Schweitzer Fachinformationen
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Unter wissenschaftlicher Beobachtung (vgl. ausführlich insbesondere Spinath & Becker, 2011; Gehrau, 2002; Schaller, 1999; Döring & Bortz, 2016) wird die zielgerichtete und methodisch kontrollierte Erfassung sinnlich wahrnehmbarer Tatbestände wie z. B. konkreter Systeme, Ereignisse (zeitliche Änderungen in konkreten Systemen) oder Prozesse (Sequenzen von Ereignissen) verstanden. Der Beobachtungsgegenstand wird entweder zeitlich vor der Beobachtung deduktiv aus vorhandenen (theoretisch oder empirisch) begründetem Wissen oder aber induktiv und dann zeitlich der Beobachtung nachgelagert (z. B. nach Plausibilität) beschrieben. Die Datenerhebung erfolgt entweder als Selbst- oder aber als Fremdbeobachtung.
Selbstbeobachtung
Selbstbeobachtung umfasst den breiteren Informationskreis, da sie nicht nur Verhalten sondern auch das Erleben erfasst. Nachteilig allerdings ist die Beeinflussung des zu beobachtenden Verhaltens durch die implizit erfolgende Selbstkontrolle. Neuere Instrumente zur Selbsteinschätzung der Eltern-Kind-Beziehungsqualität durch Kinder und Jugendliche sind z. B. das »Strukturierte Interview zur Erfassung der Kind-Eltern-Interaktion« (Roll, 2013) sowie der »Elternbildfragebogen für Kinder und Jugendliche« (Titze & Lehmkuhl, 2010). Die Selbstbeurteilung der Eltern-Kind-Beziehung sowohl aus der elterlichen als auch aus der Kinderperspektive erfragt z. B. der »Familienidentifikationstest« (Remschmidt & Mattejat, 1999).
Fremdbeobachtung
Die Fremdbeobachtung (und die soll hier ausschließlich Gegenstand des Interesses sein) wird unterschieden in teilnehmende und nicht teilnehmende Beobachtung, wobei die teilnehmende Beobachtung die unterschiedlich intensive Involvierung der Beobachtenden in das zu beobachtende Geschehen meint. Ein wichtiges Kriterium stellt die möglichst hohe »Unvermitteltheit« des Untersuchungsgegenstandes dar, die der videografierten Teilnahme noch »erlaubt«, sich der Verhaltensbeobachtung zuzurechnen, während die Anhörung Dritter als Befragung und nicht mehr als Beobachtung zählt (Spinath & Becker, 2011, S. 326). Weiterhin lassen sich experimentell kontrollierte Beobachtungen von natürlichen Beobachtungen differenzieren, wobei auch Sonderfälle - wie z. B. geplante, jedoch als natürlich maskierte Beobachtungssituationen - in einigen sozialpsychologischen Experimenten existieren.
Im Feld der Familiendiagnostik scheinen im Übrigen Beobachtungsverfahren und Fragebögen unterschiedliche Aspekte abzudecken. Interpersonelle Grenzen und emotionales Engagement sind demnach besser mit videogestützten Interaktionsverfahren, Konflikthaftigkeit dagegen eher mit Hilfe von Fragebögen zu eruieren (Steininger, 2010).
Verhalten kann durch seine Häufigkeit, seine Dauer, seine Intensität oder als Ganzes quantifiziert werden. Dabei wird in der Literatur zwischen Defizit, Normalität und Exzess unterschieden. Qualitativ kann es modusbezogen im Sinne der Angemessenheit bezüglich einer definierten Erwartung beurteilt werden. Und schließlich lässt sich beobachten, inwieweit das Verhalten kontinuierlich oder diskontinuierlich auftritt (Kontinuität).
allgemeine Beurteilungseffekte
In der Datenauswertung lässt sich eine Reihe von Effekten beschreiben, die einen mehr oder weniger starken Einfluss auf die Beurteilung haben können. Zu den allgemeinen Beurteilungseffekten gehören beispielsweise:
der Hof-Effekt/Überstrahlungseffekt: Schlussfolgerung von bekannten auf unbekannte Eigenschaften
Positionseffekte: Erster oder letzter Eindruck steuert die Beurteilung,
der Milde-Effekt/Strenge-Effekt: Tendenz generell günstig/ungünstig zu bewerten,
die zentrale Tendenz: Bevorzugung von neutralen und Vermeidung von extremen Urteilen,
Kontrastfehler/Ähnlichkeitsfehler: Bei der betrachteten Person werden Eigenschaften erkannt, die die Beobachterin/der Beobachter sich selbst abspricht oder sich selbst zuschreibt und
der Erwartungseffekt: Die Beurteilenden lassen sich in ihren Schlussfolgerungen von ungeprüften Hypothesen leiten.
spezielle Beurteilungseffekte
Als spezielle Beurteilungseffekte sollte man insbesondere die Tendenzen
zu einer überfordernden Differenzierungsfähigkeit (die Fülle der Beobachtungsdaten kann die auswertende Person überfluten),
zur unscharfen Definition von Beobachtungsitems mit einem zu weiten Interpretationsraum sowie
zur Unvertrautheit mit den Beobachtungsinhalten oder dem Beobachtungscode berücksichtigen.
Objektivität
Die Güte von Beobachtungsverfahren wird erstens bestimmt durch deren Objektivität6, die insbesondere als Beobachterübereinstimmung messbar ist und durch Trainings sowie durch Sprachübereinkünfte verbessert werden kann.
Reliabilität
Zweitens verbessert sich die eng damit verzahnte Reliabilität durch hohe Präzision der Beobachtungsinstrumente, durch die Episodenkürze, durch Episodenwiederholungen und durch den Einsatz mehrerer (geschulter) beobachtender Personen.
Validität
Die Gültigkeit, als das Kriterium, welches Auskunft gibt zur Frage, inwieweit das Instrument auch tatsächlich das misst, was es vorgibt zu messen, wird schließlich drittens insbesondere durch die Untersuchung des Zusammenhangs mit anderen auf den gleichen oder ähnlichen Gegenstand zielenden Verfahren als Konstruktvalidität bestimmt. Ferner lassen sich die Zustimmung der beobachteten Person oder anderer Fachkräfte zur Validierung des Verfahrens heranziehen.
Vorteile
Vorteile von Beobachtungs- gegenüber anderen diagnostischen Verfahren werden in der Erfassung komplexer und nicht reduzierter Verhaltensstichproben gesehen, die Raum für die Entdeckung neuer und bisher nicht erwarteter, vielleicht auch spontaner Verhaltensweisen bietet. Zudem lässt sich die Stabilität von Verhalten durch Veränderung der Verhaltensbedingungen gezielt beobachten.
Nachteile
Nachteile gegenüber anderen Verfahrensklassen liegen in der recht hohen Subjektivität der Beurteilenden, dem vergleichsweise hohen Zeitaufwand und in der nicht immer stringenten theoretischen Begründung der Beurteilungskriterien.
Dass die bis hierher erwähnten - der nomothetischen Vorgehensweise zuzurechnenden - Gütekriterien nur eingeschränkt verwendet werden können, ist augenscheinlich. Insofern sollte man die Beobachtung zukünftig eher als qualitativen Beschreibungsprozess ausweisen und nicht versuchen, dessen Methodik in vollständige Übereinstimmung mit dem quantitativ orientierten nomothetischen Paradigma zu bringen. Stattdessen bieten sich folgende Merkmale für die Bestimmung und Verbesserung der Güte qualitativen Vorgehens an:
die strukturierte Verfahrensdokumentation
regelbezogene Datenverarbeitung
argumentative Absicherung der Interpretation
profunde Kenntnis und Kompetenz in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand sowie
Triangulation7 (Flick, 2011; Klein & Sauer-Kramer, 2017 und im Überblick: Mayring, 2016; Döring & Bortz, 2016).
Timesampling: Bei diesem Verfahren wird der Zeitstrom in kurze, kontinuierlich aufeinanderfolgende Zeiteinheiten, deren Grenzen für den Beobachter klar erkennbar sind, aufgeteilt. Diese Intervalle nennt man Einheitsintervalle. Entschieden wird bzgl. jedes Einheitsintervalls, ob im Voraus definiertes Verhalten in dem Intervall auftritt oder nicht und dies unabhängig von dessen Auftretenshäufigkeit nach dem Alles-oder-Nichts Prinzip codiert.
Eventsampling: Es wird die Auftretenshäufigkeit eines vorher definierten Verhaltens in einer festgelegten Zeitspanne erfasst.
Rating-Verfahren: Die Auswertenden schätzen den Ausprägungsgrad einzelner oder komplexer Verhaltensweisen ab und bewerten diesen anhand einer Messskala. Das Rating-Verfahren ist in der Interaktionsbeobachtung die am häufigsten angewandte Methodik, da dessen Vorteile, nämlich die relativ leichte Handhabung und die meistens hohe Plausibilität bei einem ansonsten hoch komplexen und dynamischen Geschehen, in der Praxis überzeugen. Dennoch oder gerade deshalb soll an dieser Stelle auch auf die kritischen Aspekte eingegangen werden.
Aus messmethodischer Sicht ist zu konstatieren, dass die Skalenniveaus häufig nicht expliziert sind und...
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