten. Er wusste aber auch, dass es durchaus feine Unterschiede beim allgegenwärtigen Duzen gab. Er fragte sich, ob er es sich jemals angewöhnen konnte oder immer wieder automatisch Fremde sofort siezen würde. Schließlich erreichte Frank das ganz in Weiß gehaltene Gebäude aus der Gründerzeit, in dem das Polizeipräsidium untergebracht war. Der Einzugsbereich der Direktion war enorm, nachdem im Jahr 2013 die Polizeidirektionen Husum und Flensburg fusioniert hatten. Dadurch wurden die Beamten selbst für Ermittlungen in Nordfriesland oder im Kreis Schleswig-Flensburg zuständig. Frank meldete sich bei dem uniformierten Kollegen im Foyer an und wurde wenige Augenblicke später von einem schmal gebauten Mann abgeholt.
»Kommissar Jo Fechner«, stellte er sich vor.
Der Name war Frank schon geläufig, da er zum Team um Hauptkommissarin Sonja Martenson gehörte, das bisher die Ermittlungen in grenzüberschreitenden Fällen mit übernommen hatte. Durch Franks Versetzung konnte diese Übergangslösung nun endlich beendet werden.
»Hauptkommissar Frank Reuter«, erwiderte er und schüttelte die angebotene Rechte.
Fechner ging mit ihm zum Fahrstuhl, der die beiden Männer ins dritte Stockwerk brachte. Auf dem Gang eilten Männer und Frauen zwischen den Büros hin und her. Es herrschte die übliche Geschäftigkeit einer Polizeidienststelle. Zwei Uniformierte kamen ihnen entgegen. Sie grüßten den Kommissar und warfen Frank einen neugierigen Blick zu. Am Ende des Gangs klopfte Fechner an eine Tür, um sie gleich danach aufzustoßen.
»Nach Ihnen, Herr Reuter«, ließ er Frank den Vortritt.
Das Eckbüro verfügte über zwei Fenster, sodass trotz des regnerischen Novemberwetters viel Licht in den Raum fiel. An einem Besprechungstisch saßen ein drahtiger Mann von etwa Mitte 50 und Hauptkommissarin Sonja Martenson, die Frank anhand einer Fotografie aus der Dienststellenübersicht erkannte. Sie entließ Fechner mit einem Nicken und erhob sich genauso wie der Mann.
»Moin, Herr Reuter. Sonja Martenson. Darf ich Ihnen den Dienststellenleiter Hauptkommissar Thorsten Albrecht vorstellen?«, begrüßte sie Frank.
Er schüttelte nacheinander die Hand der beiden Kollegen und nahm dann den angebotenen Sitzplatz sowie eine Tasse Kaffee an. Aus dem Augenwinkel musterte er Albrecht, der tiefe Ringe unter den Augen hatte und mit den grauen Schläfen älter wirkte, als er wahrscheinlich war. Der Job als Dienststellenleiter schien ausgesprochen aufreibend zu sein. Gleichzeitig lauschte Frank den Ausführungen der Hauptkommissarin, die von früheren Ermittlungen berichtete. Das spezielle Abkommen zwischen Deutschland und Dänemark ermöglichte es Ermittlern beider Länder, ohne großen behördlichen Aufwand ihrer Arbeit nachzugehen. Während ab sofort Frank von Flensburg aus derartige Fälle übernehmen würde, existierte in Sonderburg eine Kommissarin, mit der Martensons Team bereits mehrfach zusammengearbeitet hatte.
»May-Britt Oldsen verfügt genau wie Sie über beträchtliche Erfahrungen. Sie war vorher in Kopenhagen bei der Drogenfahndung und der Fachgruppe für Gewaltverbrechen im Einsatz«, erklärte die Hauptkommissarin.
Unwillkürlich fragte Frank sich, welche Leichen Oldsen wohl im Keller hatte, um auf einen so karrierefeindlichen Dienstposten versetzt worden zu sein. Seine abschweifenden Gedanken wurden von einer Frage des Dienststellenleiters unterbrochen.
»Konnten Sie sich schon ein wenig in unserer schönen Stadt einleben, Herr Reuter?«, wollte Albrecht wissen.
Höflich lobte Frank sowohl die Stadt als auch das Umland in den höchsten Tönen. Das fiel ihm nicht weiter schwer, da es aus ganzem Herzen kam. Die lebhafte Innenstadt mit der Fußgängerzone, die herrlichen Kaufmannshöfe und natürlich der Hafen sagten Frank sehr zu. Bis zum wunderbaren Strand in Glücksburg war es ebenfalls nicht weit und auch dort fühlte er sich auf Anhieb gut aufgehoben.
»Lediglich bei der Wohnungssuche hatte ich bislang keinen Erfolg. Entweder sagte mir die Lage nicht zu oder die Miete überstieg meine Möglichkeiten«, räumte er ein.
Albrecht schaute ihn mitfühlend an, während Martenson ein nachdenkliches Gesicht aufsetzte.
»Das ist in der Tat eine schwierige Situation. Möglicherweise lohnt sich ein Blick auf umliegende Gemeinden. Dort ist die Wohnungsmarktlage meist nicht so angespannt«, schlug er vor.
Darüber hatte Frank ebenfalls bereits nachgedacht. Noch scheute er aber diesen Schritt, der zu einem zeitlichen Mehraufwand führen würde. In Kiel hatte er es genossen, mitten in der Stadt zu leben und nur einen kurzen Weg zum Landeskriminalamt zu haben. So etwas in der Art schwebte ihm jetzt auch wieder für Flensburg vor, doch bisher liefen seine Bemühungen ins Leere.
»Sind Sie ein guter Handwerker, Herr Reuter?«, fragte Sonja Martenson plötzlich.
Nicht nur Frank schaute sie verwundert an, sondern auch Albrecht. Offenbar verstand er den Hintergrund der Frage ebenso wenig wie Frank.
»Früher habe ich viel selbst gemacht, ja. Meine Frau und ich haben mehrfach Häuser renoviert, in denen wir anschließend gewohnt haben. Warum fragen Sie?«, erwiderte er.
»Soweit ich informiert bin, sucht eine gute Bekannte von Kommissar Fechner nach einem Mieter für eine Wohnung über ihrem Fotoatelier auf dem Holm. Es gibt allerdings einigen Renovierungsbedarf, daher ist das Objekt nur für handwerklich begabte Menschen geeignet«, antwortete sie.
Das klang in Franks Ohren durchaus verlockend. Solange er nicht in eine feuchte, eiskalte Bruchbude einziehen musste, bestand durchaus Interesse.
»Nach der Einsatzbesprechung gehen wir zu Jo und fragen ihn. Einverstanden?«, schlug Martenson vor.
Frank willigte sofort ein. Anschließend kehrten sie zu dienstlichen Anliegen zurück. Albrecht händigte Frank seinen neuen Dienstausweis sowie eine Walther P99 samt Holster und drei Magazinen aus. Wie üblich, musste Frank dafür unterschreiben.
»Sind Sie mit der Pistole vertraut?«, fragte Martenson.
Da Frank bereits während seiner Zeit beim LKA eine baugleiche Walther als Dienstwaffe geführt hatte, entfiel eine spezielle Einweisung auf dem Schießstand. Die Einsatzbesprechung endete mit einer förmlichen Belehrung, welche Befugnisse er im Rahmen des Grenzermittlungsabkommens mit Dänemark hatte. Dann wünschte Albrecht ihnen eine gute Zusammenarbeit und entließ beide Hauptkommissare. Frank befestigte das Holster am Gürtel und schob Ersatzmagazine in die Seitentasche seiner Lederjacke. Den Ausweis klemmte er sich an die Brusttasche seines Hemdes, damit er sich ungehindert im Präsidium bewegen konnte.
»Ich zeige Ihnen zuerst Ihr neues Büro. Dort können Sie die Jacke loswerden und sich später in Ruhe einrichten. Danach stelle ich Ihnen meine Mitarbeiter vor, auf die Sie nach Rücksprache mit mir immer zugreifen können«, sagte Sonja Martenson.
Die neue Position brachte mit sich, dass Frank zwar leitender Beamter war, allerdings ohne eigene Mitarbeiter. Die Regelung, im Bedarfsfall auf Martensons Team zurückgreifen zu können, musste sich in der Praxis erst noch bewähren.
*
Fünf Minuten später lernte Frank die beiden weiteren Mitarbeiter von Martenson kennen. Fechner hielt sich im Hintergrund, während Frank die Oberkommissarin Helga Thoms und den Oberkommissar Fabian Kraft begrüßte. Der bullige Mann mit der Vollglatze erinnerte ihn unwillkürlich an Holly Fendt; der Leiter des Dezernats für organisierte Kriminalität beim LKA war einer der wenigen Freunde, die Frank im Kollegenkreis hatte. Genau wie Kraft war Holly ein wahrer Hüne mit Glatze und wachem Verstand.
»Hauptkommissar Reuter übernimmt wie bereits besprochen ab heute die Ermittlungen in allen grenzüberschreitenden Fällen. Wir unterstützen ihn nach Bedarf zukünftig, wenn der Umfang der Ermittlungen zusätzliches Personal erfordert«, erklärte Martenson.
Da die Abteilung auch so jede Menge Arbeit auf dem Tisch hatte, war Franks Übernahme der bisherigen Mehrarbeit durchaus willkommen. Nach der kurzen Begrüßung gingen die Ermittler zurück in ihr Büro, nur Jo Fechner wurde von Martenson aufgehalten.
»Sucht Ines eigentlich immer noch einen Mieter für die Wohnung über ihrem Atelier?«, fragte sie.
»Ja. Wieso, kennst du einen möglichen Kandidaten?«, antwortete Jo.
Mit einem Lächeln deutete Martenson auf Frank. »Herr Reuter ist handwerklich begabt und sucht nach einer bezahlbaren Unterkunft im Stadtzentrum«, sagte sie.
Der schmal gebaute Kommissar hob überrascht die Augenbrauen in die Höhe. »Ernsthaft? Ich muss Sie aber warnen. Frau Arndt hat spezielle Vorstellungen in Bezug auf die Renovierung. Die vorherigen Mieter haben die Räume in einem schlimmen Zustand zurückgelassen«, wandte er sich an Frank.
Der hob die Hände. »Ich bin zwar durchaus erfahren als Handwerker, immerhin habe ich zwei Häuser quasi...
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